62 NEUE IMPULSE FÜR DIE ZUKUNFTjemanden, der davor mitten in der judäischen Wüste gelebthat, ist das eine sehr große Umstellung.Die meiste Zeit hier in Heidelberg habe ich mit derArbeit an zwei Projekten verbracht, in denen moderne Tracking-Technologieneingesetzt werden. Im ersten werden dieZeit-Raum-Aktivitäten von Touristen in Heidelberg erforscht;im zweiten wird die aushäusige Mobilität von Patienten, dieunter Alzheimer oder verwandten kognitiven Störungen leiden,in verschiedenen Krankheitsstadien analysiert. Ich binder Hauptkoordinator dieses deutsch-israelischen Projektes,das auf fünf Jahre angelegt ist. Es handelt sich dabei um eininterdisziplinäres Projekt, an dem fünf Forscherteams aufden Gebieten der Geografie, Sozialarbeit, Gerontologie, Psychologieund Medizin zusammenarbeiten.Der Aufenthalt in Heidelberg hat für mich auch einestarke familiäre Bedeutung, da mein Großvater vor fast hundertJahren einige Jahre (1912-1914) an der Universität Heidelbergstudierte. Er kam aus Odessa, um in Heidelberg Philosophiezu studieren, musste bei Ausbruch des ErstenWeltkrieges aber sein Studium abbrechen und nach Russlandzurückkehren.Dieses Jahr war für uns ein sehr wichtiges Jahr. Wirhaben neue Leute kennengelernt und Freundschaften geschlossen,haben in einem neuen geografischen und kulturellenUmfeld gelebt und die große Chance gehabt, inDeutschland und in Europa zu reisen.Dr. Felix Benninger, Feodor-Lynen-Stipendiat der Alexandervon Humboldt-Stiftung, Neurologe an der HebräischenUniversität Jerusalem (seit 2006)Die Sonne ist gerade untergegangen und sehnsüchtig blickeich nach dem so vertrauten grünen 480er-Bus aus JerusalemsInnenstadt nach Tel Aviv. Mevasseret heißt die Bushaltestellehier direkt neben der Autobahn 1, über die sich jeden Morgengroße Menschenmassen von Jerusalem nach Tel Aviv undabends von Tel Aviv zurück nach Jerusalem bewegen. Mevasseret– „Der Vorbote Zions“ – ist ein kleiner nicht-religiöserVorort Jerusalems auf dem Weg nach Tel Aviv. Ich warte.Neben mir eine Familie. Die Mutter in traditioneller äthiopischerKleidung mit vier Kindern. Amharisch wird gesprochen.Neben mir eine Sprache mit vertrautem Klang. Zweistrenggläubige Haredim. Beide am Telefon. Ich denke anDeutsch. Vielleicht Touristen? Sie sprechen Jiddisch. Die Soldatinneben mir fragt mich nach Feuer. Ich muss passen. Inder Ferne steht die neue Calatrava-Brücke am Eingang nachJerusalem. Sie ist noch nicht eingeweiht. Ihre Pfeiler ragenwie ein Speer gegen den Himmel. Grazil. Ästhetisch. Optimistisch.Hoffnung auf ein lebendes modernes Jerusalem. Mitmeinem Umzug von Rechavia in Jerusalem nach Tel Avivbefinde ich mich im Einklang mit den meisten säkularen Studenten,die nach dem Studium wieder Richtung Tel Aviv ziehen.Richtung Meer, Jobs und Musik, Hitze und offeneGeschäfte am Shabbath, Bauhaus und rund um die Uhr geöffneteRestaurants. Der 480er kommt herangebraust, eine kleineMenschentraube drängt sich an der Eingangstür. Ich mussmein Faltrad noch verstauen und bin der letzte im Bus. Es gibtkeinen Sitzplatz mehr. „En ma la’assot“, schießt es mir durchden Kopf. „Nichts zu machen!“Dr. Bertram Gerber, GIF Young Scientist-Stipendiat,Medizinische Fakultät, Universität WürzburgZu einem Zeitpunkt meiner Laufbahn, zu dem praktisch alleanderen Förderquellen aus formalen Gründen keine Antragstellungzugelassen haben, bot sich über die GIF die Möglichkeit,ein innovatives Forschungsprojekt anzustoßen. DieserFörderung sind zwei unserer Arbeiten zur Steuerung sinnvollenVerhaltens über verschiedene Sinnesmodalitäten zu verdanken.Ich habe eine 14-tägige Reise nach Israel unternehmendürfen, zum Treffen der Israelischen NeurowissenschaftlichenGesellschaft in Eilat, zu einem Besuch im Paradiesgartender Wissenschaften am Weizmann Institut in Rehovot undauf dem zauberhaften Berg Karmel, zur Universität Haifa.Einer meiner stärksten Eindrücke dieser Reise war,neben der Schönheit der Wüste, der Korallen am Roten undder Leichtigkeit der Luft am Toten Meer, die berstende Widersprüchlichkeitdieses Landes: Israel schien mir ein uraltes unddoch ganz neues Land, ein tiefreligiöses und ganz diesseitigesLand, mit oft gleichermaßen rüden wie herzlichen Menschen.Zu sehen, wie in so kurzer Zeit und unter Einbeziehung vonEinwanderern aus aller Herren Länder eine wissenschaftlicheStruktur von so offenbar hoher Qualität aufgebaut werdenkonnte, war ein atemberaubendes Erlebnis. Ein weiterer Ertragdieser Reise ist der Kontakt zur Arbeitsgruppe von HerrnProf. Barkai, Haifa. Wir sind zur Zeit dabei, ein gemeinsamesForschungsprojekt zur Frage nach dem Verhältnis der wahrgenommenen,psychologischen Ähnlichkeit von Düften einerseitsund der Ähnlichkeit der physiologischen Erregungsmusterim Gehirn andererseits auf den Weg zu bringen.
NEUE IMPULSE FÜR DIE ZUKUNFT 63Dr. Uwe Bovensiepen, GIF Young Scientist-Stipendiat,Freie Universität Berlin, Fachbereich Physik (2007)Die Reise nach Israel im September 2007 war eine der interessantestenund facettenreichsten, die ich bisher erleben durfte.Grund hierfür war neben den hochinteressanten Gesprächenmit den Fachkollegen – dies hatte ich erwartet, da diewissenschaftliche Qualität in Israel ausgesprochen gut ist –eine unerwartete Begegnung mit den Menschen und der KulturIsraels. Die Reise führte mich an die Hebräische Universitätin Jerusalem, an die Tel Aviv Universität, in das KibbuzHagoshrim sowie nach Rehovot an das Weizman Institut.Für die wissenschaftliche Tätigkeit war diese Reise inmehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen ließ sich derAufenthalt nutzen, um bereits bestehende Kontakte zu denUniversitäten auszubauen. Hier konnten eine gemeinsamePublikation vorbereitet und offene Fragen in der notwendigenAusführlichkeit diskutiert werden. Großes Potenzial fürzukünftige Kollaborationen hat sich aus dem Aufenthalt inRehovot ergeben.Abschließend möchte ich die bemerkenswerte Aufgeschlossenheithervorheben, die mir als Deutschem entgegengebrachtwurde. Bezeichnend war hier zum einen die Begeisterungfür deutsche Produkte, zum anderen die Freude überauthentische völker- und kulturübergreifende Begegnungen.Dies zeigt, dass sich durch klug gestaltete und geförderteProgramme historische Gräben überwinden lassen undsich ein vielversprechendes Potenzial für die Zukunft entwickelnlässt.Hannah Sophie Boie, Doktorandin, Stipendiatin desDAAD und der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung für dieGeschichte des Nahen Ostens und Afrikas, Tel Aviv Universität,(2006-<strong>2008</strong>)Hals- und Beinbruch wünschten mir meine Freunde aus Berlin,als ich zu meinen zweijährigen Studien als Doktorandinder Internationalen Beziehungen nach Tel Aviv aufbrach.Hazlacha uwracha schlossen sich die Israelis diesem Wunschan und hießen mich herzlich willkommen.Schnell wurde mir klar, dass in Israel Tacheles geredetwird: Mein hebräischer Name, mit dem ich stolz in die Levantegezogen war, wurde mir beharrlich als nur für eine jiddischeMamme passend erklärt. „Chuzpa“ riefen die Israelisschon aus, wenn ich noch mit jeckengleicher Ruhe in dernicht enden wollenden Schlange im Supermarkt ausharrte.So dauerte es einige Zeit, bis ich mich an die israelischeHannah Sophie BoieDirektheit und das Tohuwabohu im politischen und gesellschaftlichenAlltag gewöhnt hatte. Da ich jedoch schnellFreunde fand, hielt sich das Schlamassel für mich als europäischenNeuankömmling in Grenzen. Man rief mir „Kumm, sitz!“zu und bot mir beim Barbecue allerhand Köstlichkeiten an.Das hervorragende und einwanderererprobte Sprachschulwesenin Israel tat sein Übriges, so dass ich bald nichtmehr auf jiddische Sprachfetzen angewiesen war, sondernmich auf Hebräisch unterhalten konnte. Auch meine Studienan der Universität Tel Aviv konnte ich direkt nach meinerAnkunft aufnehmen. Wenngleich der Professorenmangelund anhaltende Streiks das Studium nicht einfach machten,erhielt ich viel Unterstützung von Dozenten und Universitätsverwaltungund konnte meine Doktorarbeit sowie meineHebräisch- und Arabischstudien gezielt voranbringen.Zum Ende meiner Dissertation bin ich nun nach Berlinzurückgekehrt. Israel ist ein wichtiger Bezugspunkt in meinemLeben geworden, an den ich bestimmt zurückkehren werde.