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WIRTSCHAFT+ MARKT

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24 | W+M SERIE<br />

MEHR ALS NUR BRAUNKOHLE<br />

Die Planspiele der Bundesregierung, ältere Kohlekraftwerke mit einer<br />

Klimaschutzabgabe zu belegen, sorgen für Entrüstung im Lausitzer<br />

Revier. Denn noch hängen in Brandenburg rund 10.000 Arbeitsplätze<br />

an der Braunkohle. Doch längst profiliert sich das Land auch jenseits<br />

der Kohle als Energiestandort. Von Matthias Salm<br />

Es herrscht gleich doppelt Unruhe in<br />

der Lausitz: Zunächst verunsicherte<br />

der schwedische Energiekonzern<br />

Vattenfall Ende letzten Jahres seine Beschäftigten<br />

in Brandenburg – es sind rund<br />

5.500 – mit Erwägungen, seine deutsche<br />

Braunkohlesparte zu verkaufen. Dann<br />

nahm die Bundesregierung ältere Kohlekraftwerke<br />

als letzte Reserve im Kampf<br />

für einen besseren Klimaschutz ins Visier.<br />

Eine Klimaabgabe für über 20 Jahre<br />

alte Kohlekraftwerke soll demnach fällig<br />

werden, wenn diese bei ihren Emissionen<br />

ein bestimmtes Kohlendioxid-Limit<br />

überschreiten.<br />

Garantieren die Tagebaue doch vor allem<br />

auch eins: Arbeitsplätze. Laut Potsdamer<br />

Wirtschaftsministerium zählt die Braunkohleindustrie<br />

im Jahr 2015 9.270 direkt<br />

und indirekt Beschäftigte. Für das Jahr<br />

2025 werden gar 10.360 Beschäftigte<br />

prognostiziert – die Erschließung weiterer<br />

Tagebaue in der Region steht schließlich<br />

nach wie vor auf der Tagesordnung. Dass<br />

die Pläne, Kohlekraftwerke wie Jänschwalde<br />

oder Schwarze Pumpe mit zusätzlichen<br />

Abgaben zu belasten, nun überprüft werden,<br />

dürfte die aufgebrachte Stimmung<br />

nur kurzzeitig besänftigen.<br />

Gegen das Festhalten des Landes am fossilen<br />

Energieträger Braunkohle bringen<br />

sich regelmäßig Kritiker in Stellung. Brandenburgs<br />

Wirtschaftsminister Albrecht<br />

Gerber hielt deshalb jüngst bei einem Besuch<br />

des Vattenfall-Konzerns in Cottbus<br />

dagegen: „Brandenburg lebt die Energiewende<br />

seit Jahren.“ Für diese Feststellung<br />

hat Gerber gute Argumente. So ist<br />

das Land bei der Nutzung der Windenergie<br />

bereits an die zweite Stelle unter den<br />

Bundesländern vorgerückt. Nur Niedersachsen<br />

wies 2014 laut einer Erhebung<br />

im Auftrag des Bundesverbands Windenergie<br />

eine höhere installierte Gesamtleistung<br />

auf.<br />

Auch bei der Entwicklung von Speichertechnologien<br />

sieht sich das Land in einer<br />

Vorreiterrolle: So betreibt die Enertrag AG<br />

in Prenzlau das weltweit erste Wasserstoff-Wind-Biogas-Hybridkraftwerk.<br />

Es<br />

soll beweisen, dass auch mit Windenergie<br />

eine sichere Energieversorgung möglich<br />

ist. Überschüssiger Windstrom dient dabei<br />

zur Gewinnung von Wasserstoff. Dieser<br />

wird verdichtet und in Drucktanks gespeichert.<br />

In windschwachen Zeiten oder bei<br />

erhöhtem Strombedarf greift das Hybridkraftwerk<br />

dann auf diese Energiespeicher<br />

zurück. Auch in der E.ON-Power-to-Gas-<br />

Pilotanlage in Falkenhagen wird mittels<br />

Elektrolyse regenerativ erzeugter Strom<br />

in Wasserstoff umgewandelt und dann in<br />

das Ferngasnetz eingespeist.<br />

Einen Wechsel auf die Energiezukunft verspricht<br />

auch Deutschlands größter Batteriespeicher<br />

im energieautarken Vorzeigedorf<br />

Feldheim im Südwesten Brandenburgs.<br />

Dort kann sekundenschnell Energie<br />

aus dem Stromnetz entnommen und<br />

wieder eingespeist werden – ein wichtiger<br />

Beitrag zur Netzstabilität. Weitere EU-geförderte<br />

Batterieprojekte in Alt Daber bei<br />

Wittstock und in Neuhardenberg – dort in<br />

unmittelbarer Nähe des Solarparks Neuhardenberg,<br />

einer der größten Photovoltaik-<br />

Freiflächenanlagen Deutschlands – schärfen<br />

Brandenburgs Profil als Energieland.<br />

Das weltweit erste Wasserstoff-Wind-Biogas-Hybridkraftwerk steht in Prenzlau.<br />

Viele dieser Projekte werden forschend<br />

begleitet. Am Lehrstuhl Kraftwerkstechnik<br />

der BTU Cottbus etwa werden vielfältige<br />

Energiethemen in Lehre und Forschung<br />

bearbeitet – beispielsweise in<br />

Form von Spitzentechnologieforschung<br />

für kohlebasierte Kraftwerke oder von<br />

Forschungen zur Steigerung der Wasserstoffausbeute<br />

von Hybridkraftwerken.<br />

Dabei setzt die Cottbuser Hochschule auf<br />

enge Kooperationen mit der Energiewirtschaft.<br />

Allein vom Strom-Giganten Vattenfall<br />

fließt hier rund eine Million Euro<br />

für Forschungsaufträge im Kraftwerksund<br />

Energiebereich.<br />

W+M<br />

Foto: ENERTRAG AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+</strong><strong>MARKT</strong> | 4/2015

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