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BRAK-Mitt. 2/2002 Aufsätze 57<br />
Hellwig, Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r nationalen Berufsrechte<br />
lungen und ordnete die Vertagung <strong>de</strong>s Verfahrens an. Diese Vertagung<br />
führte zu einem Richterwechsel. Der neue Richter hob<br />
nach Durcharbeitung <strong>de</strong>r Akten im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht<br />
insbeson<strong>de</strong>re auch nach <strong>de</strong>utschem Recht sämtliche<br />
Verfügungen gegen meinen Freund auf. Zu diesen Verfügungen<br />
gehörten auch zwei meinem Freund unbekannt gebliebene<br />
Verfügungen an die British Telecom bzw. das Post Office –<br />
offenbar war <strong>de</strong>r Telefon- und Postverkehr meines Freun<strong>de</strong>s<br />
überwacht wor<strong>de</strong>n.<br />
Dieser konkrete Fall zeigt drastisch, zu welchen Konsequenzen<br />
die Konflikte zwischen <strong>de</strong>n von Land zu Land gelten<strong>de</strong>n unterschiedlichen<br />
anwaltlichen Berufsrechten für <strong>de</strong>n einzelnen Anwalt<br />
führen können.<br />
Auch <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Konfliktsfall habe ich in meiner Praxis erlebt,<br />
vor etwa 15 Jahren. Bei einer <strong>de</strong>utschen Staatsanwaltschaft<br />
war ein großes wirtschaftsrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig,<br />
das sich u.a. auch gegen <strong>de</strong>n Chairman of the Board<br />
einer be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n amerikanischen Corporation richtete. Parallel<br />
dazu waren wegen <strong>de</strong>sselben Sachverhaltskomplexes bei<br />
einem Zivilgericht Scha<strong>de</strong>nsersatzprozesse anhängig, die sich<br />
u.a. gegen die Corporation richteten. Ein Mitglied <strong>de</strong>r Rechtsabteilung<br />
<strong>de</strong>r Corporation – amerikanischer Attorney at Law –<br />
war in Deutschland, um mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Anwälten <strong>de</strong>r Corporation<br />
an einem Schriftsatz für <strong>de</strong>n Zivilprozess zu arbeiten.<br />
Der Staatsanwalt erfuhr davon, lud ihn als Zeugen im Ermittlungsverfahren<br />
vor und drohte ihm die Verhaftung an, wenn er<br />
nicht komme und aussage. Die nach amerikanischem Recht bestehen<strong>de</strong><br />
Verschwiegenheitspflicht auch als Inhouse Counsel<br />
wollte <strong>de</strong>r Staatsanwalt nicht gelten lassen. Erst das Strafgericht<br />
hob die Verfügung <strong>de</strong>s Staatsanwalts auf und <strong>de</strong>r amerikanische<br />
Kollege konnte Deutschland wie<strong>de</strong>r verlassen, ohne befürchten<br />
zu müssen, an <strong>de</strong>r Grenze verhaftet zu wer<strong>de</strong>n. Bis zur Erledigung<br />
<strong>de</strong>s Strafverfahrens, das sich überhaupt nicht gegen ihn<br />
richtete, hat er <strong>de</strong>utschen Bo<strong>de</strong>n nicht wie<strong>de</strong>r betreten.<br />
Dieser Fall macht ein weiteres Grundproblem <strong>de</strong>utlich: Hat ein<br />
RA eines EU-Mitgliedstaates in einem an<strong>de</strong>ren EU-Mitgliedstaat,<br />
in <strong>de</strong>m er dienstleistend o<strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgelassen tätig ist, das<br />
Recht (und ggf. die Pflicht) vor Gericht die Aussage als Zeuge zu<br />
verweigern? Hat er dieses Recht insbeson<strong>de</strong>re auch dann, wenn<br />
seine Verschwiegenheitspflicht nach Heimatrecht umfassen<strong>de</strong>r<br />
ist als die Verschwiegenheitspflicht eines Anwalts in <strong>de</strong>m Land,<br />
in <strong>de</strong>m er als Zeuge vernommen wer<strong>de</strong>n soll?<br />
3. Chinese Walls<br />
Ich erwähne dieses Thema als eigenen Unterpunkt, weil es hier<br />
– von Land zu Land vielleicht unterschiedlich – sowohl um Fragen<br />
<strong>de</strong>s Interessenkollisionsverbots als auch um Fragen <strong>de</strong>r beruflichen<br />
Vertraulichkeit geht. Ob Chinese Walls grundsätzlich<br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st in bestimmten Fällen geeignet sind, um Be<strong>de</strong>nken<br />
gegen eine anwaltliche Tätigkeit zu überwin<strong>de</strong>n, die sich<br />
aus <strong>de</strong>m Interessenkollisionsverbot und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r anwaltlichen<br />
Verschwiegenheitspflicht ergeben können, ist in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />
– vielleicht mehr <strong>de</strong> lege ferenda als <strong>de</strong> lege lata – in <strong>de</strong>n<br />
meisten Län<strong>de</strong>rn Gegenstand intensiver Diskussionen gewesen.<br />
Bekannt gewor<strong>de</strong>n ist vor allem die gegenüber Chinese Walls<br />
sehr kritische Entscheidung <strong>de</strong>s englischen House of Lords v.<br />
18.11./18.12.1998 in <strong>de</strong>r Sache „Prince Jefri Bolkiah/KPMG“.<br />
Nach meinem Eindruck wer<strong>de</strong>n Chinese Walls weiterhin überwiegend<br />
abgelehnt. Als jüngste Entwicklung ist zum einen zu<br />
vermerken, dass Generalanwalt Léger im Verfahren NOVA I gegenüber<br />
Chinese Walls zur Lösung von Vertraulichkeits- und Interessenkonfliktsproblemen<br />
prinzipielle Vorbehalte geäußert<br />
hat. Zum an<strong>de</strong>ren hat die Kommission „Ethics 2000“ <strong>de</strong>r ABA<br />
im letzten Jahr ihre Vorschläge für Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r ABA Mo<strong>de</strong>l<br />
Rules vorgelegt. Der Vorschlag hat 279 Seiten, davon 62 Seiten<br />
zum Thema Interessenkonflikt. Der Vorschlag hält daran fest,<br />
dass Chinese Walls eine an sich unzulässige Tätigkeit in tatsächlichen<br />
Konfliktsituationen nicht zulässig machen können. Die<br />
Tätigkeit in möglichen Konfliktsfällen bleibt weiterhin zulässig,<br />
und zwar ohne Chinese Walls, vorausgesetzt, bei<strong>de</strong> Mandanten<br />
sind einverstan<strong>de</strong>n. Dieses Einverständnis soll künftig schriftlich<br />
abgegeben wer<strong>de</strong>n müssen. Chinese Walls sind somit unmittelbar<br />
ohne Relevanz. Sie können mittelbar insofern von Be<strong>de</strong>utung<br />
sein, als auf <strong>de</strong>r Grundlage von Chinese Walls vielleicht<br />
bei<strong>de</strong> Mandanten ihr Einverständnis zur Tätigkeit in möglichen<br />
Konfliktsfällen geben.<br />
4. Kanzleiwechsel eines Anwalts<br />
Der <strong>de</strong>utsche BGH hat am 5. 11. 2000 über einen Fall entschie<strong>de</strong>n,<br />
bei <strong>de</strong>m ein RA von seiner alten Kanzlei – dort war er<br />
angestellter Anwalt, aber auf <strong>de</strong>m Briefkopf aufgeführt – am selben<br />
Ort zu einer neuen Kanzlei wechselte – auch dort war er<br />
angestellter Anwalt, aber auf <strong>de</strong>m Briefkopf aufgeführt. Die bei<strong>de</strong>n<br />
Kanzleien waren in verschie<strong>de</strong>nen Mandaten gegeneinan<strong>de</strong>r<br />
tätig. Der wechseln<strong>de</strong> Anwalt war we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r alten Kanzlei<br />
noch in <strong>de</strong>r neuen Kanzlei mit einem dieser Mandate befasst.<br />
Die Mandanten <strong>de</strong>r alten Kanzlei waren damit einverstan<strong>de</strong>n,<br />
dass die neue Kanzlei ihre Mandate fortführte. Die zuständige<br />
RAK hingegen for<strong>de</strong>rte die Nie<strong>de</strong>rlegung <strong>de</strong>r Mandate mit <strong>de</strong>r<br />
Begründung, das Interessenkollisionsverbot gelte jeweils für die<br />
ganze Sozietät und auch bei Kanzleiwechsel. Der BGH hat sich<br />
<strong>de</strong>m angeschlossen und ebenfalls die Mandatsnie<strong>de</strong>rlegung verlangt.<br />
Diese Entscheidung hat das BVerfG durch einstweilige<br />
Anordnung ausgesetzt. Die Entscheidung in <strong>de</strong>r Sache selbst<br />
wird allseits mit Spannung erwartet. Auf <strong>de</strong>r einen Seite steht das<br />
sozietätsdimensionale Interessenkonfliktsverbot mit seiner institutionellen<br />
Begründung, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite die Berufsfreiheit<br />
<strong>de</strong>r beteiligten Anwälte. Es geht dabei m. E. nicht um die generelle<br />
Abgrenzung dieser bei<strong>de</strong>n Positionen von Verfassungsrang,<br />
wie sie sich etwa dann stellt, wenn eine Kanzlei bewusst entschei<strong>de</strong>t,<br />
auf <strong>de</strong>r Grundlage von Chinese Walls kollidieren<strong>de</strong><br />
Mandate zu bearbeiten. Vielmehr geht es um <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>s<br />
Kanzleiwechsels, bei <strong>de</strong>m die Interessenkonfliktsituation nur<br />
die mittelbare Folge <strong>de</strong>r Entscheidung eines einzelnen, im Mandat<br />
nicht tätigen Anwalts ist, von einer Kanzlei zur an<strong>de</strong>ren zu<br />
wechseln.<br />
Unterstellt, dieser Fall wür<strong>de</strong> nicht in Deutschland, son<strong>de</strong>rn in<br />
Österreich o<strong>de</strong>r einem an<strong>de</strong>ren Land <strong>de</strong>r EU spielen, wie wäre<br />
dann die rechtliche Beurteilung?<br />
Und wie wäre die Beurteilung, wenn ein Anwalt – als Angestellter<br />
o<strong>de</strong>r als Partner – von <strong>de</strong>r einen internationalen Kanzlei<br />
zu einer an<strong>de</strong>ren internationalen Kanzlei wechselt und die sich<br />
daraus ergeben<strong>de</strong>n Fragen ausnahmsweise einmal nicht praktisch<br />
gelöst, son<strong>de</strong>rn gerichtlich ausgestritten wer<strong>de</strong>n?<br />
5. Recht <strong>de</strong>r Werbung, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Angabe von Interessengebieten,<br />
Tätigkeitsgebieten und Spezialisierungen<br />
Dass die berufsrechtlichen Regelungen zur anwaltlichen Werbung<br />
in Europa sehr unterschiedlich sind, ist Allgemeingut. Eine<br />
Anzahl von Län<strong>de</strong>rn lässt im Interesse <strong>de</strong>s rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikums<br />
die sachliche Informationswerbung, nicht auf Erteilung<br />
eines Auftrags im Einzelfall gerichtet, zu, in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn ist<br />
weiterhin jegliche Werbung untersagt.<br />
Wie groß die Unterschie<strong>de</strong> insbeson<strong>de</strong>re beim Ausweis von Interessen-<br />
und Tätigkeitsgebieten und Spezialisierungen sind,<br />
zeigt eine Studie <strong>de</strong>s CCBE aus <strong>de</strong>m Frühjahr 2000. Danach dürfen<br />
Interessenschwerpunkte angegeben wer<strong>de</strong>n in Deutschland,