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Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 20<br />

(1. Sam. 11,1-11.15). Die letztere Überlieferung dürfte am ehesten die geschichtliche Wahrheit<br />

treffen, zumal hier Saul seine Eignung zum König durch militärische Leistung erweist;<br />

die Gestalt Samuels fehlt in dieser Version völlig. Zum Ausgleich mit den anderen Versionen<br />

brachte die königskritische deuteronomistische Redaktion die Verse 11,12-14 in den Text:<br />

Sauls Erhebung zum König in Gilgal (11,15) wird hier als Erneuerung des Königtums (11,14)<br />

dargestellt, um den Widerspruch zu den vorherigen Berichten zu vermindern, denn nach<br />

10,24 war Saul ja bereits König. Anders als in 11,1-11 geschildert, führte jedoch kaum die<br />

Bedrohung durch die Ammoniter, sondern die durch die Philister zur Entstehung des israelitischen<br />

Königtums. Deren ständiger Druck erforderte ständigen Gegendruck, also ein Königtum<br />

und nicht mehr nur ein befristetes (großes) Richtertum. Die Philisternot findet ihren Niederschlag<br />

in 1. Sam. 9,16; 13f.; 28f.; 31.<br />

Darüber, wie David an den Hof König Sauls kam, gibt es ebenfalls widersprüchliche Nachrichten:<br />

nach einer kurzen Notiz (1. Sam. 16,19-23) kommt David als Zitherspieler an den<br />

Hof Sauls, um diesen aufzumuntern, „wenn der böse Geist Gottes über ihn kommt“ (wobei es<br />

sich um den ersten historisch überlieferten Fall von endogener Depressivität handeln dürfte).<br />

Dann folgt die ausführliche Geschichte, wie David den angeblich über sechs Ellen (= über 3<br />

m) großen Riesen Goliath im Kampf besiegt und Saul so auf ihn aufmerksam wird (1. Sam.<br />

17). Am Konkurrenzverhältnis beider Berichte ist nicht zu zweifeln, da Saul in 1. Sam. 17,56<br />

noch nach dem Namen von Davids Vater Isai fragen muß, obwohl nach der ersten Überlieferung<br />

1. Sam. 16,19f. Saul bereits mit Isai in Kontakt stand. Der erste Bericht, daß David als<br />

Zitherspieler an den Königshof kam, empfielt sich durch seine Kürze wie durch seinen unheroischen<br />

Charakter als der ursprünglichere und richtigere. Die David-und-Goliath-Novelle<br />

dagegen ist spätere glorifizierende Erfindung, die sich auch dadurch verrät, daß David angeblich<br />

das abgeschlagene Haupt Goliaths nach Jerusalem bringt (1. Sam. 17,54) – diese Stadt<br />

war aber zu Sauls Zeiten noch in der Hand der Jebusiter und wurde erst einige Jahre nach<br />

Sauls Tod von David erobert. <strong>Historisch</strong>er Kern der David-und-Goliath-Novelle ist, daß bei<br />

einem späteren Philisterkrieg ein Kämpfer Davids namens Elhanan, wie David aus Bethlehem<br />

stammend, einen Goliath aus Gat erschlug (2. Sam. 21,19) – was man in der späteren Legende<br />

auf David selbst übertrug. Und als die Autoren der beiden Chronikbücher es unternahmen, die<br />

Geschichte der israelischen Königszeit neu zu schreiben, bemerkten sie das doppelte Auftreten<br />

Goliaths in den Samuelbüchern und machten daher aus dem von Elhanan erschlagenen<br />

Philister kurzerhand „den Bruder Goliaths“ (1. Chron. 20,5).<br />

Könige: Gliederung: 1. Kön. 1 – 11: Salomo (1 – 2 Davids Ende); 1. Kön. 12 – 2. Kön. 17:<br />

die geteilten Reiche bis 722 v. Chr. (1. Kön. 12 – 2. Kön. 1: Nord- und Südreich stehen sich<br />

feindlich gegenüber); 2. Kön. 17 – 25: bis zum Ende des Reiches Juda.<br />

Die beiden Königsbücher umfassen 400 Jahre Geschichte. Auch sie bildeten (wie Samuel)<br />

ursprünglich nur ein Buch; die (aus der LXX stammende) Zweiteilung ist unglücklich gewählt<br />

und fällt mitten in den Bericht über Ahasja.<br />

Nach der Reichsteilung 926 hatten beide Reiche jeweils 19 Könige, und zwar das Südreich in<br />

350 Jahren bis zu seinem Ende 587/86, das Nordreich in nur 205 Jahren bis zu seinem Ende<br />

722. Bei der Zählung nach Regierungsjahren ist zu beachten, daß diese auch die Mitregentschaftsjahre<br />

vor dem Beginn der Alleinherrschaft einschließen; als Jahr des Regierungsantritts<br />

wird aber immer das erste Jahr der Alleinherrschaft genannt.<br />

Entstehung, Redaktionen:<br />

1.) Quellen: Der deuteronomistische Redaktor selbst nennt drei Quellen: die Chronik Salomos<br />

(1. Kön. 11,41), die Chronik der Könige von Israel (1. Kön. 14,19 u. ö., 16mal) und die Chronik<br />

der Könige von Juda (1. Kön. 14,29 u. ö., 15mal). Für die Zeit Salomos standen wohl<br />

noch weitere Quellen zur Verfügung (Verwaltungslisten: 1. Kön. 4,1-19; eine kritische Thronfolgegeschichte,<br />

die Salomos Aufstieg als Werk einer Intrige darstellt: 1. Kön. 1,11-31, durch<br />

vordeuteronomistische Interpolation in 1. Kön. 1,35-37.46-48; 2,5-9 gerechtfertigt). Ein

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