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BRAK-Mitt. 2/2002 Aufsätze 59<br />

Hellwig, Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r nationalen Berufsrechte<br />

wer<strong>de</strong>n sollte. Die Richtlinie hat sich schließlich für die ausschließliche<br />

Geltung <strong>de</strong>s heimatlichen Berufsrechts entschie<strong>de</strong>n.<br />

Man sollte erwägen, diese Kollisionsregel für die elektronische<br />

Tätigkeit über die Grenze auf die grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />

Tätigkeit nach <strong>de</strong>r Dienstleistungsrichtlinie auszu<strong>de</strong>hnen, zumin<strong>de</strong>st<br />

soweit es um die Tätigkeit außerhalb von Gerichten und<br />

Behör<strong>de</strong>n geht. Macht es wirklich einen relevanten Unterschied,<br />

ob ein französischer Anwalt <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Mandanten<br />

im Wege <strong>de</strong>s E-Commerce berät und ggf. qua Vi<strong>de</strong>o-Konferenz<br />

an einer Verhandlung dieses Mandanten mit einem Vertragspartner<br />

teilnimmt, o<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r französische Anwalt dazu an <strong>de</strong>n<br />

Sitz <strong>de</strong>s Mandanten nach Deutschland reist? Umgekehrt könnte<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie die Kollisionsregel dahin<br />

lauten, dass für die Tätigkeit im Aufnahmestaat allein das Berufsrecht<br />

<strong>de</strong>s Aufnahmestaates zur Anwendung kommt. Hat <strong>de</strong>r<br />

nie<strong>de</strong>rgelassene Anwalt nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger<br />

Tätigkeit im Aufnahmestaat die Berufsbezeichnung <strong>de</strong>s<br />

Aufnahmestaates erworben und ist er unter dieser Berufsbezeichnung<br />

tätig, dann lässt sich die zusätzliche Anwendung <strong>de</strong>s<br />

Berufsrechts <strong>de</strong>s Herkunftsstaates auf diese Tätigkeit ohnehin<br />

kaum rechtfertigen. Macht es aber wirklich einen relevanten<br />

Unterschied, wenn <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgelassene Anwalt in <strong>de</strong>n ersten<br />

drei Jahren seiner Tätigkeit (und ggf. länger) unter seiner heimatlichen<br />

Berufsbezeichnung tätig ist? Geht man mit <strong>de</strong>r<br />

Dienstleistungsrichtlinie und <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie davon<br />

aus, dass die einzelnen europäischen Anwaltsberufe untereinan<strong>de</strong>r<br />

grundsätzlich gleichwertig sind, dann spricht, so<br />

meine ich, vieles für meinen vorgenannten Vorschlag. Er hebt<br />

grundsätzlich darauf ab, ob <strong>de</strong>r grenzüberschreitend arbeiten<strong>de</strong><br />

Anwalt aus seiner Heimatkanzlei heraus tätig ist – dann gilt,<br />

vielleicht mit Ausnahmen für die Tätigkeit vor Gericht und Verwaltungsbehör<strong>de</strong>n,<br />

allein das Recht <strong>de</strong>s Herkunftsstaates – o<strong>de</strong>r<br />

aus <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungskanzlei im Aufnahmestaat – dann gilt,<br />

auch für die Tätigkeit vor Gerichten und Behör<strong>de</strong>n, allein das<br />

Recht <strong>de</strong>s Aufnahmestaates.<br />

In <strong>de</strong>n USA wird die Frage nach <strong>de</strong>m anwendbaren Berufsrecht<br />

als Kollisionsproblem bereits seit längerem erörtert, ausgelöst<br />

durch <strong>de</strong>n bereits seit Jahrzehnten ständig steigen<strong>de</strong>n Umfang,<br />

in <strong>de</strong>m Anwälte aus einem Bun<strong>de</strong>sstaat in einem an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>sstaat,<br />

d.h. grenzüberschreitend tätig sind. In <strong>de</strong>n USA sind<br />

verschie<strong>de</strong>ne Vorschläge für Kollisionsregeln im anwaltlichen<br />

Berufsrecht entwickelt wor<strong>de</strong>n, z. B. das Prinzip <strong>de</strong>s Rechts <strong>de</strong>r<br />

Zulassung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Tätigkeitsortes. Ein an<strong>de</strong>rer Vorschlag geht<br />

dahin, bei einem grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Mandat einer Kanzlei,<br />

insbeson<strong>de</strong>re einer Sozietät, solle das „Center of Gravity“ <strong>de</strong>s<br />

Mandats <strong>de</strong>r Anknüpfungspunkt für das auf das gesamte Mandat<br />

anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Berufsrecht sein. Ich habe da meine Zweifel<br />

– wo liegt das „Center of Gravity“ bei einem grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />

Mandat, und was sind die Folgen, wenn im Zuge <strong>de</strong>r<br />

Mandatsbearbeitung das Center of Gravity von einem Staat in<br />

einen an<strong>de</strong>ren Staat wechselt? Unabhängig davon: Wir Europäer<br />

können und sollten diese Vorarbeiten in <strong>de</strong>n USA in unsere<br />

Überlegungen einbeziehen. Dass es in <strong>de</strong>n USA bisher nicht zur<br />

Verabschiedung von übereinstimmen<strong>de</strong>n Kollisionsregeln gekommen<br />

ist, sollte uns nicht entmutigen. Schließlich gibt es in<br />

<strong>de</strong>n USA keine <strong>de</strong>r Dienstleistungsrichtlinie und <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie<br />

in Europa vergleichbaren Regelungen. Von <strong>de</strong>m<br />

Niveau an berufsrechtlicher Harmonisierung, das wir Europäer<br />

damit bereits erreicht haben, sind die Amerikaner weit entfernt.<br />

Bei <strong>de</strong>r ABA hat gera<strong>de</strong> die „Commission on Multijurisdictional<br />

Practice“ ihren Bericht vorgelegt. Ob die darin vorgeschlagenen<br />

berufsrechtlichen Än<strong>de</strong>rungen verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, ist ungewiss.<br />

Selbst wenn sie verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, sind es nur „Mo<strong>de</strong>l<br />

Rules“, die für die Anwaltsorganisationen und die letztlich allein<br />

zuständigen Gerichte in <strong>de</strong>n einzelnen Staaten <strong>de</strong>r USA nicht<br />

verbindlich sind.<br />

Zurück zu meinem Vorschlag, die immer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

praktischen Probleme mit <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Berufsrechte<br />

bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>r Anwaltstätigkeit durch klare Kollisionsnormen<br />

zu lösen. Der eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re von Ihnen wird<br />

sich sagen, die grenzüberschreitend tätigen Anwälte seien nur<br />

eine kleine Min<strong>de</strong>rheit und sollten selbst zusehen, wie sie mit<br />

<strong>de</strong>n geschil<strong>de</strong>rten Problemen fertig wer<strong>de</strong>n; die große Mehrheit<br />

<strong>de</strong>r rein national tätigen Anwälte sei davon nicht tangiert. Wer<br />

so <strong>de</strong>nkt, übersieht, dass die <strong>de</strong>rzeitige berufsrechtliche Situation<br />

bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>r Anwaltstätigkeit bereits jetzt zu<br />

einer unkontrollierten Erosion nationaler Berufsrechte führt, die<br />

im Wesentlichen zu Lasten <strong>de</strong>r kontinentaleuropäischen Berufsrechte<br />

und zu Gunsten <strong>de</strong>s englischen Berufsrechts geht, genauso<br />

wie es bei <strong>de</strong>m Themenkreis multidisziplinäre Zusammenarbeit<br />

(MDP) zwischen Anwälten und Angehörigen an<strong>de</strong>rer<br />

Berufe in einigen Län<strong>de</strong>rn Europas zu einer schleichen<strong>de</strong>n Erosion<br />

<strong>de</strong>r nationalen anwaltlichen Berufsrechte gekommen ist.<br />

Diese Erosion anwaltlicher Berufsrechte bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>r<br />

Anwaltstätigkeit wird in Zukunft zunehmen, wenn es<br />

nicht zu einer bewussten, sachgerechten Steuerung und Lenkung<br />

durch Kollisionsnormen (und später durch Harmonisierung)<br />

kommt. Diese Erosion wird sich auch auf die rein national<br />

tätigen Kanzleien auswirken. Schlechte Beispiele ver<strong>de</strong>rben<br />

auch im Berufsrecht gute Sitten.<br />

Die Arbeit an <strong>de</strong>r Schaffung von Kollisionsnormen (und später<br />

an <strong>de</strong>r Harmonisierung <strong>de</strong>r Berufsrechte) wird allerdings nur gelingen<br />

können, wenn man die Position <strong>de</strong>s eigenen Berufsrechts<br />

nicht für sakrosankt erklärt und wenn man bereit ist, die Positionen<br />

aller Berufsrechte, auch <strong>de</strong>s eigenen, genau zu analysieren<br />

im Hinblick auf die Grundlagen, die Zwecke, die Reichweite<br />

und die Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r einzelnen Regelungen. Für<br />

die Bereiche Interessenkonflikt und Verschwiegenheitspflicht<br />

habe ich dargetan, dass die Schutzzwecke, die in <strong>de</strong>m einen<br />

Land von <strong>de</strong>r Verschwiegenheitspflicht abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>rnorts<br />

über das Interessenkollisionsverbot erreicht wer<strong>de</strong>n –<br />

die Ziele stimmen also überein, nur das Regelungsinstrument ist<br />

verschie<strong>de</strong>n. Ich halte es für durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich,<br />

dass sich im Zuge <strong>de</strong>r Detailanalyse bei <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Regelungen Kernbereiche ergeben, in <strong>de</strong>nen die nationalen<br />

Berufsrechte völlig o<strong>de</strong>r weitgehend übereinstimmen, und<br />

dass die Unterschie<strong>de</strong> erst zu <strong>de</strong>n Rän<strong>de</strong>rn hin auftreten. Das<br />

wür<strong>de</strong> die Schaffung von Kollisionsnormen (und die spätere<br />

Harmonisierung) um einiges erleichtern. Vor allem sollte man<br />

sich bei <strong>de</strong>r Arbeit zur Schaffung von Kollisionsnormen immer<br />

bewusst sein, dass diese Normen nur die grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />

Tätigkeit betreffen und dass die nationalen Berufsrechte hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r nicht grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Tätigkeit nicht tangiert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Der CCBE ist aufgerufen, sich dieser bei<strong>de</strong>n Aufgaben anzunehmen.<br />

So wie er bei <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie Pionierarbeit<br />

geleistet hat, sollte <strong>de</strong>r CCBE es auch hier tun. Ich könnte<br />

mir <strong>de</strong>nken, dass <strong>de</strong>m CCBE – und ihm folgend, wie bei <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie,<br />

<strong>de</strong>m europäischen Richtliniengeber – die<br />

Erarbeitung von Kollisionsnormen für die grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />

Tätigkeit im Rahmen <strong>de</strong>r Dienstleistungs- und <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie<br />

insgesamt weniger Schwierigkeiten bereitet als<br />

<strong>de</strong>r ursprüngliche Erlass dieser bei<strong>de</strong>n Richtlinien. Eigentlich<br />

sind die Kollisionsnormen nur eine logische Notwendigkeit, die<br />

sich aus <strong>de</strong>r Existenz dieser bei<strong>de</strong>n Richtlinien ergibt. Damals,<br />

bei Erlass <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Richtlinien, war die Zeit für klare Kollisionsregelungen<br />

noch nicht reif. Heute sollte die Zeit gekommen<br />

sein, nach<strong>de</strong>m die ursprünglichen Befürchtungen gegenüber<br />

<strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Tätigkeit von Anwälten sich als unberechtigt<br />

erwiesen haben und diese Tätigkeit für die Anwälte<br />

und die Mandanten zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit<br />

wird.

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