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eine alte religionsgemeinschaft zwischen tradition und moderne

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www.yeziden-colloquium.de<br />

stellungen radikaler Muslime öffnet sich für denjenigen, der <strong>eine</strong>n Ungläubigen tötet, der<br />

Weg ins Paradies. Fanatische Muslime, die yezidische Dörfer verwüsten oder die Einwohner<br />

vertreiben, Menschen ermorden oder Frauen entführen, werden von den Behörden nicht zur<br />

Verantwortung gezogen, sei es, weil es in ein politisches Konzept passt oder sei es, weil die<br />

Vertreter des Staates ebenfalls Muslime sind, welche die Ansichten – wenn auch nicht die<br />

Taten – der Radikalen teilen. In ihren Heimatgebieten können Yeziden oft nur öffentlich in<br />

Erscheinung treten, wenn sie ihre Identität verleugnen. Der mangelnde staatliche Schutz<br />

führte dazu, dass besonders in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts viele<br />

Yeziden, insbesondere Yeziden aus der Türkei, nach Deutschland flüchteten.<br />

Prof. Wießner von der Universität Göttingen hatte sich als Wissenschaftler der<br />

Religionen des Vorderen Orients <strong>und</strong> damit auch der Religion der Yeziden besonders angenommen.<br />

Durch s<strong>eine</strong> Reisen in die Region kannte er die Situation der Menschen in diesen<br />

Ländern. Mit <strong>eine</strong>m Gutachten beim Verwaltungsgericht Stade erreichte er 1982 erstmals die<br />

Anerkennung von Yeziden als Flüchtlinge. Danach dauerte es noch elf Jahre, bis sich diese<br />

Rechtsprechung allgemein durchsetzte. Als letztes deutsches Gericht erkannte Anfang 1993<br />

das Oberverwaltungsgericht Lüneburg den Yeziden den Status als Gruppenverfolgte zu. Auf<br />

politischer Ebene bereitete 1989 Herbert Schnoor in s<strong>eine</strong>r Amtszeit als Innenminister des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen den Weg für ein Bleiberecht der Yeziden vor. Auch die Gesellschaft<br />

für bedrohte Völker, dessen Beiratsmitglied Prof. Wießner war, hat sich als Menschenrechtsorganisation<br />

für die Yeziden eingesetzt.<br />

Als die heutige Elterngeneration der Yeziden nach Deutschland kam, musste sie sich<br />

mit völlig neuen Bedingungen zurechtfinden. Die meisten [18] Yeziden hatten in ihren<br />

Heimatgebieten von der Landwirtschaft gelebt. Das Bildungsniveau war sehr niedrig. Wenn<br />

es in den Dörfern überhaupt Schulen gab, wurde ausschließlich in der Fremdsprache Türkisch<br />

unterrichtet. Viele haben erst in Deutschland ihre Erfahrungen mit der so genannten<br />

„<strong>moderne</strong>n Gesellschaft“ gemacht. Die Überlebenstechniken, die in den Jahrh<strong>und</strong>erten der<br />

Unterdrückung entwickelt wurden, passten nicht in die neue Umwelt. Ängste <strong>und</strong> Sorgen sind<br />

geblieben: Die Angst vor Abschiebung <strong>und</strong> die Sorge, dass Kultur <strong>und</strong> Religion, die in der<br />

Heimat unter schwersten Bedingungen bewahrt werden konnten, jetzt untergehen. Prof.<br />

Wießner hat das Problem schon früh erkannt. 1984 prägte er die Formulierung vom<br />

„tötenden Licht <strong>eine</strong>r fremden Welt“, in das die Yeziden nach ihrer Flucht in Westeuropa<br />

geraten würden (Wießner 1984). Gleichwohl sah er für sie k<strong>eine</strong> dauerhafte Überlebensmöglichkeit<br />

in Ländern wie der Türkei oder Syrien.<br />

Die Integration der Yeziden verläuft nicht immer reibungslos, sie ist aber gerade bei<br />

der zweiten Generation sehr weit fortgeschritten. Mittlerweile gibt es <strong>eine</strong> gute Zahl von<br />

Hochschulabsolventen <strong>und</strong> Personen in hoch qualifizierten Arbeitsbereichen. Yeziden fühlen<br />

sich als Bürger Deutschlands <strong>und</strong> als Mitglieder der deutschen Gesellschaft. Viele besitzen<br />

bereits die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie wollen mit ihrer Arbeit auch zum Wohl des<br />

Landes beitragen. Ihre kulturelle Eigenheit sollte als <strong>eine</strong> Bereicherung <strong>und</strong> Chance für die<br />

deutsche Gesellschaft verstanden werden. Hochkulturen entwickeln sich immer dann, wenn<br />

unterschiedliche Kulturen <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften friedlich <strong>und</strong> unter gegenseitiger<br />

Wertschätzung zusammen kommen. Seit Mitte der neunziger Jahre tragen vermehrt auch<br />

yezidische Ver<strong>eine</strong> zum Erhalt der yezidischen Religion <strong>und</strong> Kultur <strong>eine</strong>rseits sowie zur<br />

Integration in die deutsche Gesellschaft andererseits bei.<br />

Bei aller Vorsicht, die bei Differenzierungen <strong>zwischen</strong> definierbaren Gruppen angebracht ist,<br />

gibt es hinsichtlich der Integration bei den Yeziden einige Aspekte, die sich darstellen lassen,<br />

ohne damit andere zu diskriminieren. Der „Blick zurück“ oder gar der organisatorische<br />

Rückgriff auf die Türkei entfällt. Eine Rückkehr in die Türkei mit dem Ziel, dort zu leben, ist<br />

kaum möglich <strong>und</strong> nicht gewollt. Im Gegenteil: Viele haben nach den langen Asylverfahren<br />

mit bisweilen bedrohlichen Abschnitten immer noch Angst vor der Abschiebung. Da <strong>eine</strong><br />

Rückkehr für Yeziden aus politischen <strong>und</strong> religiösen Gründen bislang nahezu unmöglich

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