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eine alte religionsgemeinschaft zwischen tradition und moderne

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www.yeziden-colloquium.de<br />

beschreiben, wie sich der Teufel weigerte, Adam zu verehren, weil der erstens jünger als die<br />

Engel war <strong>und</strong> zweitens, weil er aus Lehm, die Engel jedoch aus [60] Licht <strong>und</strong> Luft geschaffen<br />

worden seien. Zur Strafe verbannte Gott den Teufel auf die Erde.<br />

Der Name Iblis ist <strong>eine</strong> entstellte Form des griechischen Wortes Diabolos (δίάβσλσς)<br />

für Teufel (Shorter Encyclopaedia of Islam). In späterer islamischer Tradition war Iblis vor<br />

s<strong>eine</strong>m Fall der Erzengel Izazil gewesen. Ein Erzengel „Israfil“ (hebräisch) bzw.<br />

„Raphael“ (deutsch) ist auch im Juden- <strong>und</strong> im Christentum bekannt. Die im Koran beschriebene<br />

Bestrafung des Teufels mit der Hölle am Tage des jüngsten Gerichts stimmt<br />

mit dem Neuen Testament überein (Matthäus 24, 41).<br />

Im Juden- <strong>und</strong> Christentum hatte die Schlange Adam <strong>und</strong> Eva verführt. Gott bestrafte<br />

sie damit, dass sie fortan auf dem Bauch kriechen muss, ihr die Menschen den Kopf zertreten<br />

<strong>und</strong> sie ihrerseits den Menschen in die Ferse stechen werde (1. Moses 3, 14-15). Der<br />

islamischen Mythologie nach versteckte sich Iblis <strong>zwischen</strong> den Füßen der Schlange – die<br />

diese damals noch besaß – um wieder ins Paradies zu gelangen <strong>und</strong> dort Adam <strong>und</strong> Eva verführen<br />

zu können (a1-Qimani 1993, S. 51). Aber nicht nur die Identifizierung der Schlange<br />

mit dem Bösen, mit Iblis, hat <strong>eine</strong> lange religionsgeschichtliche Tradition, sondern auch die<br />

Verbindung der Schlange mit dem Pfau. Schon in der antiken Astrologie symbolisierte ein<br />

junger Mann, der auf <strong>eine</strong>m Pfau ritt <strong>und</strong> in der rechten Hand <strong>eine</strong> Schlange <strong>und</strong> in der Linken<br />

<strong>eine</strong> Tafel hielt, den Planeten Merkur. Einer weiteren islamischen Legende nach bat<br />

Iblis den Pfau, den Herren aller Vögel im Paradies, um Hilfe, um ins Paradies zu gelangen.<br />

Dieser verwies ihn an die mächtigere <strong>und</strong> schlauere Schlange, die ihn dann in ihrem M<strong>und</strong><br />

versteckte.<br />

Vor diesem symbolgeschichtlichen Hintergr<strong>und</strong> nun <strong>und</strong> angesichts der Tatsache, dass<br />

<strong>eine</strong>rseits am Eingang des yezidischen Heiligtums in Lalesh <strong>eine</strong> Schlange eingemeißelt ist<br />

<strong>und</strong> andererseits Yeziden den Engel Pfau verehren, fiel es Vertretern der Hochreligionen –<br />

so m<strong>eine</strong> dritte These – daher leicht, den Taus-i Melek der Yeziden mit dem Teufel ihrer<br />

Religionen in Verbindung zu bringen <strong>und</strong> die Yeziden als „Teufelsanbeter“ abzustempeln.<br />

Mit historischem Abstand könnte man von <strong>eine</strong>m hermeneutischen Missverständnis, von<br />

<strong>eine</strong>r Fehldeutung sprechen, allerdings mit harten Konsequenzen für die yezidische Gemeinschaft.<br />

[61]<br />

4 Der Einfluss der islamischen Mystik (Sufismus) auf das Yezidentum<br />

Der Sufismus – abgeleitet von as-Suf (die Wolle) nach dem asketischen wollenen Umhang<br />

s<strong>eine</strong>r ersten Vertreter – hatte schon früh Eingang in den Islam gef<strong>und</strong>en: über die theologische<br />

Schule der Mutazila, die sich auf Hasan al-Basri (gest. 728) bezog, über al-Hallaj<br />

bin Mansur, der 922 wegen Gotteslästerung hingerichtet wurde, bis hin zu Abd al-Qadir al-<br />

Jilani (gest. 1166), dem Gründer des Derwischordens der Qadiriya, hatte sich der Sufismus<br />

im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert zu <strong>eine</strong>r eigenen Richtung im Islam entwickelt. In ihm waren Glaubensvorstellungen<br />

eingeflossen, die sich z. T. erheblich von denen des sunnitischen „Hochislam“<br />

unterschieden.<br />

Ein Zeitgenosse von Abd al-Qadir, Scheich Adi bin Musafir, wirkte in Lalesh <strong>und</strong> verbreitete<br />

die mystische, sufische Variante des Islam unter den Yeziden. M<strong>eine</strong> vierte These<br />

ist nun, dass unter den Yeziden zur fraglichen Zeit bereits dem Sufismus ähnliche Vorstellungswelten<br />

vorhanden gewesen waren, was die yezidische Rezeption der sufischen<br />

Variante des Islam erleichtert hatte <strong>und</strong> uns damit dieses Phänomen erklärbarer macht. Im<br />

Folgenden möchte ich ausführlicher darauf eingehen.<br />

Für die Sufis ist Gott das Gesamte <strong>und</strong> jedes kl<strong>eine</strong> Teil des Ganzen beinh<strong>alte</strong>t ein Stück<br />

von ihm. Der Mensch ist ein Teil der Welt <strong>und</strong> ihrer Natur. Im Menschen verkörpert sich<br />

der Geist Gottes. Al-Hallaj hatte daraus abgeleitet: „Ich bin identisch mit Gott“ – was zu<br />

s<strong>eine</strong>r Verurteilung geführt hatte.

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