Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick
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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 50<br />
Joel (hebr. „Jahwe ist Gott“): ein Buß- und Heilsprophet im 4. Jh. v. Chr.<br />
Gliederung: Kap. 1 Klage über eine Heuschreckenplage und Dürre; 2,1-17 deren Deutung auf<br />
den Tag Jahwes; 2,18-27 Heilszusage Gottes; 3 Verheißung der Geistausgießung und göttlicher<br />
Zeichen; 4 Völkergericht in Jerusalem und Heil für Israel am Tag Jahwes.<br />
Die ältere Forschung sah in Kap. 1 – 2 einen vorexilischen Kultpropheten und in 3 – 4 einen<br />
nachexilischen Zusatz. Heute geht man jedoch von der Einheit des Joelbuches aus, wofür die<br />
mit redaktionellen Eingriffen nicht zureichend erklärbaren Gemeinsamkeiten in Stichwörtern<br />
und Formeln sprechen (vgl. 1,14 mit 4,9; 1,15 und 2,1b-2a mit 4,14; 2,10a mit 4,16a; 2,10b-<br />
11 mit 3,4 und 4,14b-15; 2,16 mit 4,11; 2,17 mit 4,2; 2,27 mit 4,17). Außerdem ergibt sich,<br />
wenn man die entscheidende Zäsur in 2,18 setzt, eine bewußt symmetrische Komposition, die<br />
sich am zweiteiligen Ablauf der Klageliturgie eines Fasttages orientiert: Auf die Klage der<br />
Gemeinde, die auch durch den Kultpropheten gesprochen werden kann (1 – 2,17), folgt die<br />
durch den Propheten vermittelte Antwort Gottes (2,18 – 4).<br />
Entstehung:<br />
1) Botschaft des authentischen Joel: Ihr Ausgangspunkt ist eine bereits erlittene Heuschreckenplage<br />
und Dürre (Kap. 1). Diese wird in Kap. 2 als Vorbote für den Tag Jahwes gedeutet,<br />
der einen noch nie dagewesenen Völkersturm bringen soll (2,2). Doch mit Buße und Fasten<br />
ist Gott vielleicht noch umzustimmen (2,12f.), und er wird die Lebensmittelnot wenden<br />
(2,19.22-26), eine endzeitliche Geistausgießung auf das Gottesvolk vollziehen (3,1f.) und die<br />
Feindvölker richten (2,20; 4,1-17.19).<br />
2) Zusätze: Spätere Erweiterungen sind 4,4-8 und wohl auch 4,18-21a (falls letztere Verse<br />
nicht bewußte Zusammenfassung der vorhergehenden Gottesrede sein sollen). In 4,4-8 ist der<br />
Einschub offenkundig, da es sich um Prosa im poetischen Kontext handelt und der enge Zusammenhang<br />
4,1-3.9-17 unterbrochen wird.<br />
Datierung: Joels Wirkungszeit wird weder durch die Buchüberschrift noch anderweitig direkt<br />
angegeben. Doch spricht eine Reihe von Indizien für die Datierung ins 4. Jh. v. Chr.: Das Vokabular<br />
weist in die Spätzeit. Anders als die vorexilischen Schriftpropheten kritisiert Joel<br />
nicht den Kult, sondern schätzt ihn hoch (1,9.13f.16; 2,14ff.). Das Gemeindeleben (Leitung<br />
durch Priester und Ältestenkollegium, Tempelliturgie mit Speise- und Trankopfer, keine Erwähnung<br />
von König und Hof) paßt auf die nachexilische Zeit. Die (445 wiedererrichteten)<br />
Stadtmauern Jerusalems (2,7.9) werden ebenso vorausgesetzt wie die Deportation des Volkes<br />
Israel (4,2) und in Jerusalem erlebte Fremdherrschaft (4,17). Die Androhung eines Völkersturms<br />
(2,2) könnte die Erschütterungen des Perserreiches im 4. Jh. v. Chr. spiegeln.<br />
Schließlich ist die intensive intertextuelle Abhängigkeit des Joelbuches von anderen Prophetenbüchern<br />
vor dem 4. Jh. v. Chr. kaum denkbar, z. B. beziehen sich: 1,15 auf Jes. 13,6; 2,1f.<br />
auf Zef. 1,14f.; 2,3 auf Ez. 36,35; 2,6 auf Nah. 2,11; 2,10 auf Jes. 13,10; 2,11 auf Mal. 3,2;<br />
2,12 auf Hos. 14,2f.; 2,14a auf Am. 5,15; 2,17 auf Ez. 36,16 und Ps. 79,10; 2,20 auf Jer. 1,14<br />
und Ez. 38,15f.; 2,27 auf Jes. 45,5.17; 3,1 auf Ez. 39,29; 3,4b auf Mal. 3,23; 3,5 auf Obd. 17;<br />
4,5 auf Hos. 7,1 und Jer. 33,15f.; 4,10 auf Jes. 2,4 und Mi. 4,3 (Schwerter zu Pflugscharen);<br />
4,16 auf Am. 1,2; 4,17 auf Jes. 8,18; 4,18 auf Am. 9,13 und Ez. 47,1. Diese Bezüge machen<br />
deutlich, daß das Buch Joel als literarische Prophetie und als eschatologische Prophetenauslegung<br />
verstanden werden muß: die gegenwärtige Not soll als Anbruch der schon von vorexilischen<br />
Propheten verkündeten Endzeit gedeutet werden. Wegen der starken Bezüge zum vorhergehenden<br />
Hosea und nachfolgenden Amos wurde das Joelbuch vielleicht eigens für seinen<br />
jetzigen Zusammenhang im Zwölfprophetenbuch geschrieben.<br />
Amos (hebr. „der [von Jahwe] Getragene“): der erste Schriftprophet um 765 v. Chr.<br />
Gliederung: 1,1-2: Überschrift und Eingangsmotto; 1,3 – 2,16: Spruchzyklus gegen Fremdvölker,<br />
die in Sprüche gegen Juda und Israel münden; 3,1 – 6,14: Unheilsworte gegen das<br />
(Nordreich) Israel, (in Ringkomposition, 5,1-17, und Parallelkomposition, 5,18 – 6,14); 7,1 –