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Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 87<br />

kons als Adressatenbezeichnung (1,2; 3,1) und Nachrichten der Apostelgeschichte über ein<br />

Wirken des Paulus im galatischen Land (Apg. 16,6; 18,23) sprechen für die Landschaftshypothese.<br />

Quellen: Gal. 3,26-28 ist eine vorpaulinische Tauftradition.<br />

Inhalt: Der Galaterbrief bekämpft Gegner, die die Praktizierung der Beschneidung fordern<br />

(5,3; 6,12f.) und die Beachtung kultischer Zeiten (4,3.9f.). Am überzeugendsten kann man in<br />

ihnen mit der seit F. Chr. Baur etablierten These judenchristliche Missionare strenger Provenienz<br />

sehen. Paulus entkräftet die Ansichten der Gegner zunächst biographisch mit dem Hinweis,<br />

daß er das Evangelium nicht von Menschen empfangen habe (1,11); deshalb habe ihm<br />

nichts an einer baldigen Zusammenkunft mit Jerusalemer Autoritäten gelegen (1,16f). Dann<br />

argumentiert er kirchengeschichtlich und schildert das Apostelkonzil in Jerusalem (48/49 n.<br />

Chr.), das ihm die Heidenmission übertrug (2,1-10), und den sog. Antiochenischen Zwischenfall,<br />

einen schweren Zusammenstoß von Paulus und Petrus in Antiochia, bei dem die Meinung<br />

des Petrus, auch Heidenchristen sollten jüdische Vorschriften befolgen, als heuchlerisch<br />

bloßgestellt wurde (2,11-14). Weiter versucht Paulus den Galatern zu zeigen, daß ihr bereits<br />

erreichter Heilsstand, ihre im Glauben erlangte Freiheit vom Gesetz, durch die Beachtung<br />

jüdischer Vorschriften (Beschneidung, kultische Zeiten) wieder zu Knechtschaft werde. Bei<br />

seinen Schriftbeweisen im Galaterbrief kann man Paulus jedoch nicht von eigenwilligen Uminterpretationen<br />

freisprechen: für seine These, daß der Segen Abrahams in Jesus Christus unter<br />

die Heiden gekommen sei (3,14ff.), zieht Paulus 1. Mose 22,18 heran. Danach gälte die<br />

Verheißung Abraham und seinem Nachkommen; da mit „Nachkomme“ ein Wort in der Einzahl<br />

gebraucht sei, sei hiermit auch nur eine Person, nämlich Christus gemeint (3,16). Tatsächlich<br />

ist hier jedoch im AT für „Nachkomme“ ein Wort gebraucht, das noch wörtlicher mit<br />

„Same, Nachkommenschaft“ übersetzt werden kann und daher zwar grammatisch Singular ist,<br />

inhaltlich aber ein Kollektiv bezeichnet, nämlich das Volk Israel und keineswegs Christus.<br />

Epheserbrief<br />

Gliederung: 1 Briefanfang mit zwei Danksagungen; 2f. erster dogmatischer Hauptteil (die<br />

Kirche Jesu Christi als Heilsmysterium); 4 – 6,9 zweiter paränetischer Hauptteil (christliche<br />

Existenzverwirklichung in Kirche und Welt); 6,10-24 Briefschluß.<br />

Verfasser: Der Epheserbrief gibt sich als ein Brief des Paulus (1,1) aus seiner Gefangenschaft<br />

(3,1; 4,1) aus. Doch kann seine deuteropaulinische Verfasserschaft als erwiesen gelten: das<br />

Vokabular des Epheserbriefes hat 35 neutestamentliche Hapaxlegomena. Unpaulinisch ist<br />

auch sein doppeltes, in Eulogie (1,3-14) und Eucharistie (1,15-23) geteiltes Proömium (beim<br />

echten Paulus beide Formen nur jeweils einzeln: vgl. 1. Kor. 1,4-9; 2. Kor. 1,3-11), erst recht<br />

aber seine räumlich-statische Ekklesiologie und seine präsentische Eschatologie. In einem<br />

weiteren Unterschied zum echten Paulus, der noch um seine Position kämpfen mußte, wird<br />

hier das Apostelamt bereits idealisiert („die heiligen Apostel“, 3,5); die Apostel werden zusammen<br />

mit den Propheten als Fundament der Kirche bezeichnet (2,20) – gerade bei einer<br />

solche Auffassung war die pseudepigraphe Zuschreibung an den Apostel Paulus naheliegend.<br />

Als Verfasser kann man einen der Paulusschule entstammenden hellenistischen Judenchristen<br />

annehmen.<br />

Quellen: der Verfasser des Epheserbriefes hat den ebenfalls deuteropaulinischen Kolosserbrief<br />

als Vorlage verwendet, in Sprache und Thematik finden sich zahlreiche Anklänge, allerdings<br />

nahm er nur jene Vorstellungen auf, die er für sein eigenes theologisches Anliegen verwenden<br />

konnte. Auch den Römerbrief und die beiden Korintherbriefe kannte der Verfasser.<br />

Außerdem integrierte er urchristliche liturgische Traditionen in den Epheserbrief (so die Tauftraditionen<br />

2,4-10 und 5,14). Die große Nähe zum Kolosserbrief weist hinsichtlich Abfassungsort<br />

und –zeit auf Kleinasien um 80 – 90 n. Chr. hin.<br />

Zu Textüberlieferung und Empfänger: in den ältesten Textzeugen fehlt die Angabe des Empfängers<br />

„in Ephesus“ (1,1). Da Gründe für eine nachträgliche Streichung nicht erkennbar sind,<br />

fehlte beim ursprünglichen „Epheser“-brief offensichtlich eine spezielle Adresse, ursprünglich

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