Die gesamte Ausgabe 1/2008 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...
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SZ-Autor Hans-Otto Schembs informiert sich über die Stadtentwicklung. Foto: FKK, Christ<br />
Wurst zu kaufen, und in die Gaststätten<br />
am Markt, so in die „Alte Eule“. Aber das<br />
Geschäftsleben spielte sich schon lange<br />
außerhalb der Altstadt ab, auf der Zeil,<br />
am Rossmarkt, in der Kaiserstraße.<br />
Anders <strong>als</strong> das bisher Erfahrene schildert<br />
Schreinermeister Carl Muth die Altstadt<br />
(um 1910/30). Sein Elternhaus war das<br />
Haus zum Holderbaum in der Bendergasse,<br />
das mit dem Nebenhaus zum<br />
Kleinen Hirschhorn zu einer Einheit durch<br />
ein genial angelegtes Treppenhaus verbunden<br />
war. „Unsere Küche und die behaglichen<br />
großen Wohnzimmer – der<br />
erste Stock war 3,20 Meter hoch – hatten<br />
ihren Eingang vom Vorplatz aus. Breite<br />
Fenster und schmale Pfeiler sorgten für<br />
ungehinderten Einlaß des Lichtes. Mein<br />
Schlafzimmer hatte ein großes Fenster<br />
nach dem Vorplatz und bot den schönsten<br />
Blick in das durch das große Oberlicht<br />
taghell ausgeleuchtete Treppenhaus<br />
und verband das Vorderhaus mit den<br />
Räumen nach der Saalgasse. Auch in<br />
diesen großen Räumen waren sämtliche<br />
Wände mit Rheinlandschaften ausgemalt.<br />
Sie stammten ebenfalls aus der<br />
Schule des Frankfurter Malers Schütz.“<br />
Wohnlich, sauber, schön<br />
Als Fried Lübbecke 1922 einerseits den<br />
Verfall der Altstadt, andererseits ihre<br />
Qualität sah, legte er die Hände nicht in<br />
den Schoß. Er gründete den Bund tätiger<br />
Altstadtfreunde, dessen Aufgabe es<br />
war, die Altstadt auf sozialem, hygienischem<br />
und künstlerischem Gebiet zu<br />
fördern. Lübbecke gelang es, den Frankfurtern<br />
die Augen für die Altstadt zu öffnen<br />
und die Altstadt wohnlich, sauber<br />
und schön zu machen. Nach 1933 ging<br />
die Sanierung in städtische Hände über.<br />
Nach nur wenigen Jahren wurde dieses<br />
große Engagement für die Altstadt im<br />
März 1944 im Bombenhagel des Zweiten<br />
Weltkriegs zunichte gemacht. Unwieder-<br />
bringlich, wie die Entwicklung nach 1945<br />
mit breiten Verkehrsachsen durch die<br />
Altstadt und dem Wiederaufbau nur<br />
repräsentativer Gebäude lehrt.<br />
Unwiederbringlich? <strong>Die</strong> 1983 vollendete<br />
Rekonstruktion des Schwarzen Stern<br />
und der Häuser am Samstagsberg zeigen,<br />
dass bei entsprechendem Einsatz<br />
auch andere Lösungen möglich sind. Jetzt<br />
bahnt sich nach zweieinhalbjähriger<br />
Diskussions- und Planungsphase im Kernbereich<br />
der Altstadt, dem Bereich des<br />
seinem Abriss entgegen sehenden<br />
Technischen Rathauses, eine Lösung an.<br />
<strong>Die</strong>se soll dem kleinteiligen historischen<br />
Charakter des Quartiers und der historischen<br />
Bedeutung gerecht werden und<br />
sie erlebbar machen. Gemäß einem Rahmenplan,<br />
dem die Stadtverordneten im<br />
September 2007 zustimmten, werden<br />
dort bis 2013 am Alten Markt (dem Krönungsweg),<br />
Hühnermarkt und Hinter dem<br />
Lämmchen 30 Häuser entstehen. <strong>Die</strong><br />
am besten dokumentierten Häuser Goldene<br />
Waage, Rotes Haus, Klein Nürnberg,<br />
Goldenes Lämmchen, Alter Esslinger,<br />
Junger Esslinger und eventuell<br />
Haus Rebstock werden rekonstruiert.<br />
<strong>Die</strong> übrigen Häuser, für die noch eine<br />
Gestaltungssatzung erarbeitet werden<br />
muss, sollen durch individuellen Charakter,<br />
detailreiche Fassaden, Verwendung<br />
von Natursteinen aus der Region<br />
und von erhaltenen Resten der zerstörten<br />
Häuser den alten Formen gleichen.<br />
Dabei sind weitere Rekonstruktionen<br />
möglich, was einer sinnvollen und wünschenswerten<br />
Ensemblebildung entgegenkäme.<br />
<strong>Die</strong> Geländehöhen werden<br />
dem historischen Niveau angepasst. Für<br />
den Archäologischen Garten wird ein<br />
Architektenwettbewerb ausgelobt.<br />
Ein lebendiges Quartier<br />
Um ein lebendiges Quartier zu erhalten,<br />
ist wie ehedem in der Altstadt <strong>als</strong><br />
Nutzung eine Mischung aus Wohnen,<br />
kleinen Läden, Gewerbe- und Gastronomiebetrieben<br />
vorgesehen. <strong>Die</strong> Häuser<br />
werden durch einen einzigen Bauträger<br />
errichtet, die einzelnen Parzellen in Erbpacht<br />
an bevorzugt private Investoren<br />
vergeben. Es gibt bereits eine Liste von<br />
vielen Interessenten, die sich in den Häusern<br />
niederlassen oder in sie einziehen<br />
wollen. Zu ihnen zählt beispielsweise<br />
Frank Albrecht, dessen Parfümerie auf<br />
ein 1732 im Haus Würzgarten am Markt<br />
gegründetes Geschäft zurückgeht. Auch<br />
Ernesto Melber und seine Töchter<br />
möchten im Haus zum Esslinger ein<br />
Café einrichten; sie sind Nachkommen<br />
von Georg Adolf Melber, verheiratet mit<br />
der Schwester von Goethes Mutter, der<br />
in diesem Haus eine Materialwarenhandlung<br />
betrieb. Der junge Goethe<br />
weilte dort des Öfteren. So wird nicht<br />
nur dieses Haus, sondern der <strong>gesamte</strong><br />
Bereich ohne Zweifel ein besonderer<br />
Anziehungspunkt für Frankfurter und für<br />
die Touristen werden.<br />
Hans-Otto Schembs<br />
<strong>Die</strong> rekonstruierte Altstadt am Samstagsberg gegenüber dem Römer. Foto: pia, Tanja Schäfer<br />
SZ 1/<strong>2008</strong><br />
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