7 GlossarSoziale Sicherung/Soziale SicherheitSoziale Sicherheit ist ein Recht, das in der Menschenrechtserklärung verankert ist. Es wird durch sozialeSicherung realisiert. Im engeren Sinn wird darunter die Absicherung gegen die wichtigen sozialen RisikenKrankheit, Behinderung, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit, Verlust des Ernährers (Tod des Ehepartners, derEltern), Mutterschaft und Familienlasten verstanden. In einem weiteren Sinn übernehmen auch sozialeEinheiten wie Familie und Verwandtschaft Aufgaben der sozialen Sicherung.Sozialer NahraumDer soziale Nahraum umfasst alle Personen im Umfeld eines Menschen, zu denen eine persönliche Beziehungbesteht. Oft wird unterschieden zwischen einem primären Netz, das aus Familie und Verwandtschaftbesteht, und einem sekundären Netz, zu dem Freundeskreis und Bekannte, aber auch die Nachbarschaftgehören.SozialhilfeSozialhilfe ist definitionsgemäss das letzte soziale Netz, das die Existenzsicherung gewährleistet. Obwohldie Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) Richtlinien erlässt, sind die Leistungen der Sozialhilfevon Kanton zu Kanton, ja sogar von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Typisch für dieses letzteNetz ist jedoch überall, dass es auf individuelle Notlagen ausgelegt ist und daher finanzielle Unterstützung<strong>mit</strong> persönlicher Beratung kombiniert. Real sind es jedoch zunehmend strukturelle Probleme wie einschwieriger Erwerbseinstieg für Junge, Alleinerziehendensituationen oder Langzeitarbeitslosigkeit im fortgeschrittenenAlter, welche die Fallzahlen in der Sozialhilfe ansteigen lassen.<strong>Sozialpolitik</strong> (im weiteren und im engeren Sinn)<strong>Sozialpolitik</strong> ist die Bezeichnung für Massnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialenSituation insbesondere benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen. Träger der <strong>Sozialpolitik</strong> sind vornehmlichder Staat, daneben aber auch Unternehmen, Hilfswerke, Kirchen, Vereine und Selbsthilfegruppen. Imengeren Sinn wird der Begriff der <strong>Sozialpolitik</strong> für Massnahmen verwendet, die der direkten Armutsbekämpfungund –verhinderung dienen: Es sind dies vor allem die Sozialversicherungen, die Sozialhilfe unddie weiteren kantonalen Bedarfsleistungen. Zur <strong>Sozialpolitik</strong> im weiteren Sinn gehören jedoch auchandere für die soziale Situation entscheidende Politikbereiche wie Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Bildung,Gesundheit, Wohnungsmarkt, Steuerrecht usw. dazu.SozialstaatEin Sozialstaat ist ein Staat, der in seinem Handeln soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit anstrebt,um die Teilhabe aller an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu gewährleisten. Der Begriffumfasst auch die Gesamtheit staatlicher Einrichtungen, Steuerungsmassnahmen und Normen, um dasZiel zu erreichen, Lebensrisiken und soziale Folgewirkungen abzufedern. Ein Sozialstaat verpflichtet sich,für einen sozialen Ausgleich der Gesellschaft zu sorgen. Die Schweiz hat dies in ihrer Bundesverfassungverankert (Artikel 2, 12, 41 und 94). Im englischen Sprachraum gebräuchlicher ist der Begriff des Wohlfahrtsstaats(welfare state), der teilweise auch abgrenzend genutzt wird, um eine umfassendere Wohlfahrtsstrategiez.B. im Kontext der skandinavischen Staaten zu bezeichnen. Hier werden die Begriffe jedochsynonym verwendet.SozialsystemDieser Begriff fasst das ganze System der über Steuern und Sozialabgaben finanzierten Absicherungen fürdie Bevölkerung zusammen. Diese Gesamtsicht ist insbesondere wichtig, um die Auswirkungen von Um-55
7 Glossarverteilung auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu betrachten. In einer neoklassischen Sicht werdenSozialausgaben insgesamt als Netto-Wohlstandsverlust gewertet. In einer keynesianischen Perspektive istdies aus drei Gründen nicht so: Erstens stützen Sozialtransfers die private Konsumnachfrage, zweitenswirken sie in Krisenzeiten als Stabilisator und drittens dämmen sie Unsicherheit ein. Empirisch lässt sichkein statistisch signifikanter negativer Zusammenhang zwischen dem Ausbau des Sozialstaates und demWachstum bzw. der Beschäftigung herleiten.SozialversicherungSozialversicherungen sind in der Schweiz das wichtigste Instrument der sozialen Sicherung. Es handeltsich um gesamtschweizerisch geregelte obligatorische Versicherungen für die ganze Bevölkerung, diezu einem grossen Teil über Lohnabzüge finanziert werden. Fast für jedes Risiko besteht ein eigenes Gesetz.So besteht eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV), eine Invalidenversicherung (IV), dieBerufliche Vorsorge (BVG, Pensionskassen), Unfallversicherung (UV), Militärversicherung (MV), Erwerbsersatzordnung(EO), Mutterschaftsversicherung (MV), Familienzulagen und die Arbeitslosenversicherung(ALV). Dagegen besteht keine obligatorische Versicherung bei Erwerbsausfall wegen Krankheit. Versichertsind in den meisten Fällen nur Erwerbstätige oder Ehefrauen. Und die Höhe der Leistungen hängt von derHöhe der einkommensabhängigen Beiträge ab. Die Grundidee der Sozialversicherungen ist, den Lebensstandardauch dann mehr oder weniger halten zu können, wenn aufgrund der versicherten Risiken dasErwerbseinkommen wegfällt.Wirksamkeit (Effektivität)Wirksamkeit bezeichnet das Ausmass, in dem beabsichtigte Wirkungen auch erreicht werden¸ und diesunabhängig vom nötigen Aufwand. In der <strong>Sozialpolitik</strong> ist sie also der Gradmesser dafür, ob die richtigenDinge getan werden.Wirtschaftlichkeit (Effizienz)Der Begriff der Wirtschaftlichkeit wägt Kosten und Nutzen gegeneinander ab. Es geht nie um eine Kostenminimierungum jeden Preis. Die Frage kann vielmehr sein, wie <strong>mit</strong> den zur Verfügung stehenden Mittelneine möglichst hohe Wirksamkeit erreicht werden kann oder wie ein bestehendes Ziel möglichst kostengünstigzu erreichen ist. In der <strong>Sozialpolitik</strong> ist Wirtschaftlichkeit der Gradmesser dafür, ob die Dingerichtig getan werden.56