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eine alte religionsgemeinschaft zwischen tradition und moderne

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www.yeziden-colloquium.de<br />

werden, miterlebt, schlug vor, <strong>eine</strong> yezidische Mediatorenstelle einzusch<strong>alte</strong>n. Derartige<br />

Konflikte sollten nicht von der deutschen Polizei, sondern intern unter den Yeziden gelöst<br />

werden. Hier könnten insbesondere die yezidischen Ver<strong>eine</strong> aktiv werden. Auch andere<br />

Diskussionsteilnehmer sahen als <strong>eine</strong> wichtige Aufgabe der yezidischen Ver<strong>eine</strong>, unter<br />

Rückgriff auf die informellen Netzwerke in Deutschland die Rolle von Moderatoren zu<br />

übernehmen, um Eskalationen zu vermeiden (Halil Savucu). Aber obwohl die Arbeit der<br />

Ver<strong>eine</strong> als überaus wichtig angesehen wurde, bezweifelten einige Teilnehme- [93] rinnen,<br />

dass die yezidischen Ver<strong>eine</strong> in der Läge seien, <strong>eine</strong> solche Aufgabe <strong>und</strong> echte Integrationsfunktionen<br />

zu übernehmen (Irina Wießner). Die Ver<strong>eine</strong> sind in interne Machtkämpfe verstrickt,<br />

worüber sie den Blick für die größeren Ziele aus den Augen verlieren. Dabei<br />

könnten die Yeziden im Exil Pionierarbeit in Bezug auf das kulturelle <strong>und</strong> religiöse Erbe<br />

des Yezidentums leisten, weil sie ökonomische Voraussetzungen <strong>und</strong> Freiheiten haben,<br />

welche den irakischen, syrischen <strong>und</strong> türkischen Yeziden fehlen (Ilhan Kizilhan). Obwohl<br />

die Ver<strong>eine</strong> <strong>eine</strong> große Verantwortung tragen, darf man ihre derzeitigen Möglichkeiten nicht<br />

überschätzen. Sie sind insgesamt noch ziemlich jung <strong>und</strong> befinden sich noch im<br />

Etablierungsprozess (Telim Tolan).<br />

Zur Frage nach den Möglichkeiten der Religionsausübung <strong>und</strong> –bewahrung im Exil gab<br />

es unterschiedliche Meinungen. Ein yezidischer Teilnehmer vertrat die Meinung, dass das<br />

Überleben der yezidischen Gemeinschaft bis heute nur dadurch garantiert werden konnte,<br />

dass sie ihre Traditionen gelebt <strong>und</strong> sich nicht integriert hätte. Hier in Deutschland bestünde<br />

die Gefahr, durch Verwestlichung die eigene Identität zu verlieren. Dagegen stand die Auffassung,<br />

dass Veränderungen ein normaler Prozess im Kulturwandel sind <strong>und</strong> Integration<br />

k<strong>eine</strong> Bedrohung, sondern <strong>eine</strong> Chance sei (Andreas Ackermann). Integration <strong>und</strong><br />

Integrationspolitik sind allerdings komplexe Bereiche. Niemand gehe davon aus, dass <strong>eine</strong><br />

absolute Assimilation sinnvoll <strong>und</strong> erstrebenswert ist. Wie die Debatte um die Leitkultur<br />

gezeigt hat, ist die deutsche Gesellschaft <strong>eine</strong> pluralistische Gesellschaft, offen für sehr<br />

unterschiedliche Formen (Ilhan Kizilhan). Integration ist ein gegenseitiger Prozess. Die<br />

yezidische Gemeinschaft muss sich den Anforderungen der Moderne stellen. Viele Yeziden<br />

fürchten sich vor Integration, aber Integration bedeute nicht Assimilation, sondern Gleichberechtigung<br />

(Halil Savucu). Die Mehrheitsgesellschaft dürfe die Yeziden nicht<br />

missionieren. Das von den yezidischen Mitbürgern mitgebrachte kulturelle Erbe muss bewahrt<br />

werden. Es stellt <strong>eine</strong> Bereicherung dar. Aber auch bei den Yeziden muss die Bereitschaft<br />

vorhanden sein, sich in der neuen Heimat auf Neues <strong>und</strong> Fremdes einzulassen. Die<br />

ausländischen Mitbürger sind im Gegenzug gefordert Deutsch zu lernen (Sigrid Maier-<br />

Knapp-Herbst).<br />

Eine zentrale Frage der Diskussion war, ob das Yezidentum in s<strong>eine</strong>r bisherigen Form<br />

hier in Deutschland überlebensfähig sei. Viele Diskussi- [94] onsteilnehmer plädierten für<br />

<strong>eine</strong> „Reform“ von Religion <strong>und</strong> Gesellschaft der Yeziden. Ein yezidischer Teilnehmer gab<br />

zu bedenken, dass die Möglichkeiten <strong>und</strong> Bedingungen, die yezidischen Riten <strong>und</strong><br />

Traditionen zu pflegen, für in der Heimat Lebende <strong>und</strong> Exilanten sehr unterschiedlich seien.<br />

Er sah die Schlüsselrolle für den Fortbestand der Religion bei den in der Heimat ansässigen<br />

Yeziden. Nur die Yeziden, die in den Heimatdörfern leben, könnten die yezidischen Riten<br />

ausüben, weil nur dort die Nähe zu Lalesh, dem heiligen Tal der Yeziden, gegeben sei.<br />

Andere bestritten das. Zwischen den Yeziden in ihren Heimatregionen <strong>und</strong> im Exil gibt es<br />

heutzutage k<strong>eine</strong> „totale“ Kluft mehr. Die irakischen Yeziden <strong>und</strong> die im Irak lebenden<br />

Würdenträger, Mir Tahsin Beg insbesondere, haben <strong>eine</strong> deutliche Vorstellung davon, wie<br />

Yeziden in Deutschland leben <strong>und</strong> welche Möglichkeiten der Religionsausübung gegeben<br />

sind (Philip Kreyenbroek). Die yezidische Religion benötige zur Anpassung an die Moderne<br />

<strong>eine</strong> Transformation, da sie zu sehr orientalischen Traditionen verhaftet sei (Mamou<br />

Othman). Die yezidische Gemeinschaft brauche hier in Deutschland <strong>eine</strong>n Rat zur Wiederbelebung<br />

<strong>und</strong> zur Neuinterpretation yezidischer Traditionen <strong>und</strong> Kultur, forderten die<br />

Einen, die Anderen sahen in dem „Religionsrat“ (Jivata Ruhani) in Lalesh die Institution,

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