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eine alte religionsgemeinschaft zwischen tradition und moderne

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www.yeziden-colloquium.de<br />

bewahrung aus. Auf der <strong>eine</strong>n Seite wird derjenige, der Abstriche an s<strong>eine</strong>n <strong>alte</strong>n Riten <strong>und</strong><br />

Regeln machen muss, Schwierigkeiten haben, sich in der neuen religiösen Heimat wohl zu<br />

fühlen. Diese neue Heimat kann aber auf der anderen Seite für die nachfolgenden<br />

Generationen <strong>eine</strong> echte Überlebenschance bedeuten. Erneuerungen, Reformen <strong>und</strong> Veränderungen<br />

müssen nicht in jedem Falle als negativ oder problematisch erlebt werden. Es<br />

ist auch denkbar, dass die zunehmende Kosmopolitisierung, die Migration <strong>und</strong> die Bekanntschaft<br />

mit anderen Kulturen als Gewinn empf<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong> den Prozess der Erneuerung<br />

erleichtern.<br />

Wesentlich für <strong>eine</strong> Neuorientierung ist die geistige Auseinandersetzung mit der<br />

kollektiven Kultur <strong>und</strong> damit auch mit der Religion. Solidarität <strong>und</strong> gegenseitige Unterstützung<br />

unter den Yeziden ist ein wichtiger Bestandteil zukünftiger Lebensgestaltung. Nur<br />

durch Solidarität <strong>und</strong> Unterstützung kann das in der yezidischen Gemeinschaft verwurzelte<br />

Trauma der Machtlosigkeit gegenüber Willkür <strong>und</strong> Ungerechtigkeit aufgearbeitet <strong>und</strong> in<br />

Bahnen gelenkt werden, die fruchtbar für die Gemeinde sind. Hier sind verantwortungsvolle<br />

yezidische <strong>und</strong> nicht-yezidische Organisationen aufgefordert, sich mit noch mehr Mut <strong>und</strong><br />

Einsatz um die Yeziden zu kümmern. Eine echte Umorientierung <strong>und</strong> Gestaltung inhaltlicher<br />

Art kann aber nur von den Yeziden selbst geleistet werden. Neben ihren religiösen<br />

Riten <strong>und</strong> Verh<strong>alte</strong>nsvorschriften benötigen die Yeziden gleichzeitig <strong>eine</strong> kollektive Idee<br />

innerhalb <strong>eine</strong>r intakten Sozialstruktur, die ihnen die Möglichkeit <strong>und</strong> die Chance gibt, für<br />

sich <strong>und</strong> für die Gesellschaft wieder Perspektiven zu entwickeln, für die es sich zu arbeiten<br />

<strong>und</strong> zu kämpfen lohnt.<br />

Es wäre wünschenswert, die Herausforderung <strong>eine</strong>r gleichsam „kulturbewahrenden“<br />

Weiterentwicklung der yezidischen Gesellschaft auf <strong>eine</strong> breite soziale Basis stellen zu<br />

können. Sich nicht mit diesem brisanten Thema zu beschäftigen bedeutet, bewusst oder<br />

auch unbewusst, das Dahinschmelzen der yezidischen Gesellschaft zu akzeptieren. Die Beschäftigung<br />

mit diesem Thema ist bekanntermaßen schmerzhaft <strong>und</strong> ruft Unsicherheit,<br />

Frustration <strong>und</strong> Angst hervor. Dennoch sollte sich jeder der Problematik [85] bewusste <strong>und</strong><br />

aufrechte Yezide k<strong>eine</strong> erneute Verdrängung als „Lösungsmöglichkeit“ aussuchen. Die<br />

yezidische Gemeinschaft hat bereits begonnen sich zu verändern. Jetzt geht es darum, ob die<br />

Yeziden noch die Kraft haben, diese Veränderung zu beeinflussen <strong>und</strong> sie in Bahnen zu<br />

lenken, die sie aktiv mitbestimmen. Nur im verarbeitenden Durchdringen des Geschehens<br />

kann das innere <strong>und</strong> äußere Gleichgewicht wieder hergestellt <strong>und</strong> die kollektive Identität<br />

dem jetzigen Zeit<strong>alte</strong>r entsprechend wiedergewonnen werden. Die Bewältigung der<br />

Geschichte <strong>und</strong> <strong>alte</strong>r Vorschriften ist die Eröffnung neuer Zukunftsperspektiven, die den<br />

Menschen wieder Hoffnung geben kann. Eine einzelne Gruppe oder Kaste bei den Yeziden<br />

kann das nicht allein leisten, aber alle Gruppen zusammen können es, wenn sie sich so zusammenschließen,<br />

dass die Autonomie jeder einzelnen Gruppe gewahrt bleibt.<br />

5 Mögliche Strategien der Yeziden im Migrationsland<br />

Aus der angerissenen Thematik möchte ich einige Punkte ableiten, die ich für wichtig<br />

h<strong>alte</strong>, damit die Yeziden zu <strong>eine</strong>m integrierten Teil der Residenzgesellschaft werden <strong>und</strong><br />

gleichzeitig ihre kollektive Identität <strong>und</strong> Erinnerungen bewahren <strong>und</strong> weiterentwickeln<br />

können. Zunächst einmal Punkte mit allgem<strong>eine</strong>rem Charakter, die auch für andere<br />

Migrantengruppen gelten:<br />

- Auf gesellschaftlicher Ebene die Übernahme beruflicher <strong>und</strong> gesellschaftlicher<br />

Positionen <strong>und</strong> Rollen in der Aufnahmegesellschaft (Arbeitnehmer, Schüler/Student,<br />

Vereinsmitglied u. ä. m.).<br />

- Auf rechtlicher Ebene die Akzeptanz der Rechtsordnung der Aufnahmegesellschaft.<br />

Zur Wahrung s<strong>eine</strong>r Rechte muss sich der Migrant der Normen <strong>und</strong> Wege des Rechtsstaats<br />

bedienen. Die rechtliche Integration, d. h. die Akzeptanz der Rechtsordnung, hat<br />

auch <strong>eine</strong> große Bedeutung für die Erhaltung des sozialen Friedens, z. B. im Konflikt

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