DIE GROSSE
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Wir Unternehmer – Porträt<br />
Annette Meisl<br />
Der Dunst der Kunst<br />
Auf verschlungenen Wegen hat es Künstlerin und Multitalent Annette Meisl<br />
von Kuba über Madrid nach Köln geführt, wo sie unter dem Label „La Galana“ edle<br />
Zigarren rollen lässt. VON MICHAEL BAHNERTH<br />
Eines Tages trat eine neue Liebe in Annette Meisls Leben, und<br />
die war anders als alle zuvor. Natürlich hatte sie sich schon in<br />
Landschaften verliebt oder Städte, aber mit Kuba war es anders.<br />
Schwer zu sagen, was genau es war. Sie sagt, es sei diese<br />
Mischung aus Genuss und Kultur gewesen, und die Musik als<br />
Erfahrung in ihrer ungeschminkten Essenz. Aber es könnte<br />
auch ein 102-jähriger Mann gewesen sein. Nicht irgendeiner,<br />
sondern eine Legende, Gregorio Fuentes, der auf Hemingways<br />
Boot „Pilar“ zweiter Kapitän gewesen ist. Am 31. Dezember<br />
1999 besuchte Meisl die Romanvorlage zu „Der alte Mann<br />
und das Meer“, sie plauderten, er rachitisch, sie kraftvoll. Er<br />
wollte, dass sie bleibt, sie wollte nicht gehen, sie tranken Rum.<br />
Und rauchten Zigarren. Wahrscheinlich<br />
war der paffende Methusalem<br />
in seinem wunderschönen selbstgenügsamen<br />
Kosmos der Grund, dass<br />
Annette Meisl sich entschloss, ihre<br />
Liebe zu Kuba um jene für Zigarren<br />
zu erweitern. Und selbst Zigarren herzustellen.<br />
Und zwar dort, wo Kuba ein<br />
paar Tausend Meilen weit weg ist. Mitten<br />
in Köln-Ehrenfeld, ganz oben an<br />
der Venloer Straße, dort, wo unlängst<br />
alle Bäume entlang der Straße gefällt<br />
worden sind.<br />
Heute hängt ein Bild von ihr und dem inzwischen verstorbenen<br />
Fuentes in ihrem „Club del Tabaco“, der hinter dem Ladenlokal<br />
liegt. Es ist eine kleine Zigarren-Manufaktur hinter<br />
alten Mauern, vorne das Verkaufsgeschäft und die Manufaktur,<br />
hinten das Café, ein kleiner Raum mit Bar, Ledersesseln,<br />
Fotos an den Wänden, alten Koffern und Transistorradios,<br />
vergilbten Zigarrenschachteln teils in Rauch aufgegangener<br />
Marken. Es riecht nach dem schweren Tabak von Longfi ller-<br />
Zigarren. Der Raum ist ein bisschen wie Meisl selbst, er hat<br />
Hand und Fuß und trotzdem Platz für Sehnsüchte. Er ist da<br />
verspielt und dort wieder nüchtern, er ist ein kleines Kunst-<br />
werk voller Herzblut und Seele, ein Kleinod für Zigarren rauchende<br />
Träumer und Romantiker, in dem sich vergangene<br />
Welten mit heutigen treffen und eine rauchige Blase bilden,<br />
wie ein eigenes Universum, das sich Zeit lässt mit seiner Vergänglichkeit.<br />
Täglich 250 handgerollte Zigarren<br />
Nicht durch den blauen Dunst einer Zigarre betrachtet, ist La<br />
Galana eine kleine, im Jahr 2005 gegründete Zigarren-Manufaktur<br />
mitten in Köln, die jährlich 25.000 handgerollte Zigarren<br />
aus Criollo- und Corojotabaken herstellt, die kubanische<br />
Wurzeln haben und im kleinen Shangri<br />
La der Zigarrenraucher, im nicaraguanischen<br />
Anbaugebiet Jalapa, gezogen<br />
werden. Der Name La Galana verbindet<br />
dabei den Firmennamen mit der Figur<br />
der „Galana“ – einer eleganten, lebensfrohen<br />
Dame vergangener Zeiten, die<br />
das Leben zu genießen wusste. Die<br />
Manufaktur beschäftigt ausschließlich<br />
Frauen. Zwei, drei freiberufl iche Torcedoras,<br />
Zigarrenrollerinnen, fertigen die<br />
Preziosen an. Der Star unter ihnen ist<br />
Yoleivis Fernandez, eine Kubanerin, die<br />
ihr Handwerk in der Fabrica Quintero gelernt hat, eine harte<br />
Schule. Ihre Hände besitzen die Fähigkeit, täglich 250 Zigarren<br />
zu drehen, nicht irgendwie, sondern perfekt. Mano Agil nennt<br />
man diese begnadeten Dreherinnen, und nur die wenigsten<br />
erhalten diese Auszeichnung. Angeboten werden zwei Linien<br />
und die gängigen Formate; die La Galana Classica etwa, bei<br />
der eine Dreierkiste Petit Corona Classica vernünftige 27 Euro<br />
kostet. Die andere Linie heißt La Galana Privada, es sind dieselben<br />
Zigarren, aber mit individuell gestalteter Banderole.<br />
Aber zurück in den Dunst von Frau Meisl. Sie und Kuba, das<br />
fi ng nicht erst mit Fuentes an. Es war ein bisschen, als ob<br />
12 ProFirma 06 2010