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Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 14<br />

Ex. 19,1ff. Priesterschrift: Sinai-Theophanie<br />

Ex. 19,16ff.* Elohist: Sinai-Theophanie<br />

Ex. 20 – Num. 10* Priesterschrift (größtenteils), mit dem Ende der Sinai-Theophanie (Ex.<br />

24,15ff.), den Anordnungen über die Stiftshütte (Kultverordnungen, Ex.<br />

25 – 29) und den Kultvorschriften im Leviticus<br />

Ex. 34 Jahwist?: kultischer Dekalog<br />

Num. 20 – 21* Elohist (teilweise): Haderwasser, Aarons Tod, die eherne Schlange,<br />

militärische Siege<br />

Num. 22 – 23* Elohist: Bileam (auch 24,[9-]11?)<br />

Num. 24 – 25,1-5 Jahwist: Bileam<br />

Num. 32 Jahwist (letzte erhaltene Sätze): Verteilung des Ostjordanlandes<br />

Dtn. 34,1a.7-9 Priesterschrift: Schluß der Priesterschrift mit Moses Tod (einziger Teil<br />

der Priesterschrift im Deuteronomium)<br />

Zum Schöpfungsbericht: Starke Wirkung entfaltete der Schöpfungsbericht zu Beginn der <strong>Bibel</strong>,<br />

doch verbietet sich ein kreationistischer Glaube an die Sieben-Tage-Schöpfung schon<br />

deshalb, weil hier nicht ein, sondern zwei einander widersprechende Berichte vorliegen. Der<br />

erste Schöpfungsbericht (Gen. 1 – 2,4a) stammt aus der Priesterschrift und ist durch das bekannte<br />

Sieben-Tage-Schema gegliedert. Eine genaue Überprüfung zeigt jedoch, daß dieses<br />

sekundär ist: die Anzahl der Wochentage stimmt nicht mit der Anzahl der Schöpfungsakte<br />

überein. So wird, obwohl der ganze Bericht pyramidal auf den Menschen als Spitze des<br />

Schöpfungswerkes ausgerichtet ist, der Mensch am sechsten Tag erst nach den Landtieren<br />

erschaffen. Weiter fällt auf, daß Gott durch sein Wort erschafft („Und Gott sprach: es werde<br />

...“), teilweise muß er aber sein eigenes Wort noch durch eine Machenstat umsetzen („Und<br />

Gott machte/schuf ...“, Gen. 1,7.16.21.25.27). Daraus läßt sich erschließen, daß der Priesterschrift<br />

bereits ein Tatbericht vorlag, in den sie die Tageszählung und den Wortbericht hineingetragen<br />

hat. Dabei hat die Priesterschrift im ersteren Falle die israelitische Sieben-Tage-<br />

Woche bis in die Schöpfung zurückprojiziert, im zweiten Fall orientierte sie sich an dem Exilspropheten<br />

Deuterojesaja, der viel stärker als bisher das wirkmächtige Schöpferwort Gottes<br />

herausstellte (vgl. Jes. 48,13; 55,11). Der ursprüngliche Tatbericht ist babylonischen mythologischen<br />

Vorstellungen entlehnt (so u. a. dem babylonischen Weltschöpfungsepos Enuma<br />

elisch): die Priesterschrift entstand ja im babylonischen Exil (s. o.).<br />

Der zweite Schöpfungsbericht (Gen. 2,4b-25) stammt aus der Jahwist-Quelle. Im Widerspruch<br />

zum Bericht der Priesterschrift wird hier der Mensch vor den Pflanzen und Tieren erschaffen,<br />

und der Mensch entsteht auch nicht sogleich als Mann und Frau (so in Gen. 1,26f.),<br />

sondern der Mann wird aus Erde gemacht und die Frau erst nachträglich aus seiner Rippe. (In<br />

der rabbinischen Literatur, die diesen Widerspruch schon lange bemerkt hatte, entstand deshalb<br />

die Legende, Gen. 1,26f. beziehe sich nicht auf Eva, sondern auf eine erste Frau Adams,<br />

der man den Namen Lilith gab, vgl. auch Goethe, Faust I, Vers 4118ff.). Weiter fällt die unterschiedliche<br />

Kosmologie auf: kennt der erste Schöpfungsbericht eine Urflut (Gen. 1,1b) und<br />

die Erschaffung der Wassertiere (Gen. 1,20f.), so betont der zweite Schöpfungsbericht die<br />

ursprüngliche Abwesenheit von Regen (Gen. 2,5f.) und bei der Tierschöpfung werden nur<br />

Vögel und die „Tiere auf dem Felde“ genannt, Fische kommen gar nicht vor (Gen. 2,19): hier<br />

liegt im Gegensatz zur aquatischen Kosmologie der Priesterschrift eine sikkatische Kosmologie<br />

vor (von lat. siccus „trocken“). Die zweite Schöpfungsgeschichte stammt somit nicht wie<br />

die erste aus dem babylonischen Kulturkreis, sondern aus der wasserarmen Umwelt des Nomaden<br />

und Wüstenbewohners, und dazu paßt auch, daß die Erschaffung des Menschen aus<br />

Erde bzw. Ton eine Parallele hat in der ägyptischen Vorstellung von einem Gott Chnum, der<br />

die Menschen auf einer Töpferscheibe geformt haben soll.

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