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Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 86<br />

Aussendung derselben nach Korinth die Rede ist (2. Kor. 8,16ff.; 9,3.5), während nun auf<br />

ihren ganzen Besuch als etwas Vergangenes zurückgeblickt wird („Hat euch etwa Titus übervorteilt?“,<br />

12,18) und Paulus selbst wieder einen Besuch plant (12,20f., 13,1).<br />

Bei dem erwähnten „Bruder“, der mit Titus reiste (8,18.22; 9,3; 12,18), kann vermutet werden,<br />

daß ein Redaktor dessen eigentlichen Namen gestrichen hat. Die Kapitel 2. Kor. 8 und 9<br />

wurden als Dubletten verschiedenen Briefen zugesprochen, doch kann man mit Hinsicht auf<br />

den doppelten Adressaten auch formulieren, daß Kap. 9 sich als Kollektenempfehlung direkt<br />

an die Christen in Achaia wendet, während in Kap.8 die Korinther angesprochen sind.<br />

Der Abschnitt 2. Kor. 6,14 – 7,1 ist als Interpolation auszusondern: es gibt zahlreiche paulinische<br />

Hapaxlegomena (darunter die Bezeichnung Gottes als „Pantokrator“ (Allherrscher) und<br />

Satans als „Beliar“), die Wendung „Befleckung des Fleisches und des Geistes“ (7,1) paßt<br />

nicht zu der sonstigen Sarx-Pneuma-Antithetik bei Paulus, zudem schließt 7,2 bruchlos an<br />

6,13 an. Die sprachliche und inhaltliche Nähe zu Qumran läßt vermuten, daß dieser Abschnitt<br />

von einem Judenchristen eingefügt wurde.<br />

Inhalt: In 2,14 – 7,4 entfaltet Paulus das Wesen seines Apostelamtes. Auch im Leiden weiß er<br />

sich an Jesus gebunden (Peristasenkataloge 4,7-12; 6,4-10; ferner 11,23-29). Die Versöhnungstat<br />

Christi am Kreuz ermögliche auch das apostolische Wort von der Versöhnung. Die<br />

Gegner am Ende des Briefes sind ekstatische judenchristliche Wandermissionare, die sich als<br />

wahre Apostel Jesu Christi ausgaben (10,7; 11,5.13; 12,11). Sie warfen Paulus Unehrlichkeit<br />

vor und vertraten vermutlich eine mit der paulinischen Kreuzestheologie unvereinbare Herrlichkeitschristologie.<br />

Anders als bei den Gegnern des Galater- und Philipperbriefes ist aber<br />

nicht davon die Rede, daß sie eine Beschneidungsforderung erhoben. Aber sie rühmten sich<br />

selbst, während sich Paulus nur seiner Schwachheit rühmen will (11,30; 12,5). Dies geschieht<br />

in der sog. „Narrenrede“ (11,16 – 12,13), wo Paulus sich metaphorisch in die Rolle des Narren<br />

begibt, um in dieser Maske überhaupt etwas Eigenlob über seine Leistungen äußern zu<br />

können. Dort sagt Paulus auch, damit er sich nicht überhebe, sei ihm ein „Pfahl ins Fleisch“<br />

gegeben, „des Satans Engel“ (12,7): dieser dunkle Ausdruck wurde sicher unzutreffend auf<br />

sinnliche Versuchungen gedeutet (so im Mittelalter), ferner auf Gewissensbisse des Paulus<br />

wegen seiner früheren Verfolgertätigkeit, doch ist sehr wahrscheinlich eine chronische körperliche<br />

Krankheit gemeint, vielleicht Epilepsie: ein epileptischer Anfall mit vorhergehender<br />

halluzinativer Aura könnte nämlich auch den historischen Kern des sog. Damaskuserlebnisses<br />

(Vision und Sturz vom Pferd, Apg. 9,1-9; 22,3-16; 26,9-18), das zur Bekehrung des Paulus<br />

führte, gebildet haben. Mit dem zweiten Korintherbrief gewann Paulus die Gemeinde offenbar<br />

wieder für sich, da er im Frühjahr 56 n. Chr. wieder in Korinth weilte und dort den Römerbrief<br />

verfaßte.<br />

Galaterbrief<br />

Gliederung: 1,1-10 Briefanlaß; 1,11 – 2,14 autobiographischer Bericht; 2,15-21 Beweisziel:<br />

Rechtfertigung aus dem Glauben; 3,1 – 4,7 Beweisführung: Gesetz, Geist und Sohnschaft;<br />

4,8-31 Warnung vor Rückfall in die Gesetzlichkeit; Ermahnung: 5,1-12 Aufruf zur Freiheit;<br />

5,13-26 Liebe als Frucht des Geistes; 6,1-18 Eschatokoll.<br />

Verfasser: Paulus. Abfassungsort und –zeit: Die Nachricht über die Kollekte in Galatien und<br />

die große inhaltliche Nähe zum Römerbrief sprechen dafür, daß der Galaterbrief kurz vor letzterem<br />

im Spätherbst 55 in Makedonien geschrieben wurde. Adressat: Gemeinden entweder in<br />

der Landschaft Galatien (nordgalatische Theorie/Landschaftshypothese) oder in der Provinz<br />

Galatien (südgalatische Theorie/Provinzhypothese). Trifft die Provinzhypothese zu, müßten<br />

die Gemeinden auf der ersten Missionsreise gegründet sein, ist die Landschaftshypothese zutreffend,<br />

müßten die Gemeinde zu Beginn der dritten Missionsreise 52 n. Chr. gegründet sein.<br />

Da der Galaterbrief nicht lange nach der Gemeindegründung geschrieben wurde (1,6), paßt<br />

die Landschaftshypothese besser zur Datierung des Galaterbriefes kurz vor den sehr verwandten<br />

Römerbrief (55 n. Chr.). Auch das Fehlen eines Ortsnamens und der Gebrauch des Ethni-

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