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eine alte religionsgemeinschaft zwischen tradition und moderne

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in derselben Gestalt. Gut <strong>und</strong> Böse bestehen nebeneinander <strong>und</strong> befinden sich in ständigem<br />

Konflikt miteinander. Wir Yeziden glauben, dass Taus-i Melek der allmächtige Gott ist,<br />

ohne dessen Wissen nichts geschieht. Deshalb existiert im Yezidentum auch k<strong>eine</strong> Gestalt<br />

des Bösen. Allein die Aussprache des Namens des Bösen ist bei den Yeziden <strong>eine</strong> Anzweifelung<br />

der Allmacht Gottes <strong>und</strong> deshalb ein Tabu.<br />

Nach <strong>eine</strong>r der mündlich überlieferten religiösen Hymnen, den Qewls, die den Titel<br />

„Padischah“ (der Herr der Herren) trägt, heißt es:<br />

„Mein Gott, du bist Gottes Himmel,<br />

du bist der Gott des Mondes <strong>und</strong> der Sonne,<br />

du bist der Gott aller Kreaturen.<br />

[57]<br />

...<br />

Mein Taus der Herren,<br />

du bist der Erschaffer von Himmel <strong>und</strong> Erde,<br />

du bist der Herr von Scheich Adi, alle Herren sind von<br />

dir herabgesetzt.<br />

Mein Taus, du bist der Herr aller Engel,<br />

du bist der Erschaffer von 72 Völkern <strong>und</strong> 800.000<br />

Kreaturen.<br />

Vor dem Himmel, vor der Erde existierte der Gott, das Licht<br />

aller Lichter.<br />

Aus W<strong>und</strong>ern erschuf Er die Erde<br />

– Himmel, Erde <strong>und</strong> Glaube.<br />

Er nannte sich Taus der Herren.“<br />

(Übersetzt nach: Silêman 2002)<br />

Jeder Yezide trägt ein Stück von Taus-i Melek in sich. Aber Gott hat dem Menschen den<br />

Verstand gegeben <strong>und</strong> es in s<strong>eine</strong>, des Menschen, Verantwortung gelegt, Gutes zu tun. Wir<br />

Yeziden glauben, dass jeder von uns bei der Geburt die gleichen Eigenschaften erh<strong>alte</strong>, die<br />

Eigenschaften von Taus-i Melek. Durch die persönlichen Beziehungen zu Gott kann der<br />

Yezide die Kräfte der Natur, das Prinzip von Gut <strong>und</strong> Böse, ausgleichen <strong>und</strong> s<strong>eine</strong> inneren<br />

Kräfte steuern. Nach den Vorstellungen der Yeziden ist das Herz für die spirituellen Angelegenheiten,<br />

die Leber für die Emotionen zuständig. Das Herz ist männlich <strong>und</strong> steht für<br />

den Himmel, die Leber ist weiblich <strong>und</strong> steht für die Erde. Der Verstand des Menschen ist<br />

der Vermittler <strong>zwischen</strong> beiden <strong>und</strong> soll den Ausgleich herstellen.<br />

Man könnte die Verehrung von Taus-i Melek folglich als <strong>eine</strong> Philosophie definieren,<br />

welche als solche nur im Yezidentum existiert – dies ist m<strong>eine</strong> erste These zu <strong>eine</strong>r<br />

yezidischen Theologie <strong>und</strong> Religionsgeschichte.<br />

2 Taus-i Melek, der Sonnengott der Antike <strong>und</strong> Ahura Mazda<br />

M<strong>eine</strong> zweite These lautet, dass der babylonisch-assyrische Sonnengott Schamasch, der<br />

altpersische Lichtgott Mithras <strong>und</strong> auch Ahura Mazda der zarathustrischen Religion in<br />

Taus-i Melek zusammen geflossen sind. Als Indizien dafür seien kurz angeführt: [58]<br />

- Die Sumerer, Akkader, Babylonier <strong>und</strong> Assyrer im Zweistromland glaubten an mehrere<br />

Götter. Es waren – wie z. B. Schamasch, der Sonnengott – Götter, die halfen <strong>und</strong> beschützten<br />

oder – wie z. B. die Göttin Ischtar – Götter, die straften (King 1899, S. 200).<br />

Für die Menschen in Mesopotamien war die Sonne das Auge des Himmels, das sichtbare<br />

Zeichen des Gottes auf Erden. Auch bei den Yeziden erinnern viele Riten an <strong>eine</strong> Verehrung<br />

der Sonne <strong>und</strong> des Lichts, das in ihr s<strong>eine</strong>n Ursprung hat. Sie verrichten ihre Gebete<br />

zur Sonne gewendet. Die Gebete sind immer mit dem Licht verb<strong>und</strong>en, das heilig

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