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Die gesamte Ausgabe 1/2008 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...

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Titel: Früher und Heute<br />

Von der Prachtstraße zur Einkaufsmeile<br />

Beschreibungen der Zeil früher und<br />

heute könnten kaum gegensätzlicher<br />

sein. 1843 wird die 600 Meter<br />

lange Zeil zwischen Hauptwache und<br />

Konstablerwache <strong>als</strong> klassizistisch-elegante<br />

Prachtstraße beschrieben: „Niemand,<br />

und wäre sein Auge auch durch<br />

den Besuch der größten Hauptstädte<br />

Europas verwöhnt, wird dieser Zeile von<br />

Palästen seine Bewunderung versagen.“<br />

In unserer Zeit gilt die Zeil <strong>als</strong> eine der<br />

frequentiertesten und umsatzstärksten<br />

Einkaufsmeilen Deutschlands. Zwischen<br />

70.000 und 100.000 Menschen besuchen<br />

sie täglich. Heute wird sie eher <strong>als</strong><br />

hässlich, hektisch und heruntergekommen<br />

wahrgenommen. Wieder eine „Prachtstraße“<br />

ist schwerlich aus ihr zu machen,<br />

aber Verbesserungen sind möglich, sind<br />

geplant und werden kommen.<br />

Zeil war Viehmarkt<br />

<strong>Die</strong> vor der Staufenmauer des 12. Jahrhunderts<br />

in der Neustadt gelegene „Zeil“<br />

hat ihren Namen von einer Häuserzeile,<br />

die im 14. Jahrhundert auf der Nordseite<br />

entstanden war. Bis ins 18. Jahrhundert<br />

hinein diente sie <strong>als</strong> Viehmarkt. Doch<br />

schon im 16. Jahrhundert gab es dort<br />

Claus Bromms prächtiges Anwesen und<br />

im 17. Jahhundert den Renaissancepalast<br />

Rotes Haus. Neben Gasthöfen<br />

und Hotels begegnen uns dann <strong>als</strong> Anwohner<br />

der Zeil die Familien von Lersner,<br />

von Barckhausen, Mumm von Schwarzenstein<br />

und von Rothschild. Auch die<br />

Malerfamilie Morgenstern und der<br />

Kunstsammler Johann Valentin Prehn,<br />

Merian, der Großherzog von Darmstadt<br />

und die Thurn und Taxis’sche Post fanden<br />

sich auf der Zeil. Von 1741–1744<br />

residierte dort sogar Kaiser Karl VII.<br />

Um 1800 erhielt die Zeil ihr vielgerühmtes<br />

klassizistisches Gepräge und wurde<br />

Foto: Institut für Stadtgeschichte<br />

Zeil um 1900... ...und heute<br />

zur „glänzenden Hauptstraße, welche<br />

man den Frankfurter Corso nennen<br />

könnte“. Aus den Palästen, hinter denen<br />

zum Teil tiefe Gärten lagen, ragte das Palais<br />

Schweitzer heraus, das nach 1827<br />

das Nobelhotel Russischer Hof wurde.<br />

Geprägt von Palästen<br />

Nach der Eröffnung des Hauptbahnhofs<br />

(1888) verlagerte sich das Leben auf den<br />

Rossmarkt und in die Kaiserstraße. Doch<br />

schon bald konnte die Zeil durch die Errichtung<br />

großer Geschäfts- und vor allem<br />

Warenhäuser ihr verloren gegangenes<br />

Terrain zurückerobern. Sie wurde zur<br />

Einkaufs- und Geschäftsstraße ersten<br />

Ranges. <strong>Die</strong> Reichspost hatte 1890/92<br />

mit ihrem Kuppel gekrönten mächtigen<br />

Bau den Anfang gemacht. Es folgten die<br />

dominierenden Kaufhäuser „Grand Bazar“<br />

(1905/07) an der Schäfergasse, Schneider<br />

(1907) und auf der Südseite bald darauf<br />

Wronker. 1887/92 war die Zeil nach Osten<br />

um die Neue Zeil bis zur Friedberger<br />

Anlage verlängert worden, die aber bis<br />

heute nie einen ähnlichen Rang erlangen<br />

konnte.<br />

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

entstanden auf der Südseite etliche<br />

Neubauten. Immer mehr Straßenbahnen,<br />

Autos und Fußgänger wälzten<br />

sich durch die Zeil. 1973 wurden die<br />

Autos von der Zeil verbannt, drei Jahre<br />

später folgten die Straßenbahnen, um<br />

für den U- und S-Bahn-Bau den Weg frei<br />

zu machen.<br />

„Frankfurt hat sie wieder“ hieß es im<br />

Frühjahr 1982: <strong>Die</strong> Zeil wurde <strong>als</strong> Fußgängerzone<br />

eingeweiht. Eine Viererreihe<br />

von 410 Platanen, Rundbänke,<br />

Schmuckpflaster, vier Pavillons und besondere<br />

Laternen prägten die Straße.<br />

Dazu kamen Kunstwerke wie „David und<br />

Goliath“ von Richard Heß und der Lutz-<br />

Brockhaus-Brunnen. Der Erfolg kam zurück<br />

– für manchen allzu sehr. <strong>Die</strong> Mieten<br />

stiegen, die Cafés und Restaurants verschwanden.<br />

Inhabergeführte Geschäfte<br />

wie Ammerschläger und M. Schneider<br />

wurden von den Filialen großer Ketten<br />

verdrängt. Schließlich verschwand auch,<br />

von Protesten begleitet, die Hauptpost.<br />

<strong>Die</strong> Zeil verlor an Vielfalt.<br />

Neugestaltung kommt<br />

Foto: FKK, Christ<br />

Nach manchen Bemühungen, zu denen<br />

ein europaweiter Ideenwettbewerb und<br />

Vorschläge wie Überdachung der Straße<br />

oder Wiederöffnung für den Autoverkehr<br />

gehörten, bahnt sich nun eine<br />

Neugestaltung an. Grundlage sind Vorschläge<br />

der Vereinigung „Zeil aktiv“, der<br />

Anlieger und Kommunalpolitiker und<br />

städtische Gremien angehören. Wann<br />

die Pläne umgesetzt werden, hängt von<br />

der Fertigstellung von „FrankfurtHoch-<br />

Vier“ ab. Das Großprojekt entsteht an<br />

der Stelle der früheren Hauptpost, führt<br />

bis zur Großen Eschenheimer Straße<br />

und umfasst die Rekonstruktion des<br />

Palais Thurn und Taxis.<br />

<strong>Die</strong> Baumreihen werden sich an mehreren<br />

Stellen zu Plätzen öffnen, zwei neue<br />

Pavillons die vier alten ersetzen. Sondernutzungen<br />

sollen stark eingeschränkt<br />

werden, Verkaufsstände wegfallen. <strong>Die</strong><br />

seitlichen Gehwege erhalten ein neues<br />

Pflaster, das Beleuchtungskonzept wird<br />

erneuert. Wenn dann noch Vorschläge<br />

von „Zeil aktiv“ zur Sicherheit, Sauberkeit<br />

und Durchführung von Veranstaltungen<br />

umgesetzt werden, dann mag<br />

die Zeil wieder ein „Corso“ werden und<br />

zum Flanieren und Verweilen einladen.<br />

Hans-Otto Schembs<br />

SZ 1/<strong>2008</strong><br />

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