Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick
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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 58<br />
charjabuch könnte auf Verwechslung mit dem in 1. Kön. 18,2; Jes. 8,2 genannten Priester<br />
Sacharja, Sohn eines Jeberechja, beruhen.<br />
Entstehung, Inhalt: Das Buch Sacharja besteht aus verschiedenen Schichten:<br />
1 a) Protosacharja (Kap. 1 – 8): Auf den ursprünglichen Sacharja gehen sieben Visionen bzw.<br />
„Nachtgesichte“ in Ich-Form zurück (1,8-15; 2,1-4; 2,5-9; 4,1-6a.10b-14; 5,1-4; 5,5-11; 6,1-<br />
8); ein Deuteengel (angelus interpres) stellt dabei Fragen und gibt Erläuterungen. Ähnlich wie<br />
für Haggai ist der Wiederaufbau des Tempels auch für Protosacharja ein wichtiges Anliegen,<br />
aber er übertrifft ihn durch seinen Universalismus. Denn im Gegensatz zu Haggai, der nur auf<br />
die Vernichtung der Heiden und auf ihre Kostbarkeiten geschaut hatte, die man dann dem<br />
Tempelschatz würde einverleiben können (Hag. 2,7), betont Sacharja: Israel sei der Augapfel<br />
Gottes (2,12), doch es würden sich auch viele andere Völker zu Jahwe bekehren (2,15; 8,20-<br />
22). Das Heil kann nur durch den transzendenten Eingriff Gottes in die Geschichte bewirkt<br />
werden. Die Zentralvision 4,1-6a.10b-14 bringt eine der vorexilischen Zeit unbekannte Zukunftserwartung<br />
mit Gewaltenteilung: Zwei „Ölsöhne“ bzw. Gesalbte, ein gleichberechtigtes<br />
geistliches und ein weltliches Haupt, werden Israel führen. Die Geschichte gab dieser Vision<br />
nicht recht; in der Leitung der nachexilischen Gemeinde setzte sich das Amt des Priesters<br />
durch.<br />
1 b) Nachträgliche Bearbeitungen bei Protosacharja: Eine achte Vision (Kap. 3) – eingeschoben<br />
zwischen der dritten und der ursprünglich vierten Vision – betont die Affinität des Hohepriesters<br />
Josua zum „Sproß“ Jahwes. Im Gegensatz zu den übrigen Visionen wird nicht<br />
Sacharja, sondern Josua angeredet und der Deuteengel fehlt. Die Exponierung Josuas setzt<br />
sich fort im manipulierten Krönungsauftrag 6,9-15. Nach W. H. Schmidt proklamierte der<br />
Text ursprünglich den Statthalter Serubbabel als den verheißenen Sproß und forderte seine als<br />
Zeichenhandlung gedachte Krönung. Als die Geschichte diese messianische Inthronisation<br />
nicht bestätigte, wurde der Text so umgeschrieben, daß einerseits nun von der Krönung des<br />
Hohepriesters Josua die Rede war und daß zum anderen gesagt wurde, diejenigen, die am<br />
Tempel bauen werden, würden erst noch von ferne kommen.<br />
Sekundär sind auch die Bußpredigt 1,2-6a und die Passagen, die die Visionen kommentieren<br />
und aktualisieren (1,16f.; 2,10-16; 3,8-10; 4,6b-10a; Kap. 7 – 8). Schließlich brachte die dem<br />
Haggaichronisten nahestehende Endredaktion drei Überschriften mit Datierungen und Wortereignisformel<br />
(1,1; 1,7; 7,1) in den Text. Ziemlich unplausibel werden die acht Nachtgesichte<br />
dabei nur mit einer Überschrift und Datierung (1,7) eingeleitet, so als wenn sie sich nur in<br />
einer einzigen Nacht im Februar 519 ereignet haben müßten.<br />
2) Deuterosacharja (Kap. 9 – 11): Eine Komposition verschiedener Autoren etwa zwei Jahrhunderte<br />
nach Protosacharja, Ende des 4. Jh. v. Chr. Die konkreten Umstände (Tempelbau)<br />
und die Personen aus 1 – 8 (Josua, Serubbabel) werden nicht mehr erwähnt. Die Datierung<br />
von 9 – 11 in das ausgehende 4. Jh. ergibt sich aus Anspielungen auf das samaritanische<br />
Schisma (11,14), die Griechen (9,13) und die Diadochenreiche (10,10f.). Die Siegeszug Alexanders<br />
des Großen durch Syro-Palästina wird als vaticinium ex eventu angekündigt (9,1-8).<br />
Ob einzelne Stofftraditionen noch bis in vorexilische Zeit zurückreichen, ist fraglich; umstritten<br />
ist auch, gegen wen sich die sog. Hirtenallegorie in 11,4-17 richten soll (die Hohepriester,<br />
die Ptolemäer [in Vers 15-17] oder die Samaritaner?).<br />
Warum die Kapitel 9 – 11 an (Proto)sacharja angefügt wurden, erklärt sich aus der verwandten<br />
Thematik: Gottes Fürsorge für Jerusalem (9,8.15f.; 10,6), die Sammlung des Volkes einschließlich<br />
des Nordreiches (9,11ff.; 10,6ff.) und die Entmachtung der Völker (9,13ff.;<br />
11,1ff.). Die Vision von einem armen, ohnmächtigen Messias wird entworfen, der als solcher<br />
der Gewaltherrschaft ein Ende setzt (9,9f). Hier wurde ein älterer Textbestand in Er-Form<br />
(9,9.10cd) durch eine jüngere Schicht im Ich-Stil (9,10ab) kommentiert. Daß der Messias auf<br />
einem Esel in Jerusalem einreiten soll, muß nicht als Niedrigkeitserweis verstanden werden;<br />
der Esel war übliches Reittier bei königlichen Familien (vgl. Gen. 49,11; Ri. 5,10; 10,4;<br />
12,14; 2. Sam. 19,27; 1. Kön. 2,40).