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eine alte religionsgemeinschaft zwischen tradition und moderne

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www.yeziden-colloquium.de<br />

Spätestens seit dem 12. Jahrh<strong>und</strong>ert gibt es innerhalb der yezidischen Gemeinschaft<br />

mehrere Kasten, die auf den Reformer des Yezidentums, Scheich Adi, zurückgehen. Die<br />

yezidische Gesellschaft gliedert sich in die Kaste der Laien, der Muriden <strong>und</strong> in zwei Kasten<br />

von Geistlichen, in die der Scheichs <strong>und</strong> die der Pirs. Die Zugehörigkeit zu <strong>eine</strong>r Kaste ist<br />

erblich; Heiraten außerhalb der eigenen Kaste sind tabu. Die Geistlichen haben die Aufgabe,<br />

die Laien religiös zu unterweisen <strong>und</strong> zu betreuen. Darüber hinaus nehmen sie wichtige<br />

soziale Funktionen wahr. Im Gegensatz zum Kastenwesen im Hinduismus trennt das Kastensystem<br />

bei den Yeziden nicht die Gesellschaft, sondern es schuf ein komplexes System, das<br />

durch die Abhängigkeit der einzelnen Glieder voneinander <strong>eine</strong>n engen Zusammenhalt aller<br />

Schichten garantierte. Nur durch die Kontakte <strong>zwischen</strong> den einzelnen Kasten ist es den<br />

Yeziden möglich, ihre Religion zu bewahren.<br />

Das yezidische Kastensystem<br />

Religiöse Hierarchie<br />

(Entwurf: Telim Tolan)<br />

[15]<br />

2 Aspekte der yezidischen Religion<br />

Das Yezidentum kennt k<strong>eine</strong> verbindliche religiöse Schrift, wie es vergleichbar die Bibel für<br />

die Christen ist. Die Vermittlung religiöser Traditionen <strong>und</strong> Glaubensvorstellungen beruhte –<br />

bisher – ausschließlich auf mündlicher Überlieferung. In der Literatur über die Yeziden<br />

werden zwei Bücher erwähnt, das „Buch der Offenbarung“ (Kiteb-i Jilwe) <strong>und</strong> die „Schwarze<br />

Schrift“ (Meshef Resch). Von beiden Büchern sind lediglich Auszüge bekannt geworden,<br />

wobei man davon ausgehen kann, dass diese nicht in allen Teilen authentisch die Glaubensvorstellungen<br />

der Yeziden wiedergeben.<br />

Unter den Yeziden herrscht die Auffassung, dass ein Yezide ein guter Mensch sein<br />

kann, aber um ein guter Mensch zu sein, muss man nicht Yezide sein. Das heißt: das<br />

Yezidentum ist von vornherein tolerant gegenüber anderen Religionen. In <strong>eine</strong>m Gebet der<br />

Yeziden heiß es: „Gott, schütze erst die 72 Völker <strong>und</strong> dann uns.“ Die Yeziden haben k<strong>eine</strong><br />

Berührungsängste mit anderen Religionsgemeinschaften. So ist z. B. das Verhältnis <strong>zwischen</strong><br />

Yeziden <strong>und</strong> Christen sehr gut. Dies hat etwas mit der gemeinsamen Leidensgeschichte der<br />

Yeziden <strong>und</strong> Christen in den kurdischen Gebieten zu tun. So haben z. B. die Yeziden während<br />

der Zeit der Armenierverfolgung (1914-1917) im Osmanischen Reich viele Armenier bei sich<br />

aufgenommen <strong>und</strong> vor Deportation <strong>und</strong> Vernichtung gerettet.<br />

Die yezidische Religion ist <strong>eine</strong> monotheistische Religion, deren Wurzeln wohl 2000<br />

Jahre weit vor dem Christentum liegen. Die yezidische Religion kennt – anders als der Islam<br />

<strong>und</strong> das Christentum – nicht die Vorstellung von <strong>eine</strong>m Widersacher, der dem göttlichen<br />

Willen entgegenstünde. Die Vorstellung der Existenz <strong>eine</strong>r bösen Kraft ist bei den Yeziden<br />

nicht vorhanden. Vielmehr ist Gott einzig, allmächtig <strong>und</strong> allwissend. Auch bei der etymologischen<br />

Betrachtung des kurdischen Wortes für Gott, nämlich Xwedê, wird diese Aussage<br />

besonders deutlich. Das Wort setzt sich zusammen aus xwe (sich) <strong>und</strong> dê / da (gegeben), d.h.<br />

„der sich selbst Geschaffene“ (xwe da!), sprich der Schöpfer. Nach yezidischer Vorstellung

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