Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick
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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 11<br />
haltspunkte sind das Fehlen der Südreichtradition im Erzvätersagenkomplex (Abraham-<br />
Lot-Sagenkranz), Beziehungen zur frühen (= nordisraelitischen) Prophetie (gleiches Formular<br />
in Ex. 3,10ff., Richter 6, 1. Sam. 9f. und Jer. 1) und zum Nordreichpropheten Hosea<br />
(Hoseas Gerichtsansage „Ich bin nicht für euch da“, Hos. 1,9, scheint die elohistische Deutung<br />
des Jahwenamens „Ich bin (für euch da)“, Ex. 3,14, zu verneinen). Umgekehrt hat der<br />
Elohist noch nicht Hosea und die Assyrerbedrohung gekannt, wohl aber setzt er in der Abrahamgeschichte<br />
eine nationale Identitätskrise voraus, hervorgerufen äußerlich durch die<br />
Aramäerbedrohung (um 850 – 800) und innerlich durch die Infragestellung des Jahweglaubens:<br />
dies alles spricht für eine Entstehung des Elohisten um 800 v. Chr.<br />
Jehowist: um 700 v. Chr. wurden der Jahwist aus dem Südreich und der Elohist aus dem mittlerweile<br />
(722 v. Chr.) untergegangenen Nordreich in der „jehowistischen Redaktion“ vereinigt,<br />
streckenweise sind sie nicht mehr sicher zu trennen. „Jehowist“ ist ein von Wellhausen<br />
geprägter Kunstname, da im Hebräischen die Konsonanten von „Jahwe“ mit der<br />
Vokal-Punktation von „Elohim“ „Jehova“ ergeben. Der Jehowist hat nicht nur kompiliert,<br />
sondern – mehr als früher angenommen – auch in hochreflektierter Erzählweise umfangreichere<br />
Textpassagen (Jahwereden u. a.) eingefügt (z. B. Gen. 15,5-18*) und den Erzählstoff<br />
z. T. tiefgreifend um- und neugestaltet (z. B. Gen. 9,20-27; 11,1-9 Turmbau zu Babel;<br />
Ex. 1,15-2,10* Moses Geburt und Rettung; 2. Mose 3,13.14a); dies gilt vor allem bei der<br />
Wüstenwanderung (z. B. Ex. 18,1-12*; 19 – 20*; 24*; 32,1-20*; 34*; Num. 11*; 13,17 –<br />
14,45*; 20,14-21*; 21,4-9*) und Landnahme (Num 21,10 – 25,5*; Jos. 1 – 11 + 24*). Die<br />
Großkomposition des Jehowisten reicht von Gen. 2,4b bis Jos. 24,32*.<br />
Im Anschluß an die Sinai-Offenbarung hat der Jehowist die bekannte Geschichte vom goldenen<br />
Kalb eingefügt (Ex. 32,1-20*). Dies geschah deshalb, weil die Könige des Nordreiches<br />
in ihren Jahwe-Heiligtümern in Bet-El und Dan je ein goldenes Stierbild aufgestellt<br />
hatten (1. Kön. 12,28f.). Diese Stierbilder waren wohl als Macht und Herrlichkeit symbolisierende<br />
Postament-Tiere des unsichtbar darüber thronenden Jahwe gedacht. Rein äußerlich<br />
war dies jedoch nur schwer vom Stierkult Mesopotamiens und Kanaans zu unterscheiden,<br />
wo die Stiere selbst als Götzen verehrt wurden. Deshalb erfand nun, bald nach dem<br />
Ende des Nordreiches, der Jehowist die Legende vom goldenen Kalb, um die Stierbilder<br />
für immer aus dem israelitischen Kult zu entfernen: die Gefahr einer Beeinflussung durch<br />
den kanaanäischen Baalskult sollte verringert werden. Zur Zeit des Nordreiches kann diese<br />
Legende des Jehowisten aber noch nicht existiert haben, sonst wären goldene Stierbilder in<br />
den dortigen Jahwe-Heiligtümern von vornherein undenkbar gewesen.<br />
Theologisch betont der Jehowist die Bundesschlußaussagen: die Landzusage bei Abraham<br />
(Gen. 15,18), den Bund mit Mose am Sinai (Ex. 34,10-26*) und den Bundesschluß Josuas<br />
mit dem ganzen Volk in Sichem (Jos. 24,25). Hier sind Landverheißung bzw. Landbesitz<br />
und Ausschließlichkeit der Bindung an Jahwe in Zusammenhang gebracht. Das Gottesbild<br />
wird zugespitzt: Jahwe erscheint nicht mehr nur als der rettende Gott des Exodus, sondern<br />
auch als ein bedrohlicher Gott, der Israel in lebensgefährliche Situationen bringt (Gen.<br />
32,23-32*; Ex. 4,24-26a*; 12,21-23*; Num. 21,4-9*, vgl. auch Gen. 15*); nur durch bedingungsloses<br />
Vertrauen auf Jahwe können diese Krisen bestanden werden. Diese Tendenzen<br />
verweisen auf die Zeit nach Untergang des Nordreiches 722 v. Chr.: Die ausschließliche<br />
Bindung an Jahwe war in der Praxis durch Fremdkulte in Frage gestellt und von den<br />
Assyrern ging eine tödliche Bedrohung aus. Die als Wunder empfundene Rettung Jerusalems<br />
vor den Assyrern 701 v. Chr. dürfte den Impuls für die Ausgestaltung des Jehowisten<br />
gegeben haben; die Notwendigkeit unbedingten Vertrauens auf Jahwe allein schien hier<br />
aufgewiesen zu sein. Eine unverkennbare Jerusalemzentrierung (Gen. 2,9-14*, Num. 21,4-<br />
9*) verweist auf eine Entstehung des Jehowisten in Jerusalemer Kreisen.<br />
Priesterschrift, um 550 v. Chr. (im Exil, in nachexilischer Zeit ergänzt); der Gottesname ist<br />
erst Elohim, ab Abraham in Kanaan El Schaddaj, ab Moses Jahwe. Der ausführlichen Behandlung<br />
von kultischen Einrichtungen und Gesetzen verdankt die Priesterschrift ihren