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BRAK-Mitt. 2/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 87<br />
Europäischer Gerichtshof<br />
wendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich <strong>de</strong>r Gesamtzusammenhang,<br />
in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r fragliche Beschluss zustan<strong>de</strong><br />
gekommen ist o<strong>de</strong>r seine Wirkungen entfaltet, und insbeson<strong>de</strong>re<br />
<strong>de</strong>ssen Zielsetzung zu würdigen, die hier mit <strong>de</strong>r Notwendigkeit<br />
<strong>de</strong>r Schaffung von Vorschriften über Organisation, Befähigung,<br />
Stan<strong>de</strong>spflichten, Kontrolle und Verantwortlichkeit zusammenhängt,<br />
die <strong>de</strong>n Empfängern juristischer Dienstleistungen und <strong>de</strong>r<br />
Rechtspflege die erfor<strong>de</strong>rliche Gewähr für Integrität und Erfahrung<br />
bieten (in diesem Sinne Urt. v. 12. 12. 1996 in <strong>de</strong>r Rechtssache<br />
C-3/95, Reisebüro Broe<strong>de</strong>, Slg. 1996, I-6511, Rdnr. 38). Es<br />
ist weiter zu prüfen, ob die mit <strong>de</strong>m Beschluss verbun<strong>de</strong>nen wettbewerbsbeschränken<strong>de</strong>n<br />
Wirkungen notwendig mit <strong>de</strong>r Verfolgung<br />
<strong>de</strong>r genannten Ziele zusammenhängen.<br />
Hierfür ist <strong>de</strong>r rechtliche Rahmen zu berücksichtigen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n für die Rechtsanwälte und die Nie<strong>de</strong>rländische<br />
Rechtsanwaltskammer, die aus sämtlichen in diesem Mitgliedstaat<br />
eingetragenen Rechtsanwälten besteht, auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />
und für die Wirtschaftsprüfer auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite gilt.<br />
Was die Rechtsanwälte angeht, so steht es nach ständiger Rspr.<br />
je<strong>de</strong>m Mitgliedstaat in Ermangelung beson<strong>de</strong>rer gemeinschaftsrechtlicher<br />
Vorschriften in diesem Bereich grundsätzlich frei, die<br />
Ausübung <strong>de</strong>s Rechtsanwaltsberufs für sein Hoheitsgebiet zu regeln<br />
(vgl. Urteile v. 12. 7. 1984 in <strong>de</strong>r Rechtssache 107/83, Klopp,<br />
Slg. 1984, 2971, Rdnr. 17, und Reisebüro Broe<strong>de</strong>, Rdnr. 37). Die<br />
für diesen Beruf gelten<strong>de</strong>n Regeln können daher in <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Mitgliedstaaten erheblich voneinan<strong>de</strong>r abweichen.<br />
In <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n, wo die nationale Rechtsanwaltskammer<br />
nach Artikel 28 <strong>de</strong>r Advocatenwet mit <strong>de</strong>m Erlass von Verordnungen<br />
im Interesse <strong>de</strong>r ordnungsgemäßen Berufsausübung betraut<br />
ist, betreffen die wesentlichen hierzu erlassenen Vorschriften<br />
insbeson<strong>de</strong>re die Verpflichtung, <strong>de</strong>n Mandanten in voller<br />
Unabhängigkeit und unter ausschließlicher Wahrnehmung seiner<br />
Interessen zu vertreten, die bereits genannte Pflicht, je<strong>de</strong>s<br />
Risiko eines Interessenkonflikts zu vermei<strong>de</strong>n, und die Pflicht<br />
zur Einhaltung eines strengen Berufsgeheimnisses.<br />
Diese Stan<strong>de</strong>spflichten haben erhebliche Auswirkungen auf die<br />
Struktur <strong>de</strong>s Marktes für juristische Dienstleistungen und insbeson<strong>de</strong>re<br />
auf die Möglichkeiten <strong>de</strong>r gemeinsamen Ausübung <strong>de</strong>s<br />
Anwaltsberufes und an<strong>de</strong>rer freier Berufe auf diesem Markt.<br />
So verlangen sie, dass <strong>de</strong>r Rechtsanwalt sich in einer Position<br />
<strong>de</strong>r Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Stellen, an<strong>de</strong>ren<br />
Wirtschaftsteilnehmern und Dritten befin<strong>de</strong>t, von <strong>de</strong>nen er sich<br />
zu keiner Zeit beeinflussen lassen darf. Er muss insoweit die Gewähr<br />
dafür bieten, dass sämtliche Handlungen, die er in einer<br />
Angelegenheit vornimmt, ausschließlich vom Interesse seines<br />
Mandanten bestimmt sind.<br />
Für <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>r Wirtschaftsprüfer gelten dagegen allgemein<br />
und insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n keine vergleichbaren<br />
stan<strong>de</strong>srechtlichen Erfor<strong>de</strong>rnisse.<br />
Wie <strong>de</strong>r Generalanwalt in <strong>de</strong>n Nr. 185 und 186 seiner Schlussanträge<br />
zu Recht ausführt, kann eine gewisse Unvereinbarkeit<br />
zwischen <strong>de</strong>r „Beratungstätigkeit“ <strong>de</strong>s Rechtsanwalts und <strong>de</strong>r<br />
„Prüfungstätigkeit“ <strong>de</strong>s Wirtschaftsprüfers bestehen. Aus <strong>de</strong>n<br />
schriftlichen Erklärungen <strong>de</strong>s Beklagten <strong>de</strong>r Ausgangsverfahren<br />
geht hervor, dass die Wirtschaftsprüfer in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n die<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r Abschlussprüfung wahrnehmen. Dabei führen sie<br />
eine objektive Prüfung und Bewertung <strong>de</strong>r Buchführung ihrer<br />
Mandanten durch, auf <strong>de</strong>ren Grundlage sie interessierten Dritten<br />
ihre persönliche Beurteilung über die Zuverlässigkeit dieser<br />
Buchungsdaten übermitteln. Daraus folgt, dass für Wirtschaftsprüfer<br />
in diesem Mitgliedstaat, an<strong>de</strong>rs als etwa im <strong>de</strong>utschen<br />
Recht, kein Berufsgeheimnis gilt, das mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Rechtsanwälte<br />
vergleichbar wäre.<br />
Damit ist festzustellen, dass die Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning<br />
1993 in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat die Einhaltung <strong>de</strong>s dort<br />
gelten<strong>de</strong>n Stan<strong>de</strong>srechts <strong>de</strong>r Rechtsanwälte sichern soll und<br />
dass die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer in Anbetracht<br />
<strong>de</strong>r dortigen berufsständischen Grundsätze annehmen konnte,<br />
dass ein Rechtsanwalt möglicherweise nicht mehr in <strong>de</strong>r Lage<br />
ist, seinen Mandanten unabhängig und unter Wahrung eines<br />
strengen Berufsgeheimnisses zu vertreten, wenn er einer Struktur<br />
angehört, die auch die Aufgabe hat, die finanziellen Ergebnisse<br />
<strong>de</strong>r Vorgänge, bezüglich <strong>de</strong>ren er tätig gewor<strong>de</strong>n ist, im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Rechnungslegung zu erfassen und zu prüfen.<br />
Im Übrigen wird die Verbindung <strong>de</strong>r Abschlussprüfungstätigkeit<br />
mit Beratungstätigkeiten, vor allem im juristischen Bereich,<br />
auch innerhalb <strong>de</strong>s Berufsstands <strong>de</strong>r Wirtschaftsprüfer in Frage<br />
gestellt, wie das Grünbuch 96/C 321/01 <strong>de</strong>r Kommission über<br />
„Rolle, Stellung und Haftung <strong>de</strong>s Abschlussprüfers in <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union“ (ABl. 1996, C 321, S. 1; vgl. insbeson<strong>de</strong>re<br />
Rdnr. 4.12 bis 4.14) belegt.<br />
Eine Verordnung wie die Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning 1993<br />
konnte daher bei vernünftiger Betrachtung als notwendig angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, um die ordnungsgemäße Ausübung <strong>de</strong>s Rechtsanwaltsberufs,<br />
wie er in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat geordnet<br />
ist, sicherzustellen.<br />
Dass in einem an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaat möglicherweise an<strong>de</strong>re<br />
Vorschriften gelten, be<strong>de</strong>utet im Übrigen nicht, dass die in einem<br />
Mitgliedstaat anwendbaren Vorschriften gegen das Gemeinschaftsrecht<br />
verstoßen (in diesem Sinne Urt. v. 1. 2. 2001<br />
in <strong>de</strong>r Rechtssache C-108/96, Mac Quen u. a., Slg. 2001, I-837,<br />
Rdnr. 33). Auch wenn gemischte Sozietäten zwischen Rechtsanwälten<br />
und Wirtschaftsprüfern in einigen Mitgliedstaaten<br />
zulässig sind, kann die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer<br />
zu Recht <strong>de</strong>n Standpunkt vertreten, dass die mit <strong>de</strong>r Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning<br />
1993 verfolgten Ziele insbeson<strong>de</strong>re in Anbetracht<br />
<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n für die Rechtsanwälte und die<br />
Wirtschaftsprüfer jeweils gelten<strong>de</strong>n Berufsrechts nicht mit weniger<br />
einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln erreicht wer<strong>de</strong>n können (in diesem<br />
Sinne für ein Gesetz, nach <strong>de</strong>m die gerichtliche Einziehung<br />
von For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>n Rechtsanwälten vorbehalten war, Urteil<br />
Reisebüro Broe<strong>de</strong>, Rdnr. 41).<br />
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist nicht zu erkennen,<br />
dass die wettbewerbsbeschränken<strong>de</strong>n Wirkungen, wie<br />
sie sich für die in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n tätigen Rechtsanwälte aus<br />
einer Verordnung wie <strong>de</strong>r Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning 1993 ergeben,<br />
über das hinausgingen, was erfor<strong>de</strong>rlich ist, um die ordnungsgemäße<br />
Ausübung <strong>de</strong>s Rechtsanwaltsberufs sicherzustellen<br />
(in diesem Sinne Urt. v. 15. 12. 1994 in <strong>de</strong>r Rechtssache C-<br />
250/92, DLG, Slg. 1994, I-5641, Rdnr. 35).<br />
Aufgrund sämtlicher vorstehen<strong>de</strong>n Erwägungen ist auf die<br />
zweite Frage zu antworten, dass eine nationale Regelung wie<br />
die Samenwerkingsveror<strong>de</strong>ning 1993, die von einer Einrichtung<br />
wie <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rländischen Rechtsanwaltskammer erlassen<br />
wur<strong>de</strong>, nicht gegen Artikel 85 Abs. 1 EG-Vertrag verstößt, da<br />
diese Einrichtung bei vernünftiger Betrachtung annehmen<br />
konnte, dass die Regelung trotz <strong>de</strong>r notwendig mit ihr verbun<strong>de</strong>nen<br />
wettbewerbsbeschränken<strong>de</strong>n Wirkungen für die ordnungsgemäße<br />
Ausübung <strong>de</strong>s Rechtsanwaltsberufs, wie er in<br />
<strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Staat geordnet ist, erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />
Zur dritten Frage<br />
Mit <strong>de</strong>r dritten Frage möchte das vorlegen<strong>de</strong> Gericht im Wesentlichen<br />
wissen, ob eine Einrichtung wie die Nie<strong>de</strong>rländische<br />
Rechtsanwaltskammer als Unternehmen o<strong>de</strong>r Gruppe von Unternehmen<br />
i.S.v. Artikel 86 EG-Vertrag anzusehen ist.<br />
Zunächst ist festzustellen, dass die Nie<strong>de</strong>rländische Rechtsanwaltskammer<br />
kein Unternehmen i.S.v. Artikel 86 EG-Vertrag ist,<br />
da sie keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.<br />
Die Kammer kann auch nicht als Gruppe von Unternehmen i.S.<br />
dieser Bestimmung betrachtet wer<strong>de</strong>n, weil die in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>r-