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BRAK-Mitt. 2/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 83<br />
Europäischer Gerichtshof<br />
tung <strong>de</strong>r Unabhängigkeit und Parteibindung <strong>de</strong>r Rechtsbeistand<br />
gewähren<strong>de</strong>n Anwälte enthält, angenommen wer<strong>de</strong>n, dass sie<br />
bezweckt o<strong>de</strong>r bewirkt, <strong>de</strong>n Wettbewerb innerhalb <strong>de</strong>s Gemeinsamen<br />
Marktes zu beschränken und insoweit <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l<br />
zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen? Welche für die<br />
Beurteilung dieser Frage maßgeben<strong>de</strong>n Kriterien ergeben sich<br />
aus <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht?<br />
Ist <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Unternehmens in Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt<br />
Artikel 82 EG) dahin auszulegen, dass dann, wenn eine Einrichtung<br />
wie die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer als<br />
Unternehmensvereinigung anzusehen ist, diese Einrichtung<br />
auch als Unternehmen o<strong>de</strong>r Gruppe von Unternehmen i.S. dieser<br />
Bestimmung zu betrachten ist, obwohl sie selbst keine wirtschaftliche<br />
Tätigkeit entfaltet?<br />
Falls die vorstehen<strong>de</strong> Frage bejaht wird und festzustellen ist,<br />
dass eine Einrichtung wie die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer<br />
eine beherrschen<strong>de</strong> Stellung einnimmt: Nutzt eine solche<br />
Einrichtung diese Stellung missbräuchlich aus, wenn sie die<br />
ihr angehören<strong>de</strong>n Rechtsanwälte verpflichtet, sich auf <strong>de</strong>m<br />
Markt für juristische Dienstleistungen gegenüber an<strong>de</strong>ren in<br />
einer <strong>de</strong>n Wettbewerb beschränken<strong>de</strong>n Weise zu verhalten?<br />
Falls eine Einrichtung wie die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer<br />
für die Anwendung <strong>de</strong>r gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln<br />
in vollem Umfang als Unternehmensvereinigung<br />
anzusehen ist: Ist Artikel 90 Abs. 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86<br />
Abs. 2 EG) dahin auszulegen, dass er auch für eine Einrichtung<br />
wie die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer gilt, die allgemein<br />
verbindliche Regeln über die Zusammenarbeit von<br />
Rechtsananwälten mit Angehörigen an<strong>de</strong>rer Berufe zur Gewährleistung<br />
<strong>de</strong>r Unabhängigkeit und Parteilichkeit <strong>de</strong>r Rechtsbeistand<br />
gewähren<strong>de</strong>n Anwälte erlässt?<br />
Falls eine Einrichtung wie die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer<br />
als Unternehmensvereinigung o<strong>de</strong>r auch als Unternehmen<br />
o<strong>de</strong>r Gruppe von Unternehmen anzusehen ist: Schließen<br />
es die Artikel 3 Buchstabe g (nach Än<strong>de</strong>rung jetzt Artikel 3<br />
Abs. 1 Buchstabe g EG), 5 Abs. 2 (jetzt Artikel 10 Abs. 2 EG) sowie<br />
85 und 86 (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) EG-Vertrag aus,<br />
dass ein Mitgliedstaat bestimmt, dass diese Einrichtung (o<strong>de</strong>r<br />
eines ihrer Organe) Regeln erlassen kann, die u. a. die Zusammenarbeit<br />
von Rechtsanwälten mit Angehörigen an<strong>de</strong>rer Berufe<br />
betreffen können, wobei die staatliche Aufsicht über <strong>de</strong>n Erlass<br />
dieser Regeln auf die Befugnis beschränkt ist, eine solche Regelung<br />
aufzuheben, ohne dass die Aufsichtsbehör<strong>de</strong> die aufgehobene<br />
Regelung durch eine eigene ersetzen kann?<br />
Sind auf ein Verbot <strong>de</strong>r Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten<br />
und Wirtschaftsprüfern wie das hier in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong> sowohl<br />
die Vertragsbestimmungen über die Nie<strong>de</strong>rlassungsfreiheit<br />
als auch diejenigen über die Dienstleistungsfreiheit anwendbar<br />
o<strong>de</strong>r ist <strong>de</strong>r EG-Vertrag dahin auszulegen, dass ein solches Verbot,<br />
z. B. je nach <strong>de</strong>r Art und Weise, in <strong>de</strong>r die Betroffenen ihre<br />
Zusammenarbeit tatsächlich ausgestalten wollen, entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Bestimmungen über die Nie<strong>de</strong>rlassungsfreiheit o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>njenigen<br />
über die Dienstleistungsfreiheit genügen muss?<br />
Stellt ein Verbot gemischter Sozietäten von Rechtsanwälten und<br />
Wirtschaftsprüfern wie das hier in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong> eine Beschränkung<br />
<strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsfreiheit, <strong>de</strong>r Dienstleistungsfreiheit<br />
o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>r Freiheiten dar?<br />
Falls sich aus <strong>de</strong>r Antwort auf die vorstehen<strong>de</strong> Frage ergibt, dass<br />
eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> darin genannten Beschränkungen<br />
vorliegen: Ist die entsprechen<strong>de</strong> Beschränkung <strong>de</strong>shalb gerechtfertigt,<br />
weil sie lediglich eine „Verkaufsmodalität“ i.S.d. Urteils<br />
v. 24. November 1993 in <strong>de</strong>n Rechtssachen C-267/91 und C-<br />
268/91 (Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097) enthält und<br />
<strong>de</strong>shalb nicht diskriminierend ist, o<strong>de</strong>r aber weil sie die Voraussetzungen<br />
erfüllt, die <strong>de</strong>r Gerichtshof hierfür in an<strong>de</strong>ren Urteilen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re im Urt. v. 30. November 1995 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />
C-55/94 (Gebhard, Slg. 1995, I-4165), entwickelt hat?<br />
Zum Antrag auf Wie<strong>de</strong>reröffnung <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />
Mit Schriftsatz, <strong>de</strong>r am 3. 12. 2001 bei <strong>de</strong>r Kanzlei <strong>de</strong>s Gerichtshofes<br />
eingegangen ist, haben die Kläger <strong>de</strong>r Ausgangsverfahren<br />
gem. Artikel 61 <strong>de</strong>r Verfahrensordnung die Wie<strong>de</strong>reröffnung<br />
<strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung beantragt.<br />
Zur Begründung dieses Antrags haben sie vorgetragen, <strong>de</strong>r Generalanwalt<br />
sei in <strong>de</strong>n Nr. 170 bis 201 seiner am 10. 7. 2001 gestellten<br />
Schlussanträge auf eine Frage eingegangen, die vom vorlegen<strong>de</strong>n<br />
Gericht nicht ausdrücklich gestellt wor<strong>de</strong>n sei.<br />
Der Gerichtshof kann gem. Artikel 61 seiner Verfahrensordnung<br />
die mündliche Verhandlung von Amts wegen, auf Vorschlag <strong>de</strong>s<br />
Generalanwalts o<strong>de</strong>r auch auf Antrag <strong>de</strong>r Parteien wie<strong>de</strong>r eröffnen,<br />
wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält o<strong>de</strong>r ein<br />
zwischen <strong>de</strong>n Parteien nicht erörtertes Vorbringen für entscheidungserheblich<br />
erachtet (vgl. Beschl. v. 4. 2. 2000 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />
C-17/98, Emesa Sugar, Slg. 2000, I-665, Rdnr. 18).<br />
Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall ist <strong>de</strong>r Gerichtshof jedoch nach Anhörung<br />
<strong>de</strong>s Generalanwalts <strong>de</strong>r Auffassung, dass er über sämtliche Informationen<br />
verfügt, die er für die Beantwortung <strong>de</strong>r gestellten<br />
Fragen benötigt, und dass diese Informationen im Laufe <strong>de</strong>r Verhandlung<br />
erörtert wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Zur ersten Frage, Buchstabe a<br />
Mit Buchstabe a seiner ersten Frage möchte das vorlegen<strong>de</strong> Gericht<br />
im Wesentlichen wissen, ob eine Verordnung über die Zusammenarbeit<br />
zwischen Rechtsanwälten und Angehörigen an<strong>de</strong>rer<br />
freier Berufe wie die Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning 1993,<br />
die von einer Einrichtung wie <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rländischen Rechtsanwaltskammer<br />
erlassen wur<strong>de</strong>, als Beschluss einer Unternehmensvereinigung<br />
i.S.v. Artikel 85 Abs. 1 EG-Vertrag anzusehen<br />
ist. Es wirft insbeson<strong>de</strong>re die Frage auf, ob es für die Anwendung<br />
<strong>de</strong>s Wettbewerbsrechts <strong>de</strong>r Gemeinschaft von Be<strong>de</strong>utung ist,<br />
dass <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rländischen Rechtsanwaltskammer durch Gesetz<br />
die Befugnis zum Erlass von Verordnungen verliehen wur<strong>de</strong>, die<br />
sowohl für die in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n eingetragenen Rechtsanwälte<br />
als auch für in an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaaten zugelassene<br />
Rechtsanwälte, die in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n Dienstleistungen erbringen,<br />
allgemein verbindlich sind. Außer<strong>de</strong>m möchte es wissen,<br />
ob die bloße Tatsache, dass die Kammer im Interesse ihrer<br />
Mitglie<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>ln kann, ausreicht, um sie für ihre gesamte<br />
Tätigkeit als Unternehmensvereinigung anzusehen, o<strong>de</strong>r ob bei<br />
<strong>de</strong>r Anwendung von Artikel 85 Abs. 1 EG-Vertrag im Allgemeininteresse<br />
ausgeübte Tätigkeiten geson<strong>de</strong>rt zu behan<strong>de</strong>ln sind.<br />
Um festzustellen, ob eine Verordnung wie die Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning<br />
1993 als Beschluss einer Unternehmensvereinigung<br />
i.S.v. Artikel 85 Abs. 1 EG-Vertrag anzusehen ist, ist erstens<br />
zu prüfen, ob Rechtsanwälte Unternehmen i.S.d. Wettbewerbsrechts<br />
<strong>de</strong>r Gemeinschaft sind.<br />
Nach st. Rspr. umfasst <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Unternehmens im Wettbewerbsrecht<br />
je<strong>de</strong> eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben<strong>de</strong> Einheit<br />
unabhängig von ihrer Rechtsform und <strong>de</strong>r Art ihrer Finanzierung<br />
(vgl. u. a. Urteile v. 23. 4. 1991 in <strong>de</strong>r Rechtssache C-<br />
41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Rdnr. 21, v. 16. 11.<br />
1995 in <strong>de</strong>r Rechtssache C-244/94, Fédération française <strong>de</strong>s sociétés<br />
d’assurance u. a., Slg. 1995, I-4013, Rdnr. 14, und v. 11.<br />
12. 1997 in <strong>de</strong>r Rechtssache C-55/96, Job Centre, „Job Centre<br />
II“, Slg. 1997, I-7119, Rdnr. 21).<br />
Nach ebenfalls st. Rspr. ist eine wirtschaftliche Tätigkeit je<strong>de</strong><br />
Tätigkeit, die darin besteht, Güter o<strong>de</strong>r Dienstleistungen auf einem<br />
bestimmten Markt anzubieten (vgl. insbeson<strong>de</strong>re Urteile v.