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BRAK-Mitt. 2/2002 Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK 71<br />
3. Konsequenzen einer baldigen Gebührenanpassung<br />
Die vorgeschlagene Gebührenanpassung wür<strong>de</strong> die wirtschaftliche<br />
Situation <strong>de</strong>r Anwaltschaft, die ohnehin belastet ist durch<br />
das starke Wachstum <strong>de</strong>r Anwaltszulassungen um mehr als<br />
60 % von 70 438 am 1. 1. 1994 auf mittlerweile rund 115 000<br />
zum 1. 1. 2002, an die zurückliegen<strong>de</strong> Konjunkturentwicklung<br />
seit 1994 ankoppeln. Eine Anpassung für die Zukunft wür<strong>de</strong><br />
nicht erfolgen.<br />
Die öffentlichen Kassen wer<strong>de</strong>n lediglich in <strong>de</strong>n Bereichen belastet,<br />
in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>m Rechtsuchen<strong>de</strong>n ein RA, insbeson<strong>de</strong>re im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Prozesskostenhilfe und <strong>de</strong>r Pflichtverteidigung,<br />
beigeordnet wird.<br />
Schließlich ist davon auszugehen, dass die Strukturreform streitvermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
und damit justizentlasten<strong>de</strong> Wirkung haben wird.<br />
Die Ausweitung <strong>de</strong>r Einigungsgebühr soll je<strong>de</strong> vertragliche Beilegung<br />
eines Streits honorieren.<br />
Auch die Terminsgebühr, die auch dann anfallen soll, wenn <strong>de</strong>r<br />
RA nach Erteilung eines Klageauftrags an einer auf die Vermeidung<br />
o<strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>s Verfahrens gerichteten Besprechung<br />
mitwirkt, unterstützt die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r außergerichtlichen Streiterledigung.<br />
Schließlich dient <strong>de</strong>r Vermeidung o<strong>de</strong>r Vereinfachung gerichtlicher<br />
Verfahren auch die Verbesserung <strong>de</strong>r Verteidigergebühren<br />
im Ermittlungsverfahren.<br />
4. Wegfall <strong>de</strong>s Gebührenabschlags Ost<br />
Das Einigungsvertragsgesetz sieht einen 10%igen Abschlag auf<br />
die Gebühren <strong>de</strong>r BRAGO für die Tätigkeit von RAen vor, die<br />
ihre Kanzlei in <strong>de</strong>m in Artikel 3 <strong>de</strong>s Vertrages genannten Gebiet<br />
eingerichtet haben o<strong>de</strong>r die vor Gerichten o<strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n, die<br />
ihren Sitz in <strong>de</strong>m in Artikel 1 Abs. 1 <strong>de</strong>s Vertrages genannten Gebiet<br />
haben, im Auftrag eines Beteiligten tätig wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r seinen<br />
Wohnsitz o<strong>de</strong>r Sitz in <strong>de</strong>m in Artikel 3 <strong>de</strong>s Vertrages genannten<br />
Gebiet hat.<br />
Der 10%ige Gebührenabschlag „Ost“ bedarf dringend <strong>de</strong>r Aufhebung.<br />
Das Honorar wird bei etwa gleich hohen Kosten wie in<br />
<strong>de</strong>n alten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn in dreifacher Hinsicht gekürzt. Zum<br />
einen erfolgt <strong>de</strong>r Abschlag von 10 % auf die Gebühren <strong>de</strong>r<br />
BRAGO. Zum an<strong>de</strong>ren kürzen geringere Streitwerte das Honorar<br />
und <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn höhere Anteil an Beratungs-<br />
und Prozesskostenhilfesachen bringt ohnehin eine erhebliche<br />
Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gebührenaufkommens <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />
neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn tätigen RAe mit sich.<br />
Am 1. 2. 2002 wird <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat beschließen, <strong>de</strong>n Gebührenabschlag<br />
für <strong>de</strong>n Ostteil <strong>de</strong>r Stadt Berlin aufzuheben 10 . Wenn innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Stadt Berlin keine unterschiedlichen Gebührensätze<br />
gelten sollen, kann das Kriterium <strong>de</strong>s Kanzleisitzes generell<br />
nicht mehr maßgeblich sein. Es ist nicht einzusehen, weshalb<br />
<strong>de</strong>r RA in einem östlichen Bezirk <strong>de</strong>r Stadt Berlin <strong>de</strong>n 10%igen<br />
Gebührenabschlag nicht mehr hinnehmen muss, <strong>de</strong>r RA in Potsdam<br />
nur wenige Kilometer weiter jedoch sehr wohl.<br />
5. Grundsätzliche Kritik<br />
a) Vergütungsverzeichnis<br />
Das Vergütungsverzeichnis ist ausweislich <strong>de</strong>r Begründung vorgeschlagen<br />
wor<strong>de</strong>n, um das Vergütungsgesetz übersichtlicher<br />
und transparenter zu gestalten. Ob dies erreicht wer<strong>de</strong>n kann,<br />
10 Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung <strong>de</strong>r für die Kostengesetze nach<br />
<strong>de</strong>m Einigungsvertrag gelten<strong>de</strong>n Ermäßigungsgesetze für <strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s Berlin, in <strong>de</strong>m das Grundgesetz vor <strong>de</strong>m 3. Oktober 1990 nicht<br />
galt (Ermäßigungs-Aufhebungsgesetz Berlin – KostGErmAufhGBln); BT-<br />
Drucks. 14/6477 v. 27. 6. 2001.<br />
wird die Praxis zeigen. Problematisch ist aber das Zitiergebot in<br />
§ 9 Abs. 2 RVG-E. Es kann von <strong>de</strong>m RA nicht erwartet wer<strong>de</strong>n,<br />
dass er in je<strong>de</strong>r Kostennote <strong>de</strong>n Gebührentatbestand mit seiner<br />
Nr. im Vergütungsverzeichnis benennt und gleichzeitig Vorbemerkungen<br />
und eventuelle Anmerkungen zu <strong>de</strong>r Nr. im Vergütungsverzeichnis<br />
mitzitieren muss. Allein die Terminsgebühr,<br />
die die bisher in § 31 Abs. 1 BRAGO geregelte Verhandlungsgebühr<br />
ersetzt, ist in 90 unterschiedlichen Nr. <strong>de</strong>s Vergütungsverzeichnisses<br />
geregelt. Diese Än<strong>de</strong>rung kann we<strong>de</strong>r auf einem<br />
Formular noch in einem Computerprogramm praktikabel dargestellt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Weiterhin fin<strong>de</strong>n sich die wichtigen Regelungen für die richtige<br />
Anwendung <strong>de</strong>s Vergütungsverzeichnisses vor allem in <strong>de</strong>n Vorbemerkungen<br />
zu <strong>de</strong>n einzelnen Teilen. Durch die äußere Gestaltung,<br />
insbeson<strong>de</strong>re das kleine Schriftbild und die optische<br />
Trennung von Vorbemerkung und Gebührentatbestand, besteht<br />
die Gefahr, die Regelungen in <strong>de</strong>n Vorbemerkungen bei <strong>de</strong>r Anwendung<br />
<strong>de</strong>s Vergütungsverzeichnisses zu übersehen. Es wird<br />
daher vorgeschlagen, die Vorbemerkungen optisch hervorzuheben.<br />
Dies könnte entwe<strong>de</strong>r durch eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Druckbil<strong>de</strong>s<br />
o<strong>de</strong>r jeweils durch Einfügen <strong>de</strong>r Überschrift „Vorbemerkungen“<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />
b) Wegfall <strong>de</strong>r Beweisgebühr<br />
Der Entwurf sieht vor, dass zukünftig die Beweisgebühr nicht<br />
mehr entstehen soll. Statt<strong>de</strong>ssen soll die Verfahrensgebühr um<br />
0,5 Gebühren angehoben wer<strong>de</strong>n und zusätzlich eine Terminsgebühr<br />
entstehen, so dass in <strong>de</strong>r ersten Instanz zukünftig in je<strong>de</strong>m<br />
Verfahren 2,5 Gebühren anfallen wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Wegfall <strong>de</strong>r Beweisgebühr wird insbeson<strong>de</strong>re von RAen,<br />
die vornehmlich im Familienrecht o<strong>de</strong>r Baurecht tätig sind,<br />
äußerst kritisch beurteilt. Es wird befürchtet, dass insbeson<strong>de</strong>re<br />
bei Kanzleien mit <strong>de</strong>n genannten Schwerpunkten erhebliche<br />
Einbußen entstehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine Verschlechterung <strong>de</strong>s bisherigen Gebührenaufkommens ist<br />
vor allem in Ehescheidungsverfahren zu befürchten. Regelmäßig<br />
fällt im gelten<strong>de</strong>n Recht bei <strong>de</strong>r Vernehmung <strong>de</strong>s Ehegatten<br />
die Beweisgebühr an mit <strong>de</strong>r Folge, dass <strong>de</strong>r RA 30/10 abrechnen<br />
kann. Die Höhe dieser Gebühren ist – wie eine Befragung<br />
<strong>de</strong>s DAV anlässlich <strong>de</strong>r Gebührenanpassung zum 1. 1.<br />
1987 ergeben hat 11 – notwendig, um eine <strong>de</strong>m Aufwand <strong>de</strong>s Anwalts<br />
entsprechen<strong>de</strong> Vergütung zu gewährleisten.<br />
Gleiches gilt für Bauprozesse, bei <strong>de</strong>nen regelmäßig recht umfangreiche<br />
Beweisaufnahmen mit mehreren Beweisterminen<br />
und einer sehr aufwendigen Vorbereitung durch <strong>de</strong>n Anwalt<br />
durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Auch hier sollen im gerichtlichen Verfahren<br />
zukünftig maximal 2,5 Gebühren statt <strong>de</strong>r bisherigen 30/10<br />
entstehen. Dies wird nicht dadurch ausgeglichen, dass ohne Beweisaufnahme<br />
nunmehr generell 2,5 Gebühren entstehen, da<br />
gera<strong>de</strong> in Ehescheidungssachen immer die Beweisgebühr anfiel<br />
und in Bausachen zum überwiegen<strong>de</strong>n Teil.<br />
Ein Ausgleich erfolgt je<strong>de</strong>nfalls in Familiensachen, die häufig im<br />
Prozesskostenhilfeverfahren zu bearbeiten sind, nicht auf<br />
Grund <strong>de</strong>r Tatsache, dass die außergerichtlichen Gebühren nur<br />
i.H.v. 0,5 anzurechnen sind. Gera<strong>de</strong> bei sozial schwachen Mandanten<br />
wird es außeror<strong>de</strong>ntlich schwierig sein, diese außergerichtlichen<br />
Gebühren zu erhalten, zumal im Streitfall durch<br />
Annäherung <strong>de</strong>r Pfändungsfreigrenzen praktisch eine Pfändung<br />
unmöglich ist. Die Argumentation <strong>de</strong>r Kompensation aus <strong>de</strong>r<br />
Anhebung <strong>de</strong>r Gebühren in <strong>de</strong>n FGG-Verfahren geht nach Auffassung<br />
<strong>de</strong>r BRAK fehl. Es gibt seit <strong>de</strong>m Kindschaftsreformgesetz<br />
und <strong>de</strong>r gemeinsamen elterlichen Sorge als Normalfall kaum<br />
11 AnwBl. 1986, 285 ff.