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BRAK-Mitt. 2/2002 Aufsätze 61<br />
Grams, Haftungsverfassung von Anwaltssozietäten<br />
4. Differenzierung zwischen primären und<br />
sekundären Ansprüchen<br />
Mit <strong>de</strong>r insoweit einhelligen Literaturmeinung ist davon auszugehen,<br />
dass <strong>de</strong>r II. ZS im Urt. v. 29. 1. 2001 (noch) keine Entscheidung<br />
über die Frage <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Anwendbarkeit<br />
von § 130 HGB getroffen hat. Wür<strong>de</strong> man <strong>de</strong>r dargestellten Literaturmeinung<br />
und <strong>de</strong>m OLG Hamm auch für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzung<br />
folgen, wäre <strong>de</strong>r Fall <strong>de</strong>nkbar, dass ein junger RA (<strong>de</strong>r häufig in<br />
Wahrheit angestellter Anwalt o<strong>de</strong>r freier Mitarbeiter, also nur<br />
Scheinsozius ist, vgl. BGH, NJW 1991, 1225; 1999, 3040) für<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüche persönlich einzustehen hätte, die<br />
durch anwaltliche Pflichtverletzungen seiner Sozien zu einem<br />
Zeitpunkt entstan<strong>de</strong>n, als er noch studierte.<br />
Diese Ansicht mag für primäre rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten<br />
einer Anwaltssozietät wie z. B. Miete für Kanzleiräume,<br />
Leasingraten für EDV o<strong>de</strong>r Gehaltsansprüche <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
noch sachgerecht sein. Diese Verbindlichkeiten sind <strong>de</strong>n Altsozien<br />
bekannt und gem. § 4 Abs. 1 EStG zu bilanzieren, so dass<br />
<strong>de</strong>r neue Sozius zumin<strong>de</strong>st eine Chance hat, sich hierüber ein<br />
Bild zu machen (zumin<strong>de</strong>st, wenn es sich um einen „echten“<br />
Sozius han<strong>de</strong>lt). Bei sekundären Ansprüchen auf Scha<strong>de</strong>nsersatz<br />
führt dies jedoch zu unzumutbaren Risiken, da diese häufig<br />
(z. B. im Falle einer unerkannten Falschberatung) noch nicht<br />
einmal <strong>de</strong>n Altsozien bekannt sind.<br />
5. Vertraglicher Ansatz <strong>de</strong>s IX. ZS<br />
Eine überzeugen<strong>de</strong> Lösung <strong>de</strong>s Problems hat sich mit <strong>de</strong>r Rspr.<br />
<strong>de</strong>s für die Anwaltshaftung zuständigen IX. ZS auseinan<strong>de</strong>r zu<br />
setzen. Dieser Senat stellt nach wie vor konsequent durch Auslegung<br />
<strong>de</strong>s Mandatsvertrages darauf ab, welche Anwälte – zum<br />
Zeitpunkt <strong>de</strong>r Pflichtverletzung – in <strong>de</strong>n Mandatsvertrag einbezogen<br />
waren (BGH, NJW 1999, 3040; 2000, 1333).<br />
Dieser vertragliche Ansatz wird durch die neue Rspr. auch nach<br />
<strong>de</strong>r Literaturmeinung in keiner Weise ausgeschlossen; allenfalls<br />
wird das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt: „Nicht<br />
die Begründung dieser Haftung, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>ren Ausschluss bedarf<br />
einer beson<strong>de</strong>ren Vereinbarung mit <strong>de</strong>m Gläubiger“ (K.<br />
Schmidt, a.a.O., S. 999). Eine solche Vereinbarung kann auch<br />
konklu<strong>de</strong>nt geschlossen wer<strong>de</strong>n.<br />
Für die hier diskutierte Problematik ist außer<strong>de</strong>m zu berücksichtigen,<br />
dass <strong>de</strong>r Gesetzgeber in § 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO für<br />
Anwaltssozietäten ausdrücklich normiert, dass die Mitglie<strong>de</strong>r einer<br />
Sozietät „aus <strong>de</strong>m zwischen ihr und <strong>de</strong>m Auftraggeber bestehen<strong>de</strong>n<br />
Vertragsverhältnis als Gesamtschuldner“ haften. Es<br />
spricht vieles dafür, <strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>n Anwälten einer Sozietät<br />
und <strong>de</strong>m Mandanten geschlossenen Mandatsvertrag dahin auszulegen,<br />
dass für anwaltliche Pflichtverletzungen nur die Anwälte<br />
haften müssen, die im Verstoßzeitpunkt in <strong>de</strong>r Kanzlei als<br />
(Außen-)Sozien tätig sind (vgl. Sieg, ZAP 2001, Fach 15, S. 55;<br />
Jungk, BRAK-Mitt. 2001, 159).<br />
6. Lösungsansatz über die Regelungen zur Gesamtschuld<br />
Ein weiterer Ansatzpunkt sind die Regelungen über die Gesamtschuld.<br />
Nach <strong>de</strong>m Urt. v. 29. 1. 2001 „ist . . . zu prüfen, ob<br />
unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r jeweils verschie<strong>de</strong>nartigen Interessen<br />
<strong>de</strong>r Beteiligten <strong>de</strong>r Rechtsgedanke <strong>de</strong>r §§ 420 ff. BGB im Einzelfall<br />
zur Anwendung kommt o<strong>de</strong>r nicht“. Gem. § 425 BGB<br />
wirken an<strong>de</strong>re als die in <strong>de</strong>n §§ 422 bis 424 BGB bezeichneten<br />
Tatsachen, wie z. B. Verschul<strong>de</strong>n, nur für und gegen <strong>de</strong>n Gesamtschuldner,<br />
in <strong>de</strong>ssen Person sie eintreten.<br />
Die Rspr. hatte die Anwendung dieser Norm für Rechtsberatersozietäten<br />
bislang abgelehnt (BGH, NJW 1971, 1801, 1803). In<br />
<strong>de</strong>r hier diskutierten Konstellation sollte jedoch <strong>de</strong>m neu eintreten<strong>de</strong>n<br />
Gesellschafter für Altfälle die Berufung auf § 425 BGB<br />
gestattet wer<strong>de</strong>n.<br />
7. Signale <strong>de</strong>s IX. ZS<br />
Die Richtung weist Zugehör, bis vor kurzem Mitglied <strong>de</strong>s IX. ZS,<br />
in seinem Beitrag über ein von <strong>de</strong>r Allianz Versicherungs-AG am<br />
10. 5. 2001 veranstaltetes Symposion zur Anwaltshaftung, Beilage<br />
zu ZAP 18/2001, S. 4 f.: „Der IX. ZS <strong>de</strong>s BGH wird diese<br />
Entscheidungen (<strong>de</strong>s II. ZS) in seine Rspr. zur Rechtsberaterhaftung<br />
einbin<strong>de</strong>n müssen. Diesem Senat bieten die Vertragsauslegung<br />
und eine eigenständige – entsprechen<strong>de</strong> – Anwendung <strong>de</strong>r<br />
§§ 420 ff. BGB die Möglichkeit, die Eigenart <strong>de</strong>r Rechtsberaterhaftung<br />
zur Geltung zu bringen.“<br />
8. Kein schutzwürdiges Interesse <strong>de</strong>s Gläubigers<br />
Ein weiteres zur Begründung <strong>de</strong>r Anwendbarkeit von § 130<br />
HGB herangezogenes Argument, dass <strong>de</strong>m Gläubiger nicht zugemutet<br />
wer<strong>de</strong>n könne, darzulegen und zu beweisen, wer im<br />
Zeitpunkt <strong>de</strong>s Entstehens <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung gegen die GbR Gesellschafter<br />
gewesen sei, ist bei Anwaltssozietäten nicht stichhaltig,<br />
da die anwaltliche Tätigkeit entwe<strong>de</strong>r schriftlich erfolgt (Schriftsätze,<br />
Korrespon<strong>de</strong>nz) o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st durch Schriftstücke begleitet<br />
wird (und sei es auch nur eine Honorarrechnung, vgl.<br />
auch BGH, NJW 1994, 3295, 3298), so dass <strong>de</strong>r Mandant in aller<br />
Regel anhand <strong>de</strong>s Kanzleibriefkopfs nachvollziehen kann,<br />
welche Sozien zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Pflichtverletzung seine Vertragspartner<br />
waren.<br />
9. Wi<strong>de</strong>rspruch zum Konzept <strong>de</strong>r Pflichtversicherung<br />
Überaus problematisch wäre eine Anwendung von § 130 HGB<br />
außer<strong>de</strong>m unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r Berufshaftpflichtversicherung.<br />
Maßgeblich ist das sog. Verstoßprinzip (§ 5 Abs. 1 AVB-A, vgl.<br />
Zugehör-Römer, a.a.O., Rdnr. 1895 f.), d. h., <strong>de</strong>r Versicherungsschutz<br />
besteht für während <strong>de</strong>r Dauer <strong>de</strong>s Versicherungsvertrags<br />
unterlaufen<strong>de</strong> Pflichtverletzungen. § 51 BRAO normiert eine<br />
Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung (nur)<br />
für die Dauer <strong>de</strong>r Zulassung.<br />
Wie oben bereits angesprochen, könnte aber eine Anwendung<br />
von § 130 HGB zur Folge haben, dass ein Anwalt für Verstöße<br />
(mit-)haftet, die vor seiner Zulassung lagen und damit im Regelfall<br />
nicht versichert wären. Eine sog. Rückwärtsversicherung ist<br />
zwar möglich, aber nicht gesetzlich normiert. Unklar ist, für<br />
welchen Zeitraum <strong>de</strong>r neue Sozius sich rückwärts versichern<br />
soll. Die Prämienbelastung wäre erheblich. Die Anwendung<br />
von § 130 HGB wür<strong>de</strong> daher zu einem nicht auflösbaren Wertungswi<strong>de</strong>rspruch<br />
mit grob unbilligen Ergebnissen für die betroffenen<br />
RAe führen (vgl. Gladys, Stbg. 2001, 684; Sassenbach,<br />
AnwBl. 2002, 54).<br />
10. Mo<strong>de</strong>llregelung § 8 PartGG<br />
Sachgerecht ist z. B. die vom Gesetzgeber gewählte Lösung bei<br />
<strong>de</strong>r Partnerschaftsgesellschaft: In § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG wird<br />
§ 130 HGB explizit für entsprechend anwendbar erklärt, in § 8<br />
Abs. 2 PartGG wird jedoch für Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüche wegen<br />
beruflicher Fehler eine spezielle Regelung dahin gehend geschaffen,<br />
dass hierfür – neben <strong>de</strong>m Gesellschaftsvermögen <strong>de</strong>r<br />
Partnerschaft – mit ihrem Privatvermögen nur diejenigen Partner<br />
haften, die das Mandat auch tatsächlich bearbeitet haben. Bei<br />
konsequenter Anwendung von § 425 BGB kann man diese Re-