anfänge - Stadtsportbund Bonn eV
anfänge - Stadtsportbund Bonn eV
anfänge - Stadtsportbund Bonn eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
30<br />
PIONIER<br />
(1961) einen der engagiertesten <strong>Bonn</strong>er der damaligen<br />
Zeit. Festhalten am starren Hallenturnbetrieb war nicht das<br />
Ding des <strong>Bonn</strong>er Bewegungspapstes. Sein Motto: „Heraus<br />
aus den Hallen auf den grünen Rasen und Ergänzung des<br />
bisherigen Turnens durch Bewegungsspiele im Freien!“<br />
Sachlich, nüchtern der Weltverband für Sportmedizin<br />
2003 bei seinem Kongress in Leipzig: Bereits vor mehr als<br />
hundert Jahren haben deutsche Mediziner auf den Wert<br />
regelmäßig betriebener Körperübungen für die Gesunderhaltung<br />
und Leistungsfähigkeit des Menschen bis ins<br />
hohe Alter hingewiesen. Stellvertretend sei genannt Ferdinand<br />
August Schmidt mit seinen Standardwerken: „Die<br />
Leibesübungen nach ihrem körperlichen Übungswert dargestellt“<br />
(1893), „Unser Körper“ (1899), „Physiologie der<br />
Leibesübungen“ (1905) und „Das Schulkind nach seiner<br />
körperlichen Eigenart und Entwicklung (1914). Es blieb<br />
nicht aus, dass der Experte zu ausführlichen Vortragsreisen<br />
nach Schweden und in die USA eingeladen wurde.<br />
Die Leitfigur des Sports in der Kaiserzeit blieb immer auch<br />
Praktiker. Er war leitender Schularzt und 32 Jahre Stadtverordneter,<br />
Mitbegründer des Vereins Beethovenhaus<br />
(bis zum Tod Vorsitzender) und des Vereins zur Rettung<br />
des Siebengebirges. Ohne Schmidt und elf weitere Bürger,<br />
die das verfallende Anwesen kauften, würde es Beethovens<br />
Geburthaus möglicherweise heute nicht mehr<br />
geben. Als Student war er dem <strong>Bonn</strong>er Turnverein 1860<br />
beigetreten, dessen Vorsitzender er 1882 wurde. Damals<br />
wurde auf sein Betreiben auch der Verein für Körperpflege<br />
in Volk und Schule gegründet. Freiwillige Spiele der<br />
Volksschuljugend und der höheren Lehranstalten auf dem<br />
Arndtplatze standen auf dem Programm. Erstmals wurde<br />
eine Turnabteilung für Mädchen gebildet.<br />
1908 fanden sich dann auf Schmidts Betreiben etwa 30<br />
Organisationen zusammen zur Vereinigung <strong>Bonn</strong>er Turnund<br />
Sportvereine. Das war der Vorläufer des heutigen<br />
<strong>Stadtsportbund</strong>es, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag<br />
feiert.<br />
Wenn es heute Tausende von Übungsleitern überall in<br />
Deutschland gibt, ist das auch ein Verdienst des <strong>Bonn</strong>er<br />
Sportpioniers und der hiesigen Universität. Im Winter<br />
1892/93 begann an der Uni unter Leitung von Fritz Schröder<br />
der erste Lehrgang zur Ausbildung von Turnlehrern.<br />
Den sportärztlichen Unterricht erteilte über 30 Jahre Sanitätsrat<br />
Schmidt, der auch dafür gesorgt hatte, dass <strong>Bonn</strong><br />
eine der ersten Städte war, die einen geregelten schulärztlichen<br />
Dienst einrichtete. Städtische Spielkurse waren<br />
kostenfrei. Allerdings mussten fünf Mark berappt werden.<br />
Dafür gab es „verschiedene die körperliche Erziehung<br />
sowie die Jugendspiele betreffende Schriften. Nach<br />
beendigtem Lehrgang wurden sämtlichen Teilnehmern<br />
Zeugnisse über ihrer Befähigung als Spielleiter ausgestellt.<br />
Anmeldungen für den Übungsleiterlehrgang waren<br />
an Schmidt zu richten, der 1908 bilanzierte: „Im Jahre<br />
100 Jahre SSB <strong>Bonn</strong> e.V.<br />
1907 wurden im deutschen Reiche 1318 Spielleiter und<br />
809 Spielleiterinnen ausgebildet.<br />
Nicht alle Vorhaben waren von Erfolg gekrönt. Bereits im<br />
Mai 1891 war in Berlin von Emil Freiherr von Schenckendorff<br />
der Zentralausschuss zur Förderung der Volks- und<br />
Jugendspiele gegründet worden. Mitgründer F. A. Schmidt<br />
war über 25 Jahre der Vertreter des Berliner Reichstagsabgeordneten.<br />
In der damaligen Kontroverse zwischen<br />
Turnen und Sport präsentierte sich der Zentralausschuss<br />
als Initiator einer gemeinsamen Spielbewegung, um seine<br />
Neutralität zu belegen. Aus lokalen vaterländischen Festspielen<br />
sollten die besten Athleten der damals betriebenen<br />
Sportarten ermittelt werden. Die sollten sich dann<br />
zum Deutschen Olympia am Niederwald-Denkmal in<br />
Rüdesheim treffen. Die Planung für die Durchführung lag<br />
in den Händen von Schmidt.<br />
Konkurrenz drohte aus Athen. Beim heute unverständlichen<br />
Streit über die Beteiligung Deutschlands am Olympia<br />
1896 wurde Schmidt vom Zentralausschuss beauftragt,<br />
das Antwortschreiben an das griechische Organisationskomitee<br />
zu entwerfen. (Dr. Karl Lennartz, 1981).<br />
Neben der Deutschen Turnerschaft stemmte sich der <strong>Bonn</strong>er<br />
im Herbst 1895 deutlich gegen eine Teilnahme. Er war<br />
für Verzicht zugunsten eines deutsch-nationalen Olympia.<br />
Dafür entwickelte er ein eigenes Festprogramm.<br />
Daraus wurde nichts, nicht zuletzt, weil die Deutsche Turnerschaft<br />
einen Bedeutungsverlust ihrer Turnfeste fürchtete.<br />
Sie war nur noch für dezentrale Nationalfeste zu<br />
haben. Aus der Traum. Enttäuscht kehrte Schmidt 1897<br />
dem Vorstand der Deutschen Turnerschaft, dem er zehn<br />
Jahre angehört hatte, den Rücken.<br />
Dafür hatte der Zentralausschuss auf einem anderen Gebiet<br />
einen durchschlagenden Erfolg. In Preußen, wo die Spielbewegung<br />
entstanden war, gab es 1908 erstmals einen Posten<br />
im Haushalt des Kultusministeriums. Um Leibesübungen<br />
zu einem „die Schulzeit überdauernden Bedürfnis“ zu<br />
machen, wurden 200 000 Mark bewilligt. Das „bedeutete<br />
eine offizielle Anerkennung des Sports als Kulturgut.<br />
Zugleich eröffnete sie eine neue Ära der Sportfinanzierung,<br />
schreibt Christiane Eisenberg in ihrem Buch „English sports<br />
und deutsche Bürger“ (1999). Aus dem Zentralausschuss<br />
wurde 1921 der Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen<br />
als Vorläufer des Deutschen Sportbundes.<br />
Am 14. Februar 1929 starb der Geheime Sanitätsrat Dr. F. A.<br />
Schmidt im Alter von 77 Jahren. Seine letzte Ruhestätte<br />
fand der Ehrenbürger der Stadt <strong>Bonn</strong> auf dem Alten Friedhof<br />
an der Bornheimer Straße.<br />
von Sigurd Panne