DIE GROSSE
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ProFirma 06 2010<br />
INTERVIEW<br />
„Der „D Dreiecksblick ist unabdingbar“<br />
Prof. Dr. Hermann Herm Diller, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der<br />
Unive Universität Erlangen-Nürnberg, über die Tücken der Preispolitik.<br />
Herr Professor Diller, warum ist die Preispolitik<br />
im Unternehmen so wichtig?<br />
Diller: Preispolitik ist das Instrument des<br />
Unternehmens, das am deutlichsten auf<br />
den Gewinn durchschlägt. Ich nenne Ihnen<br />
zur Veranschaulichung ein Beispiel:<br />
Hätte VW im Jahr 2007 für jedes Auto<br />
nur 50 Euro mehr verlangen können,<br />
wäre der Gewinn des Unternehmens um<br />
233,5 Millionen Euro gestiegen. Hätte<br />
die Preiserhöhung allerdings zu einem<br />
Absatzrückgang um drei Prozent geführt,<br />
wären 140.100 Autos weniger verkauft<br />
worden und damit die Fixkosten pro Wagen<br />
deutlich gestiegen.<br />
VW hätte im Vorfeld wissen müssen,<br />
ob die Verbraucher bereit sind, 50 Euro<br />
mehr zu zahlen oder nicht ...<br />
Diller: Die Preisbereitschaft der Konsumenten<br />
zu kennen, ist in der Tat das A<br />
und O. Es reicht nicht aus, den Preis in<br />
Abhängigkeit der Kosten und mit Blick<br />
auf den Wettbewerb festzulegen. Der<br />
Dreiecksblick auf die Kosten, die Wettbewerber<br />
und die Kunden ist unabdingbar.<br />
Der Blick auf den Kunden scheint der<br />
schwierigste zu sein. Zumal sich die Konsumenten<br />
nicht ausschließlich rational<br />
verhalten. Wie bekommt man trotzdem<br />
im Vorfeld eine Ahnung von der Preisbereitschaft<br />
der Kunden?<br />
Diller: Die Preisforschung kennt etliche<br />
Modelle, mit denen sich in etwa sagen<br />
lässt, für welches Qualitätsmerkmal der<br />
Kunde welchen Preis zahlen will. Eines<br />
der gängigsten Modelle ist die sogenannteConjoint-Measurement-Methode.<br />
Zur Messung der Bewertung eines<br />
Guts erhalten bestimmte Eigenschaften<br />
dieses Guts bestimmte Bedeutungsgewichte,<br />
um daraus ein möglichst allge-<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE SABINE HÖLPER<br />
mein gültiges Gesamt-Präferenzurteil der<br />
Verbraucher abzuleiten.<br />
Nun zahlt der eine Kunde höchstens 50 Euro<br />
für ein Paar Sandalen, der andere 300 ...<br />
Diller: ... und der Schuhhändler ist schlau,<br />
wenn er für beide Kundengruppen Schuhe<br />
anbietet – und natürlich zusätzlich für die,<br />
die dazwischen liegen. Nur so kann er<br />
die vielfältigen Preisspielräume voll ausschöpfen.<br />
In der Praxis passiert das ja auch<br />
meist. Schauen Sie sich im Supermarkt<br />
um: Da fi nden Sie in einer Produktkategorie<br />
sieben, acht verschiedene Preislagen.<br />
Noch vor drei Jahren gab es diese feinen<br />
Abstufungen bedeutend seltener.<br />
Die Unternehmer haben etwas gelernt?<br />
Diller: Ja, sie haben dem Preis die Aufmerksamkeit<br />
gewidmet, die er verdient.<br />
Mit gutem Grund: In den vergangenen 30<br />
Jahren stand die Verbesserung der Produkte<br />
im Fokus der Unternehmen. Heute sind die<br />
Produkte allesamt auf einem derart hohen<br />
Niveau, dass die Grenzrate der Zufriedenheit<br />
ausgeschöpft ist. Als Folge rückt nun<br />
die Preisgestaltung in den Fokus.<br />
Überall trifft man auf Preisdifferenzierung:<br />
Die Kinokarte, die für den Studenten<br />
weniger kostet, die Flugreise,<br />
die den Frühbucher billiger kommt, die<br />
Brezel, die im Dreierpack günstiger ist.<br />
Ist Preisdifferenzierung das Gebot der<br />
Stunde?<br />
Diller: Ja, und wieder sage ich: aus<br />
gutem Grund. Die Kunden sind heterogen<br />
und hybrid, die Preisbereitschaft<br />
spreizt. Allerdings ist die für Studenten<br />
verbilligte Kinokarte kein gutes Beispiel<br />
für eine gelungene Preisdifferenzierung.<br />
Denn da wird den Kinobesuchern vorgeschrieben,<br />
welche Eintrittspreise sie zu<br />
zahlen haben. Intelligenter ist es doch,<br />
wenn man verschiedene Varianten anbietet<br />
und den Kunden dann die Wahl<br />
lässt, welchen Preis sie – für welche Variante<br />
– zahlen wollen: Nimmt man die<br />
teurere Bahncard 50 mit mehr oder die<br />
billigere Bahncard 25 mit weniger Leistung?<br />
Kauft man einen Computer mit<br />
einem Gigabyte Arbeitsspeicher oder<br />
mit zwei? Hier fühlt sich kein Kunde<br />
übervorteilt. Weil er – anders als an der<br />
Kinokasse – selbst entscheiden durfte.<br />
Welches Beispiel für gelungene Preisdifferenzierung<br />
fällt Ihnen noch ein?<br />
Diller: Nehmen wir den Mars-Riegel.<br />
Den gibt es für jeden Verbrauchsanlass,<br />
in allen erdenklichen Verpackungen: Im<br />
Fußballstadion, in der Geschenkverpackung,<br />
in der Haushaltspackung und,<br />
und, und. Und jedes Mal hat er einen<br />
anderen Preis pro Mengeneinheit.<br />
Was ist der größte Fehler im Zusammenhang<br />
mit der Preisgestaltung?<br />
Diller: Rabattschlachten. Sie bringen nie<br />
etwas. Sie sind reinster Verdrängungswettbewerb.<br />
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