DAS HANDWERK-Magazin - hier - Weser Kurier
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4<br />
Aktuelles aus dem Handwerk<br />
Ausländische Abschlüsse: Jeden Fall individuell betrachten<br />
Interview mit Metin Harmanci von der Handwerkskammer Bremen<br />
Deutschland ist ein Einwanderungsland,<br />
in das auch Handwerker<br />
aus anderen Nationen<br />
kommen. Nicht immer ist deren<br />
Ausbildung mit dem deutschen<br />
Standard und Inhalt vergleichbar.<br />
In solchen Fällen<br />
stehen mitunter weitere Prüfungen<br />
an. Dazu sprach Bianca<br />
Kläner mit Metin Harmanci<br />
vom Referat Bildungspolitik<br />
und Ausbildungsberatung der<br />
Handwerkskammer.<br />
Herr Harmanci, werden innerhalb<br />
der Europäischen Union<br />
(EU) generell Berufsabschlüsse<br />
im Handwerk in anderen EU-<br />
Mitgliedsländern anerkannt<br />
oder gibt es dabei Schwierigkeiten<br />
Metin Harmanci: „Bereits in<br />
den späten 1970er Jahren hatten<br />
die damaligen EWG-Staaten<br />
Richtlinien für die gegenseitige<br />
Anerkennung einzelner Berufe erlassen,<br />
damals noch beschränkt<br />
auf den medizinischen und technischen<br />
Bereich: Ärzte , Architekten,<br />
Ingenieure. Aktuell ist es so,<br />
dass die EU-Staaten seit Start des<br />
Bologna-Prozesses 1999 ihre Bemühungen<br />
zur Vereinheitlichung<br />
der Ausbildungssysteme in den<br />
Staaten der Europäischen Union<br />
Metin Harmanci von der Handwerkskammer<br />
Bremen. BILD: FR<br />
immer weiter fortentwickelt haben.<br />
Heute kann jeder Bürger der<br />
in einem anderen EU-Mitgliedstaat<br />
arbeiten möchte, einen Antrag<br />
auf eine Gleichwertigkeitsfeststellung<br />
seines Berufsabschlusses<br />
stellen. Dabei sind alle<br />
Berufe im Fokus: Handel, Handwerk<br />
und Freie Berufe. Maßstab<br />
für eine Vergleichbarkeit sind die<br />
jeweiligen Anforderungen der<br />
entsprechenden Berufsqualifikation<br />
des Ziellandes, zum Beispiel<br />
dass eine absolvierte Ausbildung<br />
zum Tischler nicht wesentlich anders<br />
verläuft als in Deutschland.<br />
Werden hingegen Unterschiede<br />
bezüglich der Inhalte oder der<br />
Dauer festgestellt, können sogenannte<br />
Ausgleichmaßnahmen<br />
wie ein Eignungstest oder ein Anpassungslehrgang<br />
herangezogen<br />
werden.“<br />
Gibt es Länder, aus denen ausgebildete<br />
Handwerker angesichts<br />
vergleichbarer Abschlüsse<br />
besonders unproblematisch<br />
nach Deutschland wechseln<br />
können<br />
„Zunächst gilt grundsätzlich,<br />
dass jeder Fall immer individuell<br />
zu betrachten ist, da neben den<br />
Qualifizierungsnachweisen auch<br />
die vorhandene Berufserfahrung<br />
in die Gesamtbetrachtung und<br />
Beurteilung miteinfließen. Es gibt<br />
aber andere EU-Länder wie zum<br />
Beispiel Österreich und die Niederlande,<br />
die bereits über viele<br />
Jahre hinweg über ein vergleichbares<br />
duales Berufsbildungssystem<br />
wie in Deutschland verfügen.<br />
Zwischen diesen Ländern findet<br />
auf dem Arbeitsmarkt bereits seit<br />
Jahren ein reger Austausch statt,<br />
da die Diplome und Abschlüsse<br />
gut vergleichbar sind.“<br />
Von welchen Ländern unterscheidet<br />
sich Deutschland,<br />
Ausländische Berufsabschlüsse werden in Deutschland nicht unbedingt anerkannt.<br />
was Inhalt und Anspruch der<br />
Handwerksausbildung angeht<br />
„Innerhalb der EU sind vor allem<br />
die südlichen Länder zu nennen,<br />
wie Spanien, Griechenland<br />
und Italien, in denen die Berufsausbildung<br />
im Handwerk hauptsächlich<br />
schulisch in Bildungszentren<br />
durchgeführt wird. Die praktischen<br />
Anteile werden dort zwar<br />
sukzessive erhöht, aber diese finden<br />
fast ausschließlich in Werkstätten<br />
der Bildungszentren statt.<br />
Hier geht man vermehrt dazu<br />
über betriebliche Praktika in eher<br />
größeren Unternehmen mit in<br />
den Lehrplan aufzunehmen. Von<br />
einer klassischen dualen Ausbildung<br />
kann trotz der Veränderungen<br />
noch nicht gesprochen werden.<br />
Dieses soll in einigen Ländern<br />
anders werden: Hervorzuheben<br />
ist dabei die Initiative von<br />
sechs EU-Ländern – Deutschland,<br />
Spanien, Griechenland, Portugal,<br />
Italien, die Slowakei und Lettland<br />
- die sich darauf verständigt haben,<br />
konkrete Maßnahmen zur<br />
Einführung des deutschen Berufsbildungssystems<br />
durchzuführen.<br />
Ziel ist es, dass 80 Prozent aller<br />
jungen Menschen in der EU 2020<br />
Arbeit haben sollen.“<br />
Angenommen, eine im Ausland<br />
absolvierte Handwerksausbildung<br />
kann in Deutschland<br />
nicht anerkannt werden:<br />
Müsste in diesem Fall der<br />
Handwerker die Ausbildung in<br />
Deutschland komplett wiederholen,<br />
um <strong>hier</strong>zulande in seinem<br />
Beruf arbeiten zu können<br />
„Auch <strong>hier</strong> gilt es die vorhandenen<br />
Nachweise genau zu prüfen<br />
und eine Vergleichbarkeit herzustellen.<br />
Falls eine komplette Anerkennung<br />
nicht möglich sein sollte,<br />
dann wäre zu klären, inwieweit eineTeilanerkennung<br />
des Berufsabschlusses<br />
möglich ist. Um die vorhandenen<br />
Lücken zu schließen,<br />
gibt es verschiedene Formen von<br />
Anpassungsqualifizierungen, die<br />
man gestuft wie folgt wiedergeben<br />
könnte.<br />
Geringe Lücken: Empfehlung<br />
für ein Praktikum – sechs Monate<br />
–, um den praktischen Nachweis<br />
in einem Betrieb nachzuweisen.<br />
Das Praktikumszeugnis sollte<br />
BILD: DPA<br />
qualifiziert geschrieben sein, damit<br />
im weiteren Verlauf des Anerkennungsverfahrens,<br />
das neu erworbene<br />
beziehungsweise verstetigte<br />
Wissen dokumentiert<br />
werden kann. Mittlere Lücken:<br />
Empfehlung einer Fachpraktischen<br />
Prüfung – ein Tag – mit einem<br />
kleineren Anteil an Theorie.<br />
Diese Prüfungen sollten von Bildungszentren<br />
durchgeführt werden,<br />
mit denen die Handwerkskammern<br />
zusammen arbeiten.<br />
Größere Lücken: Empfehlung an<br />
einem fachspezifischen Lehrgang<br />
teilzunehmen – zum Beispiel<br />
sechs Monate – zur Vorbereitung<br />
auf die Externenprüfung. Diese<br />
Lehrgänge sollten für Antragsteller<br />
gelten, bei denen ersichtlich<br />
ist, dass das Wissen und die Praxis<br />
zumTeil zu lange zurückliegen.<br />
Die Externenprüfung ist gleichgesetzt<br />
mit der Gesellenprüfung.<br />
Noch größere Lücken: Eine weitere<br />
Form könnte schließlich die<br />
Teilnahme an einer Umschulung<br />
sein, in dem der Antragsteller in<br />
der Regel in zwei Jahren eine<br />
Ausbildung im Handwerk ‚nachholt‘.“<br />
Vom Ausbessern und Wiederverwenden<br />
Aus Alt mach Neu ist ein bei Verbrauchern beliebtes Motto, das auch im Handwerk präsent ist<br />
Retro und Recycling – nur zwei<br />
von vielen Modeausdrücken<br />
für ein Phänomen, das es seit<br />
geraumer Zeit gibt: Wegwerfen<br />
war gestern, heute wird wiederverwertet<br />
und -verwendet.<br />
Der Trend macht sich auch im<br />
Handwerk bemerkbar.<br />
Aus alt mach neu – nach dem<br />
Motto kommen heutzutage auch<br />
viele junge Kunden zu den Raumausstattern.<br />
Ein betagter Sessel<br />
oder ein beschädigtes Sofa aus<br />
Uromas Zeiten kann in neuem<br />
Glanz erstrahlen, indem man das<br />
gute Stück reparieren, polstern<br />
und neu beziehen lässt. Stilbewusste<br />
mit einem Herz für individuelle<br />
alte Stücke ziehen diese Variante,<br />
die Wohnung zu möblieren,<br />
meist einem Neukauf vor.<br />
Auch Schmuck kann man neues<br />
Leben einhauchen: Der Hamburger<br />
Goldschmied Thomas Becker,<br />
der aus „ökofairem“ Recycling-<br />
Gold und -Silber Schmuckstücke<br />
kreiert, hat in diesem Jahr den<br />
Corportat-Social-Responsibility-<br />
Preis der Bundesregierung erhalten.<br />
Man kann aber auch Bauteile<br />
wiederverwenden. Wenn jemand<br />
einen Altbau kauft und ihn sanieren<br />
möchte, muss es dafür nicht<br />
immer eine neue Tür, ein unbenutztes<br />
Waschbecken oder ein<br />
Treppengeländer frisch aus der<br />
Fabrik sein. In Bremen gibt es die<br />
Bauteilbörse (www.bauteilboerse-bremen.de),<br />
in der Bauherren<br />
und Handwerker gebrauchte Elemente<br />
zu erschwinglichen Preisen<br />
finden.<br />
Indem man solche Bauteile vom<br />
Handwerksprofi in sein Eigenheim<br />
einsetzen lässt, leistet man<br />
einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.<br />
Ob Zarge, Fliese oder Badewanne<br />
– alle möglichen Teile warten in<br />
der Börse darauf, günstig erstanden<br />
und eingebaut zu werden.<br />
Beliebt ist das Angebot unter anderem<br />
bei Eigenheimbesitzern,<br />
die Wert auf stilechte Bauelemente<br />
aus der Epoche des Baujahres<br />
legen. Laut der aktuellen bundesweiten<br />
Imagekampagne „Das<br />
Handwerk – die Wirtschaftsmacht<br />
von nebenan“ engagiert sich das<br />
deutsche Handwerk sehr in Sachen<br />
Nachhaltigkeit. Als Beispiele<br />
nennt die Initiative eine Firma, die<br />
belastbare Bodenbeläge aus Recyclingglas<br />
herstellt, ein Unternehmen,<br />
das aus Altpapier<br />
Dämmstoff für Gebäude produziert<br />
und eine Wasseraufbereitungsfirma,<br />
die Abwässer klärt,<br />
ohne dafür Energie zu verbrauchen.<br />
BK<br />
Verbundsteine aus wiederverwerteten<br />
Materialien. FOTO: DPA