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Jens Peter Clausen: Historisch-kritischer Bibel-Überblick

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<strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Clausen</strong>: <strong>Historisch</strong>-<strong>kritischer</strong> <strong>Bibel</strong>-Überblick 29<br />

Der Autor der Hiob-Dichtung läßt Gott auf Hiobs existentielle Fragen nun scheinbar inadäquat<br />

antworten, indem er Gott auf Hiobs Leiden gar nicht eingehen läßt, sondern nur seine<br />

Überlegenheit demonstrieren läßt. O. Keel führt die Gottesreden auf drei voneinander abzugrenzende<br />

Mythen zurück: den Schöpfungsmythos, den Mythos von Jahwe als Herrn der Natur<br />

und den ursprünglich ägyptischen Mythos von Horus = Jahwe und dem bösen Gott Seth,<br />

verkörpert durch zwei Ungeheuer, den nilpferdartigen Behemot und den krokodilartigen Leviatan<br />

(40,15-32). Fazit ist aller drei Mythen ist, daß Gott dem Bösen und Ungeordneten in<br />

der Schöpfung einen gewissen Spielraum läßt, obwohl er allen Chaosmächten weit überlegen<br />

ist. Das ist die Antwort des Dichters auf das „Hiob-Problem“, Hiob wird gleichsam aus seiner<br />

Anthropozentrik zur Kosmo- und Theozentrik gelöst. Mit dieser Antwort auf das Hiob-Problem<br />

ist freilich Hiobs existentielle Frage noch nicht beantwortet; hier kann es nur bei der<br />

durch das Ende der Rahmenerzählung ausgesprochenen Hoffnung bleiben, daß Gott die Leidenden<br />

nicht für immer im Leid beläßt. In der Kritik am Verhalten der drei Freunde läßt sich<br />

für die mitmenschliche Solidarität mit Leidenden ableiten, Leid nicht vorschnell erklären zu<br />

wollen und es nicht in erster Linie verstehen, sondern vor allem bestehen zu wollen.<br />

Das Buch der Psalmen (der Psalter) (hebr. Tehillim = Preisungen): eine Zusammenstellung<br />

von 150 gottesdienstlicher Liedern unterschiedlicher Gattung und Herkunft, „könnt wohl eine<br />

kleine <strong>Bibel</strong> heißen: da siehst du allen Heiligen ins Herz“ (Luther). Der christliche Titel<br />

„Psalmen“ stammt aus der LXX, wo die am häufigsten (57 mal) als Psalmüberschrift begegnende<br />

Bezeichnung hebr. mizmor „Sprechgesang“ mit „psalmos“ übersetzt ist.<br />

Psalmenzählung: Psalm 9 + 10 sowie 42 + 43 sind letztlich nur ein Psalm; Psalm 19 besteht<br />

dagegen deutlich aus ursprünglich zwei Psalmen. LXX und Vulgata fassen zweimal zwei<br />

Psalmen zu einem zusammen, Ps. 9f. zu Recht, Ps. 114f. zu Unrecht; in zwei Psalmen zerlegt<br />

werden Ps. 116 und 147; so ist die griechische und lateinische Zählung meist um eine Ziffer<br />

geringer als die hebräische und deutsche, nach dem Schema:<br />

hebräisch/deutsch griechisch/lateinisch<br />

1 – 9/10 1 – 9<br />

11 – 114/115 10 – 113<br />

116,1-9 114<br />

116,10-19 115<br />

117 – 147,1-11 116 – 146<br />

147,12-20 – 150 147 – 150<br />

151 (zusätzlicher Psalm in der LXX)<br />

Psalmengattungen: Klagelied eines Einzelnen (KE) und Klagelied des Volkes (KV); Vertrauenslied<br />

eines Einzelnen (VE) und Vertrauenslied des Volkes (VV), Danklieder eines Einzelnen<br />

(DE) und Danklieder des Volkes (DV, selten, umstritten). Ferner Hymnen (H), mit einem<br />

Imperativ eingeleitete Hymnen (HI) und Liturgien (Li), in denen verschiedene Kultteilnehmer<br />

als Sprecher auftreten.<br />

Abfassungszeit der Psalmen (Datierung schwierig): vorexilisch sind Ps. 2, 24, 29, 45 – 48, 60,<br />

72, 93, 110, exilisch sind Ps. 44, 74, 79, 126, 137, ferner in ihrer Primärgestalt vielleicht 3 –<br />

7, 11 – 14, 18, 21, 89, 102. Die übrigen Psalmen sind nachexilisch.<br />

Entstehung des Psalmenbuches: Im Tempel wurden einzelne Psalmen während des täglichen<br />

Opfers von einem Levitenchor vorgetragen (vgl. 1. Chron. 16; Sir. 50,15-21), auch wurden<br />

bestimmte Psalmen im Tempel bei Liturgien von allen gesungen. Die meisten Psalmen sind<br />

jedoch „nachkultisch“ entstanden (in einigen findet sich sogar Opferkritik: Ps. 40, 50, 51 und<br />

69). Seit frühjüdischer Zeit wurde der Psalmengesang nämlich auch privat in häuslichen gottesdienstlichen<br />

Versammlungen gepflegt.<br />

Die ersten Teilsammlungen dürften Korachpsalter (42 – 49) und Asaphpsalter (73 – 83) gewesen<br />

sein, beide von Sängerfamilien am Zweiten Tempel verfaßt. In einer zweiten Phase<br />

entstanden größere „Gesangbücher“, so in Juda die Davidpsalmen (3 – 41) und in Nordisrael

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