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Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 77<br />

nen Lebzeiten Schweigegebote aussprechen. Weitere Elemente dieser markinischen Kreuzestheologie<br />

sind die Offenbarungen der Gottessohnschaft Jesu (1,11; 9,7; 15,39) und die drei<br />

Leidensweissagungen (8,31; 9,31; 10,32-34). In diesem Sinne ist auch die Intention des Markusevangeliums<br />

der Ruf in die Leidensnachfolge Jesu und in die Lebenshingabe (8,34-38) –<br />

wer dies befolgt, wird zwar klein (10,15), arm (10,21) und dienstbereit (9,35; 10,43f.) sein<br />

müssen, aber letztlich sein Leben retten (8,35).<br />

Lukasevangelium<br />

Gliederung: 1,1-4 Vorwort; 1,5 – 2 Vorgeschichte; 3 – 4,13 Johannes der Täufer, Taufe,<br />

Stammbaum und Versuchung Jesu; 4,14 – 9,50 Jesu Wirken in Galiäa und Judäa; 9,51 –<br />

19,27 Jesu Reise nach Jerusalem; 19,28 – 24 Jesus in Jerusalem, Passion und Auferstehung.<br />

Als Verfasser des Lukasevangeliums, der zugleich die Apostelgeschichte (siehe auch dort)<br />

geschrieben hat, wird zuerst von Irenäus von Lyon (um 180 n. Chr.) Lukas genannt, Arzt und<br />

Begleiter des Paulus (vgl. Phlm. 24; 2. Tim. 4,11; Kol. 4,14). Diese Zuschreibung ist jedoch<br />

unhaltbar, weil der Verfasser der Apostelgeschichte Paulus nicht persönlich gekannt hat und<br />

somit nicht mit dem Paulusbegleiter Lukas identisch sein kann. Als gemeinsamer Verfasser<br />

von Lukasevangelium und Apostelgeschichte läßt sich daher nur ein namentlich unbekannter,<br />

hellenistisch gebildeter Heidenchrist erschließen. Wohl kannte er die LXX und bemühte sich,<br />

ihren Stil zu imitieren, doch vermeidet er im Lukasevangelium spezifisch jüdische Religionsfragen<br />

und hatte daher Heidenchristen als Adressaten.<br />

Abfassungszeit: Die Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. wird vom Lukasevangelium vorausgesetzt<br />

(19,41-44; 21,20-24). Für eine Abfassung zwischen 80 und 90 n. Chr. spricht, daß im<br />

Lukasevangelium – ebenso wie in der Apostelgeschichte – die Christen dem römischen Staat<br />

als loyale Bürger empfohlen werden sollen, doch seit den Christenverfolgungen Domitians in<br />

den 90er Jahren n. Chr. wäre die Hoffnung auf römische Toleranz wohl kaum mehr angezeigt<br />

gewesen. Der Lukasevangelist dagegen versucht noch, den christenfreundlichen Charakter der<br />

Römer zu betonen und gibt deshalb den Juden die Alleinschuld am Tode Jesu; Pilatus wird<br />

öfter als bei Markus in den Mund gelegt, daß er keine Schuld an Jesu finde (vgl. Luk.<br />

23,4.14f.22), und es wird sogar die Episode ausgelassen, daß römische Soldaten Jesus eine<br />

Dornenkrone aufsetzen (Mark. 15,16-20 ist bei Lukas ohne Parallele). Der Abfassungsort ist<br />

schwer zu bestimmen: da der Lukasevangelist im Bereich paulinischer Gemeinden lebte,<br />

könnte er seine Schriften in Kleinasien, Griechenland oder Antiochia geschrieben haben, doch<br />

könnte die romzentrierte Perspektive der Apg. auch auf Rom als Abfassungsort des lukanischen<br />

Doppelwerkes hinweisen.<br />

Quellen: Der Stoff des Lk.Ev. besteht zu 30 % aus Markus, zu 20 % aus der Logienquelle und<br />

50 % sind Sondergut. Anders als der Matthäusevangelist, der u. a. seine großen Jesusreden<br />

aus dem Material aller drei Quellen komponiert hat, stellt der Lukasevagenlist seine Quellen<br />

im ganzen blockweise hintereinander:<br />

Luk. 1,5 – 2: Kindheitsgeschichten (Sondergut)<br />

3 – 6,19: Markus-Stoff (1,2.21 – 3,19)<br />

6,20 – 8,3: „Kleine Einschaltung“ aus Q-Stoff und Sondergut<br />

8,4 – 9,50: Markus-Stoff (4,1-25; 3,31-35; 4,35 – 6,44; 8,27 – 9,40)<br />

9,51 – 18,14: „Große Einschaltung“ aus Q-Stoff und Sondergut in den „Reisebericht“<br />

18,15 – 24,10: Markus-Stoff (10,13 – 16,8)<br />

24,12-53: Sondergut<br />

Nur die Hälfte der Verse des Markusevangeliums wurden vom Lukasevangelisten übernommen<br />

(während der Matthäusevangelist fast den gesamten Markus integriert); bei Lukas ist<br />

besonders auffällig, daß das ganze Stück Markus 6,45 – 8,26 keine Parallele hat. Man hat daran<br />

gedacht, daß der Lukasevangelist ein beschädigtes Markus-Exemplar (mit Textausfall) zur<br />

Verfügung hatte, doch wahrscheinlicher sind innere Gründe für die Lücke: der Verfasser<br />

wollte offenbar die in Mark. 6,45ff. geschilderte „Auslandsreise“ Jesu übergehen. Nach dem

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