WIRTSCHAFT+ MARKT
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46 | W+M TITEL<br />
Der Generationenwechsel im Osten<br />
GEFAHREN UND CHANCEN VON<br />
UNTERNEHMENSNACHFOLGEN<br />
Das Erfolgsrezept von Familienunternehmen<br />
ist die enge Verbindung der<br />
Familie mit ihrem Unternehmen:<br />
Hohe Loyalität, höchstes Engagement,<br />
Vertrauen, Rückhalt und Beharrlichkeit<br />
sorgen für ein schlagkräftiges Potenzial.<br />
Andererseits sind immerfort verschiedene<br />
Logiken mit je eigener Kommunikation<br />
und Dynamik zu verknüpfen und zu managen.<br />
Die Emotionalität der Familie trifft<br />
auf die Rationalität der Abläufe im Unternehmen.<br />
Diese Grenzen und die verschiedenen<br />
Rollen sind den Beteiligten nur selten<br />
bewusst. Spätestens bei der Nachfolge<br />
zeigt sich, ob und wie die Familie sich<br />
ihren Herausforderungen stellt. Es passiert<br />
nicht selten, dass das Thema Nachfolge<br />
über Jahre ignoriert wird, um es dann mit<br />
Aktionismus und heftigen Debatten innerhalb<br />
kurzer Zeit hinter sich bringen zu<br />
wollen. Die Folgen des Vermeidens und<br />
der Unklarheit bringen Familien-Unternehmen<br />
viel häufiger in eine Schieflage als der<br />
Markt. Die Ansicht „Wir sind eine Familie.<br />
Wir kriegen das schon hin.“ erweist sich<br />
dabei leider meist als Trugschluss.<br />
Vor einer besonderen Herausforderung<br />
stehen viele Unternehmerfamilien in den<br />
neuen Bundesländern. Die meisten haben<br />
nach der Wende im Alter von 40 bis<br />
50 Jahren noch einmal von null begonnen.<br />
Lange Zeit war ihre Freiheit eingeschränkt<br />
– Anfang der 1990er Jahre konnten<br />
sie diese endlich leben. Sie brachten<br />
mit ihren Visionen und ihrer Willensstärke<br />
die Wirtschaft im Osten zum Brummen.<br />
Die Gründer waren und sind Macher, die<br />
sich heute nicht einfach auf das Nebengleis<br />
rangieren lassen. Wer mit Ende 40<br />
gründet, denkt mit 60 ganz sicher nicht<br />
an den Ruhestand, an das eigene Alter<br />
und Bilanz ziehen. Die meisten Übergeber<br />
sehen in ihrem Rückzug aus dem Unternehmen<br />
einzig einen schmerzlichen<br />
Verlust ihres Lebenswerks und meist<br />
auch des Lebenssinns.<br />
Ist es den Familien bis jetzt noch nicht<br />
gelungen, im Innern auszumisten, Rollen<br />
und Beziehungen zu klären sowie eine<br />
klare und transparente Familienstrategie<br />
zu entwickeln, wird der Nachfolgeprozess<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu<br />
einem zähen Vorgang, der zu Blockaden<br />
und Stillstand führen kann.<br />
ZUR PERSON<br />
Katrin Ziebart arbeitet seit 20 Jahren<br />
als Geschäftsführerin und Teilhaberin in<br />
der elterlichen Firma bei Dresden. Als<br />
Coach und Beraterin unterstützt sie Familienunternehmen<br />
und Unternehmerfamilien<br />
darin, inmitten familiärer Beziehungen<br />
und Rollen souverän, gelassen<br />
und selbstbestimmt zu handeln.<br />
Ein Nachfolger erzählte mir, dass sein Vater<br />
und er sich im Dauerkonflikt befanden:<br />
„Ich hatte meine fertige Kündigung<br />
im Schreibtisch liegen.“ Unterschiedliche<br />
Denkweisen und Führungsstile prallten<br />
aufeinander. Irgendwann formulierte der<br />
Junior ein deutliches „Entweder, oder“.<br />
Das führte zwar zum Rückzug des Seniors,<br />
brachte allerdings die Vater-Sohn-<br />
Beziehung arg ins Wanken. Eine andere<br />
Nachfolgerin machte die Erfahrung, dass<br />
Gespräche, in denen die Familie „nüchtern“<br />
miteinander verhandeln wollte, regelmäßig<br />
eskalierten. Statt Klarheit kochten<br />
die Emotionen hoch. Das Fazit beider:<br />
Offenheit, Transparenz, die Klärung<br />
von Verantwortlichkeiten und ein genauer<br />
Zeitplan sind von Beginn an unerlässlich.<br />
Viele Unternehmerfamilien unterliegen<br />
dem Irrglauben, die Nachfolge sei ein<br />
rein sachlicher Prozess, welcher sich<br />
mit Hilfe bewährter Vertrauter – Steuerberater<br />
und Anwalt – ohne Tiefgang und<br />
Wachstumsschmerzen abhandeln lasse.<br />
Zu gern wird ausgeblendet, dass es in<br />
erster Linie um Menschen geht. Diese<br />
und ihr Verhalten sind weder mit Modellen<br />
planbar, noch können sie mit Paragrafen<br />
in die gewünschte Richtung bewegt<br />
werden. Ein gemeinsames Unternehmen<br />
und Eigentum als Familie schafft vor allem<br />
emotionale Verwicklungen, die sich<br />
enorm verschärfen, wenn sie unter den<br />
Tisch gekehrt werden.<br />
Unternehmensnachfolgen sind ein komplexer<br />
Prozess und beginnen weit vor der<br />
Klärung der Eigentumsverhältnisse und<br />
steuerrechtlichen Fragen. Die Bedeutung<br />
von Erfahrungen, Beziehungen, Rollen,<br />
Werten und Zukunftsplänen wird nicht<br />
in irgendeinem Vertrag geschaffen, sondern<br />
nur im kontinuierlichen Dialog innerhalb<br />
der Familie und zwischen den vom<br />
Prozess betroffenen Menschen. Die<br />
rechtzeitige Information der Mitarbeiter<br />
zählt für mich ebenfalls zur Basis einer<br />
gelungenen Nachfolge. In einer sorgfältig<br />
koordinierten Kommunikation liegt eine<br />
enorme Chance, als Übergeber würdevoll<br />
den Staffelstab zu überreichen sowie als<br />
Nachfolger eine breite Akzeptanz bei Mitarbeitern<br />
und Geschäftspartnern zu finden.<br />
Jeder Nachfolgeprozess ist ein idealer<br />
Ausganspunkt, um die Struktur sowie<br />
die Strategie der kommenden Jahre auf<br />
den Prüfstand zu stellen. Um langfristig<br />
als Familie und Unternehmen zu wachsen<br />
– und zu gewinnen.<br />
Katrin Ziebart<br />
Foto: privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+</strong><strong>MARKT</strong> | 4/2015