Zukunft Schiene - Siemens Mobility
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Und was kann man tun, die Bremswegabstände zu<br />
verkürzen?<br />
Der Stahlrad-<strong>Schiene</strong>-Kontakt ist mit seiner geringen<br />
Reibung energetisch sehr vorteilhaft beim<br />
Rollen, beim Bremsen aber gerade nicht. Daran<br />
werden wir nicht so viel ändern können. Technologisch<br />
schaffen wir kürzere Bremswege nur<br />
durch die Weiterentwicklung des Rad-<strong>Schiene</strong>-<br />
Bremssystems, zum Bei spiel mit Wirbelstrombremsen<br />
statt mechanischer Brem sen. Wir müssen weiterhin<br />
über die Investition in Intelligenz statt in<br />
Beton und Stahl nachdenken. Durch intelligente<br />
Leittechnik wie ETCS, Vergleichmäßigung von<br />
Fahrprofilen auf der Strecke und vorausschauende<br />
Betriebssteuerung lässt sich die Durchlassfähigkeit<br />
massiv steigern. So kann die Eisenbahn<br />
leistungsfähiger werden und tatsächlich an den<br />
Transport-Durchsatz einer Straße rankommen.<br />
Die Forschungsleistung liegt dort zunächst im<br />
betriebsorganisatorischen Bereich, unterstützt<br />
durch Intelligenz und Telematik.<br />
Das Kuppeln von Fahrzeugen auf der Autobahn,<br />
die Elektronische Deichsel, kennt man ja seit<br />
Jahren. Kann das der Straße dann wieder Vorsprung<br />
gegenüber der <strong>Schiene</strong> verschaffen?<br />
Das ist eine Sicherheitstechnologie, aber wirtschaftlich<br />
ist sie sicher nicht. Das elektronische<br />
Kuppeln auf langen Autobahnstrecken befreit uns<br />
ja nicht davon, die Verbindung am Ende der elektronisch<br />
gefahrenen Strecke wieder zu trennen –<br />
und dann braucht der Lkw wieder einen Fahrer.<br />
Der Personalbestand bleibt erhalten, der technische<br />
Aufwand steigt. Technisch machbar ist das<br />
natürlich. Wir können auch Eisenbahnwagen<br />
elektronisch kuppeln, wenn sie mit eigenem<br />
Antrieb und eigener Leittechnik ausgerüstet sind.<br />
Das könnte aber keiner bezahlen.<br />
Lassen Sie uns doch kurz über die gesellschaftliche<br />
und politische Akzeptanz der <strong>Schiene</strong><br />
sprechen. Da gibt es ja deutliche Unterschiede<br />
weltweit ...<br />
Dass die Akzeptanz weltweit verschieden ist, kann<br />
ich unterschreiben. Dass aber die Eisenbahn zum<br />
Beispiel in entwickelten Ländern weniger angesehen<br />
wäre, sehe ich nicht. Auch in den USA, wo 60<br />
Prozent des Güterferntransports über die <strong>Schiene</strong><br />
abgewickelt werden, ist die Eisenbahn nicht grundsätzlich<br />
politisch benachteiligt. Sicher könnte man<br />
sich in Deutschland mehr Akzeptanz wünschen; das<br />
liegt aber auch daran, dass die Wertschöpfung derzeit<br />
mehr in anderen Wirtschaftsbereichen stattfindet<br />
und weniger in der Eisenbahnindustrie. Dass in<br />
der Schweiz die Bahn gut im Bewusstsein der Menschen<br />
verankert ist, liegt an ihrer historisch guten<br />
Vernetzung. Schweizer Bahnen bieten auf engem<br />
Zur Person: Arnd Stephan<br />
como 09 | September 2012 horizon<br />
Raum ein exzellentes Verkehrsangebot, das übrigens<br />
auch wieder durch klare Tarifangebote und<br />
Informationen gestützt wird – da waren die Schweizer<br />
immer gut. Auch in China beispielsweise hat die<br />
Eisenbahn schon immer viel transportiert, sie ist<br />
konsequent in die Logistikkette eingebunden und<br />
übernimmt den Transport über große Entfernungen.<br />
Die Strecken werden ausgebaut, schnelle und<br />
langsame Verkehre voneinander getrennt. Das kostet<br />
natürlich viel Geld, ist aber keine Frage der politischen<br />
Bevorteilung, sondern Teil eines langfristigen<br />
Wirtschaftskonzepts. Wie wollen wir langfristig<br />
im Land wirtschaften? Wie fördern wir die Vernetzung<br />
des Landes, um eine höhere Wirtschaftsleistung<br />
zu erreichen? Politische Unterstützung muss<br />
sein, weil die Investitionen ja letzten Endes doch<br />
meist aus dem Staatshaushalt kommen.<br />
Auch in Deutschland scheint die gesellschaftliche<br />
Akzeptanz für Mobilität auf der <strong>Schiene</strong> zu<br />
steigen.<br />
Die Statistik der Fahrgastzahlen im 1. Halbjahr 2012<br />
zeigt eine traumhafte Steigerung. Das hat sicher mit<br />
politischen und wirtschaftlichen Randbedingungen<br />
wie der Spritpreisentwicklung zu tun, aber aus meiner<br />
Sicht auch mit einem zunehmend attraktiven<br />
Angebot. Denn die Bahn ist viel besser als ihr Leumund.<br />
Ich bin oft mit dem Zug unterwegs, weil ich<br />
mich während der Fahrt in Ruhe auf Besprechungen<br />
und Vorträge vorbereiten kann. Das ist in keinem<br />
anderen Verkehrsmittel so. Schlecht über die Bahn<br />
reden meist die, die selten oder gar nicht fahren.<br />
Herr Prof. Stephan, herzlichen Dank.<br />
Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan studierte Elektrotechnik/Elektrische<br />
Bahnen an der Hochschule<br />
für Verkehrswesen in Dresden, schloss 1990<br />
mit dem Diplom ab und promovierte 1995.<br />
Zunächst Lehrbeauftragter für das Fachgebiet<br />
Elektrische Bahnen an der Verkehrsfakultät der<br />
TU Dresden, wurde er dort 2002 zum Honorarprofessor<br />
für Unkonventionelle elektrische<br />
Verkehrssysteme ernannt. Seit 2008 ist er<br />
dort Professor für Elektrische Bahnen.<br />
Von 1993 bis 2008 war Stephan auch für das<br />
IFB Institut für Bahntechnik in Dresden tätig,<br />
ab 2003 als Prokurist. Außerdem ist er seit<br />
2004 Geschäftsführender Direktor des Kompetenzzentrums<br />
für Hochleistungsbahnen und<br />
Magnetbahnsysteme an der TU Dresden.<br />
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