DIE GROSSE
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Unternehmensführung – Titelthema<br />
Zahle, was du willst<br />
Immer mehr Unternehmen fordern ihre Kunden auf: „Zahle, was du willst.“<br />
Zwei Unternehmen, die diese Preisstrategie erfolgreich betreiben.<br />
Emma Hair Revolution, Krefeld:<br />
20 Jahre ist es her, dass René Sellmer in einem Londoner Restaurant<br />
aufgefordert wurde: „pay what you want.“ Als der Friseurmeister<br />
dann vor sechs Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit<br />
wagte, erinnerte er sich an den Restaurantbesuch<br />
– und führte ebenfalls das „Zahle, was du willst“-Preismodell<br />
ein. „Natürlich hatte ich anfangs Bedenken, ob wir verarscht<br />
werden“, gibt der 42-Jährige zu. Doch seine Zweifel verfl ogen<br />
schnell. 40 Euro zahlt jeder Kunde pro Friseurbesuch – und<br />
damit elf Euro mehr, als es in den Salons üblich war, in denen<br />
Sellmer früher als Angestellter gearbeitet hatte. „Einmal<br />
waren sogar 500 Euro im Umschlag“, erzählt Sellmer. Dass<br />
die Preisstrategie des Friseurmeisters aufgeht, liegt laut Sellmer<br />
am Gesamtkonzept des Ladens, das genauso eigenwillig<br />
ist wie die Preisstrategie. So frisiert der Unternehmer grundsätzlich<br />
nicht nach Kundenwunsch, sondern schneidet, färbt<br />
und föhnt, wie es ihm gefällt. Doch auch dieses in der Branche<br />
unübliche Vorgehen kommt bei den Kunden an. Noch etwas<br />
sei wichtig beim „Zahle, was du willst“, ergänzt der Mann mit<br />
dem giftgrünen Spitzbart: Der persönliche Kontakt. Wenn<br />
man sich den Kunden zuwende, freundlich sei und eine gute<br />
Atmosphäre schaffe, seien diese gerne bereit, ein angemessenes<br />
Honorar zu zahlen.<br />
Bei Friseur René<br />
Sellmer und seinem<br />
Team zahlen<br />
die Kundinnen<br />
den Preis, den sie<br />
für angemessen<br />
Wolf Meyer-Plate und Maike Fuchs, Chefs des Restaurants Caduli.<br />
Restaurant Caduli, Mannheim:<br />
99 99.- .-<br />
Schon als Wolf Meyer-Plate gemeinsam mit der Köchin Maike<br />
Fuchs das Restaurant Caduli eröffnete, hatten sie die Idee<br />
mit dem „Zahle, was du willst“. Trotzdem führten sie erst einmal<br />
Festpreise ein. Nach einem halben Jahr „hatten wir dann<br />
aber das Gefühl, dass die außergewöhnliche Preisstrategie<br />
besser zu uns passt“, sagt der Mittfünfziger. „Das Restaurant<br />
– gehobenes Essen, aber mitten im Industriegebiet gelegen –<br />
ist ja auch ungewöhnlich.“ Seither kommen im Caduli also<br />
Speisekarten ohne Preisangaben auf den Tisch. Lediglich für<br />
Getränke berechnet der Chef Festpreise. „Erstens gibt es an<br />
einer Cola keinen Service zu bewerten“, erklärt Meyer-Plate.<br />
„Zweitens ist es für einen Laien sehr schwer zu beurteilen, wie<br />
teuer der Wein ist, den er trinkt.“ Bei den Speisen funktioniere<br />
das „Zahle, was du willst“ aber hervorragend, wenngleich<br />
es vorkommt, dass zwei Personen fürs gleiche Gericht mal<br />
25, mal 75 Euro zahlen. Unterm Strich werde aber genau der<br />
Preis gezahlt, den er auch ansetzen würde. „Die Gäste können<br />
ziemlich gut beurteilen, was das Essen wert ist“, sagt der Unternehmer.<br />
Hin und wieder gibt Meyer-Plate dann aber doch<br />
einen „Wunschpreis der Küche“ heraus. Er hat nämlich herausgefunden,<br />
dass manche Gourmets fernbleiben, weil es ihnen<br />
„zu stressig ist, selbst zu entscheiden“. Jetzt kann der Chef<br />
auch diese Gäste bewirten.<br />
halten. Fotos: Coco Pohlmann, Caduli<br />
26 ProFirma 06 2010