Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick
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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 44<br />
kündigte Jeremia ihm Untergang und Gefangenschaft an. Frau und Familie durfte Jeremia<br />
zum Zeichen kommenden Unheils nicht haben (16,1ff.). Nach der ersten Eroberung Jerusalems<br />
597 v. Chr. war Jeremia als Prophet Jahwes erwiesen und durfte wieder öffentlich<br />
auftreten, was Jojakim unterbunden hatte. Nun folgten harte Auseinandersetzungen mit<br />
konkurrierenden Propheten (Jer. 27 – 29); auch wollte der neue König Zedekija nicht auf<br />
Jeremia hören und versuchte sich erneut aus der Abhängigkeit von Babylon zu befreien.<br />
Jeremia wurde erst in eine Zisterne geworfen und darauf im Wachthof gefangengehalten, was<br />
in zwei widersprüchlichen Fassungen berichtet wird (Kap. 37: weil man fürchtete, Jeremia<br />
werde zu den Chaldäern, d. h. Babyloniern überlaufen; Kap. 38: wegen Jeremias „wehrkraftzersetzender“<br />
Verkündigung). Nach der zweiten Eroberung und Zerstörung Jerusalems<br />
587 v. Chr. blieb Jeremia zunächst in Juda, nach Ermordung des Statthalters Gedalja nahmen<br />
ihn aber judäische Auswanderer gegen seinen Willen mit nach Ägypten. Dort sprach er seine<br />
letzten überlieferten Worte, u. a. die irrige Prophezeiung, Nebukadnezar werde auch in<br />
Ägypten einfallen und es zerstören (43,10-13). In Ägypten ist Jeremia dann vermutlich auch<br />
gestorben. Insgesamt verteilt sich die Spruchsammlung im Jeremiabuch (Kap. 1 – 25) auf Jeremias Le-<br />
bensphasen wie folgt:<br />
a) Frühzeitverkündigung von seiner Berufung bis zu Joschijas Reform (etwa 626 – 622 v.<br />
Chr.): Kap. 1 – 6.<br />
b) Vom Beginn der Regierung Jojakims bis zur ersten Eroberung Jerusalems (608 – 597 v.<br />
Chr.): Kap. 7 – 20 (dazu die Fremdberichte Kap. 26 und 35f.).<br />
c) Zur Regierungszeit Zedekijas bis zur zweiten Eroberung Jerusalems (597 – 587 v. Chr.):<br />
Kap. 21 – 24 (dazu die Fremdberichte Kap. 27 – 29, 32, 34, 37 – 39).<br />
d) Vom Fall Jerusalems bis zum Zwangsaufenthalt in Ägypten (587/86 v. Chr.) informiert nur<br />
der Fremdbericht Kap. 40 – 44.<br />
Entstehung:<br />
1) Die schriftliche Fixierung von Jeremias Botschaft begann offensichtlich bei Jeremia selbst<br />
und seinem Schreiber Baruch (Kap. 36): diese fertigten 605 v. Chr. eine Schriftrolle über alle<br />
bisherigen prophetischen Worte Jeremias an; als König Jojakim sie verbrannte, schrieben sie<br />
eine „zweite, erweiterte Auflage“ (36,32). Diese Nachrichten müssen schon deshalb einen<br />
historischen Kern haben, weil Jeremias Unheilsprophezeiung über Jojakim nicht eingetreten<br />
ist, also nicht im Nachhinein erfunden werden konnte: keiner der Seinen sollte auf dem Thron<br />
Davids sitzen (36,30) – doch wurde Jojakims Sohn Jojachin und dann dessen Onkel Zedekija<br />
König (vgl. 1. Kön. 24,6.17). Der Inhalt der Jeremia-Urrolle ist umstritten (Jer. 2 – 6?).<br />
2) Spätere Zusätze und Bearbeitungen: Es wird bis heute kontrovers diskutiert, welche Redaktionen<br />
die von Jeremia und Baruch selbst aufgeschrieben Worte weiter fortgeschrieben haben.<br />
Feststeht, daß das Jeremiabuch tiefgreifender bearbeitet wurde als andere Prophetenbücher. S.<br />
Mowinckel stellte 1914 eine Vierquellentheorie auf (Sprüche und Selbstberichte Jeremias,<br />
Fremdberichte, deuteronomistische Predigten, Trostbuch für Ephraim). Heute sieht man das<br />
Jeremiabuch noch differenzierter ist vom Quellenmodell zum redaktionsgeschichtlichen Modell<br />
übergegangen:<br />
- Aus dem metrischen Kontext der Spruchsammlung Kap. 1 – 25 fallen einige in Prosa abgefaßte<br />
Predigten heraus: Kap. 7 – 8,3; 11,1-14; 18,1-12; 21,1-10; 22,1-5; 25,1-11 (14); *32f.;<br />
34,8-22; 35. Sie wurden von einer deuteronomistischen Redaktion in das Jeremiabuch gebracht,<br />
die den Text auch sonst fortgeschrieben hat. Sie legte Jeremia Alternativ-Predigten in<br />
den Mund (d. h. im Falle der Umkehr werde das Unheil abgewendet, z. B. 7,1-15; 22,1-5),<br />
während der historische Jeremia das Gericht als unentrinnbar darstellte. Deuteronomistisch<br />
sind auch Gerichtsbegründungen im Frage-Antwort-Stil (9,11-15; 16,10-13) und die Betonung<br />
der Tora (Kap. 7; 11,1-14). Von der deuteronomistischen Redaktion stammen wohl auch<br />
die Überschriften in der abgewandelten Wortereignisformel „Das Wort, das zu Jeremia von<br />
Jahwe geschah“, die jeweils einzelne Textsammlungen einleitet (7,1; 11,1; 18,1; 21,1; 25,1;<br />
30,1; 32,1; 34,1; 35,1; 40,1; 44,1).