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BRAK-Mitt. 2/2002 Aufsätze 51<br />

Weil, Der Rechtsanwalt – ein Unternehmer beson<strong>de</strong>rer Art<br />

1975, 513; Rs. 33/74 van Binsberghen, NJW 1975, 1095). Damit<br />

kam <strong>de</strong>r Anwalt in <strong>de</strong>n Genuss <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Marktteilnehmern<br />

eingeräumten Freizügigkeit. Es nimmt nicht Wun<strong>de</strong>r, dass <strong>de</strong>r<br />

Gerichtshof ihn dann auch als Unternehmer i.S.d. Art. 81 ff. EGV<br />

ansieht. Seine Zwitterstellung, auf <strong>de</strong>r einen Seite Organ <strong>de</strong>r<br />

Rechtspflege, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite Unternehmer, mit <strong>de</strong>n sich<br />

daraus ergeben<strong>de</strong>n Abgrenzungsschwierigkeiten, war damit<br />

durch die europäische Rspr. anerkannt. Sie entspricht sicher <strong>de</strong>r<br />

Realität.<br />

Die nächste vom EuGH im Wouters-Verfahren zu beantworten<strong>de</strong><br />

Frage betrifft die rechtliche Wertung <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Anwaltschaft<br />

nach gesetzlicher Vorgabe gewählten Selbstverwaltungsorgans.<br />

Han<strong>de</strong>lt es sich um eine Unternehmensvereinigung<br />

i.S.d. Art. 81 EGV? Von <strong>de</strong>n Kl. <strong>de</strong>s Ausgangsverfahrens abgesehen<br />

vertraten fast alle Verfahrensbeteiligten die Auffassung, eine<br />

qua staatlicher Delegation öffentlich-rechtlich konstituierte<br />

Kammer sei kein Zusammenschluss von Unternehmern. Dem ist<br />

<strong>de</strong>r Gerichtshof ebenso wie zuvor bereits sein Generalanwalt<br />

nicht gefolgt. Die Rechtsform <strong>de</strong>r Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts beeindruckt ihn nicht. Be<strong>de</strong>nkt man, dass die doktrinäre<br />

Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht nicht überall<br />

in <strong>de</strong>r EU so markant wie in Deutschland o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />

besteht und <strong>de</strong>r Staat selbst es bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Form seines<br />

Han<strong>de</strong>lns mit dieser Unterscheidung nicht immer so ernst<br />

nimmt, so überrascht dies nicht. Überraschen<strong>de</strong>r ist, dass <strong>de</strong>r<br />

EuGH sich auch von <strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s anwaltlichen<br />

Selbstverwaltungsorgans als Teil <strong>de</strong>r Justiz hergeleiteten<br />

Argumenten nicht überzeugen lässt. Hier erfolgt eine für die<br />

Funktion <strong>de</strong>r Anwaltschaft im Rechtsstaat nicht unbe<strong>de</strong>nkliche<br />

Herabwertung. Der EuGH schließt es nicht grundsätzlich aus,<br />

dass das Organ seiner Natur nach nicht als Unternehmensvereinigung<br />

zu qualifizieren sei, hält es aber dafür im Ergebnis für zu<br />

korporatistisch. Die vom Gerichtshof angelegten Wertungsmaßstäbe<br />

sind die Beteiligung von Nichtanwälten in <strong>de</strong>n Entscheidungsgremien<br />

<strong>de</strong>r Kammer und <strong>de</strong>ren (ausschließliche?) Verpflichtung<br />

auf das Allgemeininteresse bei <strong>de</strong>r autonomen Normsetzung.<br />

Da diese Kriterien in Holland (wie in Deutschland)<br />

nicht erfüllt wer<strong>de</strong>n, hält er eine Ausnahme von <strong>de</strong>r Qualifikation<br />

als Unternehmensvereinigung nicht für gerechtfertigt. Es ist<br />

in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass in England<br />

aufgrund dieser Gesichtspunkte die Mitwirkung von Laien in<br />

<strong>de</strong>n Organen <strong>de</strong>r Anwaltschaft eingeführt wur<strong>de</strong>.<br />

Nach <strong>de</strong>r Qualifizierung <strong>de</strong>r nationalen Kammer als Unternehmensvereinigung<br />

muss sich <strong>de</strong>r EuGH folgerichtig sodann <strong>de</strong>r<br />

Frage stellen, ob es sich bei <strong>de</strong>m Verbot <strong>de</strong>r Partnerschaft von<br />

RAen und WP in <strong>de</strong>r holländischen anwaltlichen Berufsnorm<br />

um einen Beschluss han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r seiner Natur nach einer wettbewerbsbeschränken<strong>de</strong>n<br />

Vereinbarung i.S.d. Art. 81 EGV<br />

gleichzusetzen ist. Hier setzt sich <strong>de</strong>r Gerichtshof mit einem Argument<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Regierung auseinan<strong>de</strong>r, das ihn im Hinblick<br />

auf die Breite, das es im Urteil einnimmt, offensichtlich beeindruckte.<br />

Es betrifft die Grundfrage, wie weit die Union die institutionelle<br />

Autonomie <strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten tangieren darf. Die<br />

Bun<strong>de</strong>sregierung hatte geltend gemacht, es stehe ihr im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r nationalen Souverenität frei, einer <strong>de</strong>mokratisch legitimierten<br />

berufsständischen Vertretung die Befugnis zum Erlass allgemein<br />

verbindlicher Normen zu übertragen. Dem EuGH ist die<br />

Sensibilität dieser Frage natürlich nicht entgangen und er meint,<br />

einen Ausweg gefun<strong>de</strong>n zu haben. Er stellt fest, <strong>de</strong>r Mitgliedsstaat<br />

habe die Wahl zwischen einerseits <strong>de</strong>r Übertragung von<br />

Rechtssetzungsbefugnissen an die Berufsvertretung unter Festlegung<br />

von Kriterien <strong>de</strong>s Allgemeininteresses und Fixierung eines<br />

Rahmens in Form zu beachten<strong>de</strong>r wesentlicher Grundsätze sowie<br />

darüber hinaus <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Letztentscheidungsbefugnis<br />

<strong>de</strong>s Staates und an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>r Einräumung einer weiten<br />

Normsetzungsfreiheit zugunsten <strong>de</strong>r Berufsvertretung. Im ersten<br />

Falle behielten die Berufsregeln die Rechtsqualität staatlicher<br />

Normen, auch wenn diese von <strong>de</strong>r Berufsvertretung gesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n, und seien als solche keine Vereinbarung einer Unternehmensvereinigung,<br />

während dagegen im zweiten Falle die<br />

Normen als Beschluss einer Unternehmensvereinigung i.S.d.<br />

Kartellrechts zu qualifizieren seien. Im letzteren Fall verweist<br />

<strong>de</strong>r Gerichtshof als Ausweg auf die Möglichkeit <strong>de</strong>r Gruppenfreistellungsverordnung.<br />

Die Unterscheidung überzeugt nicht<br />

und wur<strong>de</strong> möglicherweise in ihren Konsequenzen nicht hinreichend<br />

überdacht. Die Folge ist nämlich, dass je mehr die Anwaltschaft<br />

staatlicher Aufsicht unterliegt, umso geringer die Gefahr<br />

ist, die Berufsregel wer<strong>de</strong> als Vereinbarung eines Unternehmenszusammenschlusses<br />

qualifiziert. Zur Wahrung <strong>de</strong>r<br />

Funktion <strong>de</strong>r Anwaltschaft im Rechtsstaat ist jedoch gera<strong>de</strong> die<br />

Distanz zu allen Mächten <strong>de</strong>r Gesellschaft erfor<strong>de</strong>rlich, einschließlich<br />

<strong>de</strong>s Staates, gegen <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r RA seinen Mandanten<br />

möglicherweise verteidigen muss. Je weiter <strong>de</strong>r Schritt in die<br />

Richtung dieser die rechtsstaatliche Ordnung sichern<strong>de</strong>n Unabhängigkeit<br />

geht, umso größer wird die Gefahr, dass an die Stelle<br />

<strong>de</strong>r Einflussnahme <strong>de</strong>s Staates die Aufsicht einer neuen staatlichen<br />

o<strong>de</strong>r quasi-staatlichen Gewalt in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Wettbewerbshüters<br />

tritt, <strong>de</strong>r darüber hinaus im Gegensatz z. B. zum<br />

Justizministerium seiner Funktion entsprechend allein <strong>de</strong>n Wettbewerb<br />

und nicht das Beurteilungskriterium „Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege“<br />

als Wertmaßstab nimmt.<br />

Die <strong>de</strong>utsche Regierung und die <strong>de</strong>utschen Anwaltskammern<br />

können allerdings zunächst zufrie<strong>de</strong>n sein, <strong>de</strong>nn die subtile<br />

Abgrenzung, die offensichtlich auf die <strong>de</strong>utschen Verhältnisse<br />

zugeschnitten ist, erlaubt es, die <strong>de</strong>utschen berufsrechtlichen<br />

Normen <strong>de</strong>r ersten Fallgruppe zuzuordnen. Die Konsequenz ist<br />

jedoch allerdings, dass sich die Satzungsversammlung als Parlament<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwaltschaft in Zukunft bei <strong>de</strong>r Normsetzung<br />

immer die Frage stellen muss, ob die geplante Norm sich<br />

in <strong>de</strong>m vom EuGH aufgezeigten Rahmen hält, an<strong>de</strong>rnfalls sie<br />

<strong>de</strong>r Kommission gemel<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n müsste. Es bleibt zusätzlich<br />

<strong>de</strong>r Zweifel, ob die Rechtsaufsicht <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sjustizministeriums<br />

nach <strong>de</strong>r BRAO die vom EuGH aufgestellte Voraussetzung<br />

„Letztentscheidungsbefugnis <strong>de</strong>s Staates“ erfüllt.<br />

Die holländische Berufsnorm hat <strong>de</strong>r EuGH <strong>de</strong>r zweiten Kategorie<br />

zugeordnet, weil <strong>de</strong>r vom Staat vorgegebene Rahmen<br />

nicht eng genug sei. An dieser Stelle seiner Prüfung kommt <strong>de</strong>r<br />

Gerichtshof allerdings dann doch noch zu einem für die nie<strong>de</strong>rländische<br />

Anwaltskammer positiven Ergebnis. Er stellt zunächst<br />

in Bestätigung seiner bisherigen Rspr. fest, dass die Mitgliedsstaaten<br />

einen weiten Gestaltungsspielraum bei <strong>de</strong>r Ausgestaltung<br />

<strong>de</strong>s Anwaltsberufs haben. In <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n seien<br />

Unabhängigkeit, Verbot <strong>de</strong>r Wahrnehmung wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>r Interessen<br />

und ein strenges Berufsgheimnis für <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>s RA<br />

kennzeichnend. Diese Feststellung ist sicher richtig, es ist aber<br />

verwun<strong>de</strong>rlich, dass <strong>de</strong>r EuGH <strong>de</strong>n Eindruck erweckt, in an<strong>de</strong>ren<br />

Mitgliedsstaaten könne es an<strong>de</strong>rs sein. Ein Blick in die gemeinsamen<br />

europäischen Stan<strong>de</strong>sregeln, auf die <strong>de</strong>r Gerichtshof<br />

bereits zuvor in seiner Rspr. Bezug genommen hat, zeigt,<br />

dass es sich hier gera<strong>de</strong> um Berufspflichten han<strong>de</strong>lt, die in allen<br />

Mitgliedsstaaten gleichermaßen gelten. Der EuGH kommt sodann<br />

zum Ergebnis, dass es sich hierbei um wichtige im Gemeinwohlinteresse<br />

liegen<strong>de</strong> Berufspflichten han<strong>de</strong>lt und <strong>de</strong>r<br />

Ne<strong>de</strong>rlandse Or<strong>de</strong> von Advocaten ohne Missbrauch seines Ermessenspielraums<br />

<strong>de</strong>r Auffassung sein konnte, gemeinsame Berufsausübung<br />

von RAen und WP gefähr<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />

die Einhaltung dieser Pflichten. Je<strong>de</strong>r Anwalt weiß, dass es bei<br />

einem gerichtlichen Verfahren immer auf das Ergebnis ankommt.<br />

Deshalb hat <strong>de</strong>r Ne<strong>de</strong>rlandse Or<strong>de</strong> van Advocaten zu<br />

Recht in einer Pressemitteilung verkün<strong>de</strong>t, „Dutch Bar wins case<br />

before European Court of Justice“. Dies wird die internationale<br />

Öffentlichkeit über Europa hinaus als Ergebnis festhalten.

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