22.11.2012 Aufrufe

Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 101<br />

d) Nachschriften des NT<br />

Wichtige Apokryphen des NT<br />

Thomasevangelium (griechischer Urtext fragmentarisch überliefert, die koptische Übersetzung,<br />

1945 in Nag Hammadi, 100 km nördlich Luxor/Ägypten, gefunden, ist vollständig erhalten):<br />

eine unverbundene Sammlung von 114 Jesus-Logien, von der älteren Forschung ins<br />

2. Jh. n. Chr. datiert, von neueren Forschern z. T. für älter gehalten (K. Berger, J. Schröter:<br />

um 80 n. Chr.). Der Verfasser ist laut Prolog ein Didymos Judas Thomas, wobei die Namen<br />

des Thomas Didymos (Joh. 21,2) und des Herrenbruders Judas (Mk. 6,3) zu einem Pseudepigraph<br />

kombiniert sein dürften. Eine gnostische Beeinflussung des Thomasevangeliums ist<br />

wahrscheinlich (nur die Auserwählten finden die erlösende Erkenntnis; die Gottheit ist Ureinheit<br />

von Gegensätzen), ferner bestehen Bezüge zu den Synoptikern, Johannes und Paulus.<br />

Protevangelium des Jakobus: ein angeblich vom Herrenbruder Jakobus verfaßtes „Vor-<br />

Evangelium“ mit dem Schwerpunkt auf Maria und der Kindheit Jesu, aus der 2. Hälfte des 2.<br />

Jh. n. Chr. Beeinflußte viele andere apokryphe Kindheitsevangelien und die katholische Marienfrömmigkeit.<br />

Die Schilderung der Jungfrauengeburt, die bei Matthäus und Lukas christologisch<br />

motiviert ist, wird hier aus mariologischem Interesse medizinisch genau ausgemalt.<br />

Kindheitsevanglium des Thomas: 2. Jh. n. Chr., nicht mit dem koptischen Thomasevangelium<br />

(s. o.) zu verwechseln, stellt den fünf- bis zwölfjährigen Jesus in Anekdoten ohne durchlaufenden<br />

Erzählfaden vor; ist sehr mirakelhaft und läßt den jungen Jesus auch hemmungslos<br />

Strafwunder verüben.<br />

Nikodemusevangelium: laut Prolog 425 n. Chr. entstanden, stellt im ersten Teil (sog. Pilatusakten)<br />

den Prozeß Jesu vor Pilatus breit dar, exkulpiert diesen dabei ganz und gibt allein<br />

den Juden die Schuld am Tod Jesu. Im zweiten Teil wird die bereits in 1. Petr. 3,19; 4,6 angedeutete<br />

Höllenfahrt Jesu ausführlich ausgemalt.<br />

Petrusevangelium (ein größeres Fragment aus der Passionsschilderung wurde 1886/87 in<br />

Akhmim in Oberägypten gefunden): Mitte 2. Jh. n. Chr. wohl in Syrien entstanden, stand laut<br />

dem bei Eusebius zitierten Serapion passagenweise im Ruf des Doketismus.<br />

Petrusapokalypse: eine zeitweise als kanonisch geltende Schrift, um 135 n. Chr. in Ägypten<br />

entstanden, das älteste nachbiblische Zeugnis über das Ergehen des Menschen im <strong>Jens</strong>eits, mit<br />

kurzer Paradies- und ausführlicher Höllenschilderung, nicht ohne Rachelust, prägte das christliche<br />

Höllenbild bis hin zu Dante.<br />

Schriften der Apostolischen Väter<br />

Didache (auch: Apostellehre, 1873 in der griechischen Urfassung aufgefunden): eine den<br />

Aposteln zugeschriebene Lehrschrift aus Katechismus (Kap. 1 – 6) und Gemeindeordnung<br />

(Kap. 7 – 15) mit Apokalypse (Kap. 16). Die Kirchenordnung stand zur Zeit der Didache in<br />

den Anfängen, Presbyter sind noch nicht bekannt, aber Bischöfe, Diakone und Wanderpropheten.<br />

Dies spricht für eine frühe Entstehung, vielleicht um 100 n. Chr. in Syrien. Synoptisches<br />

Material ist verarbeitet, aber nicht ausdrücklich als Wort Jesu zitiert. In 8,2 bringt die<br />

Didache das Vaterunser in matthäischer Fassung und schließt – als ältester Beleg – die im<br />

Matth.Ev. noch fehlende spätere traditionelle Schlußdoxologie an („Im Namen des Vaters und<br />

des Sohnes und des Heiligen Geistes“).<br />

Hirt des Hermas: die umfangreichste erhaltene Schrift des frühen Christentums, um 130 n.<br />

Chr., eine Bußpredigt aus fünf Visionen, zwölf Geboten und zehn Gleichnissen. Die Bezeichnung<br />

„Hirte“ kommt daher, daß der Deuteengel (angelus interpres) in den Visionen des Hermas<br />

wie ein Hirte in weißen Ziegenfellen erscheint. Der Schwerpunkt liegt auf Ethik und<br />

Geist-Ekklesiologie. Mit der Auffassung, daß Christen durch eine zweite Buße Vergebung für<br />

die nach ihrer Taufe begangenen Sünden erlangen können, ist der Hirt des Hermas ein Meilenstein<br />

in der Entwicklung des kirchlichen Bußgedankens.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!