JAHRESBERICHT 2009 - NGD - Gruppe Norddeutsche Gesellschaft ...
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Renate Gamp<br />
Jg. 1947, Dipl. Psychologin<br />
mit Renate Gamp,<br />
Geschäftsführung Bereich Altenhilfe,<br />
Wohnen, Sozialpsychiatrie, Suchthilfe<br />
Wl Welches Thema stand in Ihrem Bereich <strong>2009</strong> im Mittelpunkt?<br />
Ein wichtiges Thema, das uns begleitet, ist die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention<br />
der Vereinten Nationen. Diese fordert die konsequente Inklusion für Menschen mit<br />
Behinderungen. Verkürzt bedeutet dies: Die <strong>Gesellschaft</strong> muss sich auf die Bedarfe der<br />
Klientinnen und Klienten einstellen – statt wie zuvor umgekehrt. Kein Mensch darf aufgrund<br />
seiner Behinderungen benachteiligt werden. Es wird also wesentlich individueller<br />
geschaut als früher und mehr Verantwortung aus dem Umfeld eingefordert – und das ist<br />
auch gut so. Für uns wie für die <strong>Gesellschaft</strong> insgesamt ergeben sich daraus vielfältige<br />
Konsequenzen.<br />
Welche Veränderungen sind notwendig?<br />
Das Interview<br />
In der Praxis müssen Abläufe und Haltungen immer wieder überprüft werden, nicht zuletzt<br />
muss die Organisation angepasst werden. Das geht los mit der Feststellung der Bedarfe –<br />
nach welcher Methode sollen diese ermittelt werden? Wer also erhebt wie, was ein Mensch<br />
braucht, um am Alltagsleben optimal teilhaben zu können? Wie sieht eine für ihn oder sie<br />
jeweils individuell passende Hilfestellung aus?<br />
Im zweiten Schritt ist zu klären, wer welche Bedarfe zahlt. Leider arbeitet das System<br />
der Sozialgesetzgebung, Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialhilfe faktisch nicht ausreichend<br />
zusammen, es wird entsprechend zu kleinteilig gedacht und vorgegangen. Ich<br />
kämpfe dafür, dass bei der Refinanzierung konsequent vom Hilfebedarf des einzelnen<br />
Menschen ausgegangen und entsprechend entschieden wird.<br />
Wie funktioniert so eine individuelle Bedarfserhebung bei Ihren Klientinnen und Klienten?<br />
In einem Gespräch formuliert etwa ein kognitiv eingeschränkter Mensch, dass er lernen<br />
möchte, einkaufen zu gehen. Das ist dann unser Auftrag – wir stellen gemeinsam fest,<br />
ob er mit Geld umgehen kann und wo es einen Kaufmann in der Nähe gibt, dessen<br />
Angebot für diesen gehandicapten Menschen ausreichend überschaubar ist. Auf Basis<br />
der von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten „Internationalen Klassifikation<br />
der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (ICF = länder- und fachübergrei -<br />
fende einheitliche Sprache zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes,<br />
der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der relevanten Umgebungsfaktoren<br />
einer Person) entwickeln wir Grundlagen, um die Bedarfe zusammen mit den Leistungsträgern<br />
in Form einer Maßnahme umzusetzen.<br />
Nicht jeder Ihrer Klientinnen und Klienten dürfte in der Lage sein, Bedürfnisse<br />
klar zu artikulieren?<br />
Das stimmt – auch darauf müssen wir uns im Zusammenhang mit der ICF individuell<br />
einstellen. So haben wir für Nichtleser beispielsweise Formulare entwickelt, die mit<br />
Piktogrammen statt mit Text funktionieren. Um Schwerstbehinderte zu verstehen, sind<br />
wir auf die „Übersetzung“ der Angehörigen und Betreuer angewiesen, die Mimik oder<br />
Laute richtig interpretieren können.<br />
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