Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick
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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 28<br />
b) Lehrbücher und Psalmen<br />
Hiob: eine weisheitliche Lehrerzählung über den von Gott ins Unglück gestürtzen frommen<br />
Hiob, der mit seinen Freunden über den Sinn des Leidens diskutiert und am Ende wiederhergestellt<br />
wird.<br />
Gliederung: 1 – 2 Prolog (der Teufel tastet erst Hiobs Güter und Kinder, dann Hiobs Leib an);<br />
3 – 42,6 Dialogteil mit zwei Monologen Hiobs (3; 29 – 31), drei Redegängen (4 – 14; 15 –<br />
21; 22 – 28), vier Reden Elihus (32 – 37) und zwei Reden Jahwes mit Antwort Hiobs (38 –<br />
42).<br />
Der Hiob-Stoff geht auf mündliche, ursprünglich außerisraelische Überlieferung zurück; einen<br />
Hinweis darauf gibt die Lokalisierung Hiobs im edomitischen Lande Uz (1,3). Altorientalische<br />
Paralleltexte mit der Klage leidender Menschen gehen bis um 2000 v. Chr. zurück<br />
(„sumerischer Hiob“). Den ältesten Hinweis auf eine israelische Hiobsage gibt Ez. 14,12-23.<br />
Im Buch Hiob kann man drei Entwicklungsstufen unterscheiden:<br />
1.) Eine prosaische Rahmenerzählung (1,1 – 2,13; 42,7-17) bildet den ältesten, wahrscheinlich<br />
frühnachexilischen Kern. Sie bevorzugt den Gottesnamen Jahwe. Hiob wird als patriarchalischer<br />
Nomadenscheich gezeichnet, der sein Leid gottergeben annimmt („der Dulder“). Sekundäre,<br />
späte Hinzufügungen innerhalb des Prosa-Rahmens sind die beiden Himmelsszenen<br />
(1,6-12; 2,1-7a), in denen Satan als Ankläger im Himmel auftritt.<br />
2.) In den Rahmen wurde ein breiter Mittelteil (Dialogteil) aus metrischer Dichtung eingefügt.<br />
Er bevorzugt die Gottesnamen El, Eloah und Schaddaj. Hiob wird als sozial hochstehender<br />
Städter gezeichnet (Kap. 29), der sich auflehnt und Gott zu einer das Leiden rechtfertigenden<br />
Antwort herausfordert („der Rebell“). Satan kommt nicht vor. Die literarische Integrität der<br />
beiden Reden Jahwes und Antworten Hiobs in 38 bis 42,6 ist umstritten.<br />
3.) Spätere Bearbeitungen: Der dritte Gesprächsgang wurde in Kap. 25 gekürzt: Bildads Rede<br />
ist beschnitten, Zophars Rede weggelassen. Hinzugefügt sind: das Lied von der Weisheit<br />
(Kap. 28) und die Rede Elihus (Kap. 32 – 37): Elihu wird vorher und später nicht mehr erwähnt<br />
und seine Rede zerreißt den Zusammenhang von Hiobs Rede und Gottes Antwort.<br />
Terminus ante quem für die späteren Bearbeitungen ist das 2. Jh. v. Chr., da Aristeas das<br />
Buch einschließlich der Elihureden voraussetzt.<br />
Intention: Der Prosa-Rahmen beantwortet die Frage nach dem Leiden des Guten noch im Zuge<br />
des Tun-Ergehen-Zusammenhangs: Hiob wird nach bestandener Prüfung gesundheitlich<br />
und materiell wiedergestellt und bekommt auch neue Kinder. Der spätere Mittelteil geht demgegenüber<br />
mehr in die Tiefe. Aus den Reden der Freunde lassen sich vier Ansichten über Ursache<br />
und Zweck des Leidens herauskristallisieren:<br />
a) Leid sei Folge menschlicher Schuld, im Zuge sog. zweiseitigen Vergeltungsglaubens belohne<br />
Gott die Frommen und strafe die Frevler (15,20-35; 18,5-21; 27,7-10.13.-23; 36,5-14),<br />
also müsse Hiob gesündigt haben;<br />
b) Leid gehöre zur Kreatürlichkeit des Menschen, der von Natur aus nicht gerecht vor Gott sei<br />
(4,17-21; 5,7; 9,2; 15,14-16; 25,4-6);<br />
c) Leid sei eine Form göttlicher Erziehung (5,17f.);<br />
d) Leid sei eine Prüfung des Frommen (36,21), so auch bereits in der Rahmenerzählung.<br />
In den beiden Gottesreden werden diese Ansichten der Freunde erst mit Stillschweigen übergangen,<br />
dann zurückgewiesen (42,7-9). Auf die Frage, welche israelische Theologie das Buch<br />
Hiob mit der Kritik an den Freunden Hiobs kritisieren will, sind mehrere Antworten möglich:<br />
- den weisheitlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang und damit das Buch der Sprüche;<br />
- die These von dem durch eigene Schuld (Götzendienst) verursachten Untergang des israelischen<br />
Staates und damit das deuteronomistische Geschichtswerk;<br />
- den Glauben an eine stabile Weltordnung, der die Bedrohtheit der menschlichen Existenz<br />
nicht sieht, und damit die Priesterschrift.