WIRTSCHAFT+ MARKT
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44 | W+M TITEL UNTERNEHMENSNACHFOLGE<br />
EXTERNE NACHFOLGER<br />
SELBST AUFGEBAUT<br />
Als Wolfgang Dünnbier aus dem sächsischen Großschönau seinen<br />
Ruhestand vorbereitete, wählte er für die Nachfolge in seinem<br />
Natursteinrestaurierungsbetrieb eine gewagt scheinende interne<br />
Lösung: Er übertrug zwei jungen Mitarbeitern die Leitung der neu<br />
gegründeten Dünnbier Steinmetz- und Restaurierungsgesellschaft<br />
mbH. André Kanzog und Thomas Riedel zögerten lange, bissen sich<br />
aber bald durch. Und der bisherige Chef zog sich vom ersten Tag aus<br />
dem Tagesgeschäft zurück. Von Harald Lachmann<br />
Als Wolfgang Dünnbier 1999 das<br />
100-jährige Jubiläum seiner Firma<br />
plante, war ihm nicht wirklich nach<br />
Feiern zumute. Denn Ullrich, sein Sohn, der<br />
den Betrieb übernehmen sollte, war wenige<br />
Jahre zuvor dem Krebs erlegen. Nachdem<br />
er 1990 in die väterliche Firma eingetreten<br />
war, trug Ullrich maßgeblich Anteil an der<br />
Profilierung des Unternehmens zu einem<br />
Spezialbetrieb für hochqualifizierte Steinrestaurierung.<br />
Mit ihren Arbeiten, etwa am<br />
Dom zu Halberstadt, stieg der Name Dünnbier<br />
bundesweit zu einem Markenbegriff in<br />
Sachen Denkmalpflege auf.<br />
Hierbei scharte man eine Reihe junger<br />
Steinmetze und Steinbildhauer um sich.<br />
Zu ihnen gehörten auch Thomas Riedel,<br />
Jahrgang 1973, und der vier Jahre jüngere<br />
André Kanzog. Beide bewiesen bald<br />
mehr als nur handwerkliches Geschick.<br />
So gerieten sie in den engeren Fokus des<br />
Chefs. Und gleichwohl er Alternativen erwog,<br />
liebäugelte Dünnbier schnell mit einer<br />
hauseigenen Lösung: Er hoffte, dass<br />
die Handschrift der jungen Männer, die er<br />
selbst ausgebildet hatte, stets ein Stück<br />
weit auch die seine bleiben würde.<br />
Doch beide Gesellen schreckten vor dieser<br />
Perspektive zurück. Riedel baute zudem<br />
gerade ein Umgebindehaus aus.<br />
Nicht nur, dass sie respektvoll zu ihrem<br />
Chef aufschauten und sich gar nicht zutrauten,<br />
einmal seine Fußstapfen auszufüllen.<br />
Auch finanziell stand für beide eine<br />
Firmenübernahme nicht zur Debatte. „Das<br />
Risiko war uns schlicht zu gewaltig“, erinnert<br />
sich Riedel.<br />
Anderseits wussten beide, dass es letztlich<br />
auch um ihre Arbeitsplätze geht, wie auch<br />
um die von 16 weiteren Kollegen. Leichter<br />
fiel ihnen der Entschluss, als ihnen Dünnbier<br />
eine Brücke baute: Sie gründeten gemeinsam<br />
eine GmbH, in der er zunächst<br />
noch 51 Prozent der Anteile behielt. Riedel<br />
und Kanzog sollten die Firma von Altchef<br />
Dünnbier quasi pachten. Die jungen Mitarbeiter<br />
mussten so nun nur noch für eine<br />
„überschaubare Summe“ aufkommen.<br />
Auch die Pacht nennen sie rückwirkend<br />
einen „Freundschaftspreis“, zumal diese<br />
wie bei einem Mietkauf bei einem späteren<br />
Kompletterwerb angerechnet wurde.<br />
Beide kauften nun die gleichen Firmenanteile.<br />
Der ältere Riedel hatte auch „nie ein<br />
Problem damit“, dass Dünnbier den jüngeren<br />
Kanzog als Geschäftsführer einsetzte.<br />
Er wollte so ein mögliches Patt bei strittigen<br />
Fragen verhindern. Als er ihnen den<br />
Betrieb dann übergab, war der überdies<br />
schuldenfrei. Die Bücher wiesen eine solide<br />
Auftragslage aus – und sie durften weiter<br />
unter seinem Namen firmieren. „Das<br />
war uns sehr wichtig, denn so mussten<br />
wir nicht bei null beginnen“, erzählt Riedel.<br />
Dennoch habe sich Dünnbier „vom ersten<br />
Tag an konsequent aus der operativen Arbeit<br />
herausgehalten“.<br />
Zehn Jahre später entließen Kanzog und<br />
Riedel ihren Patron auch finanziell aus der<br />
Verantwortung: Sie erwarben seine Anteile.<br />
„Zu sehr fairen Konditionen“, beteuern<br />
sie. Jedem gehört nun die Firma zur Hälfte.<br />
Riedel besaß übrigens – obwohl nicht<br />
Geschäftsführer – von Kanzog unbegrenzte<br />
Vollmacht, für die Firma zu agieren. Sie tickten<br />
halt ähnlich, versichern beide, lägen in<br />
ihren strategischen Sichten nicht weit auseinander,<br />
harmonierten vor allem menschlich.<br />
„Wir einigen uns immer“, so Kanzog.<br />
Und Riedel ergänzt: „Wir suchen nicht die<br />
Lücken, die Verträge mit sich bringen. Wir<br />
sind Handwerker, keine Vertreter!“ W+M<br />
Wolfgang Dünnbier (M.) mit seinen beiden<br />
selbst herangezogenen Firmennachfolgern<br />
André Kanzog (r.) und Thomas Riedel.<br />
Foto: Harald Lachmann<br />
<strong>WIRTSCHAFT+</strong><strong>MARKT</strong> | 4/2015