3Workshop I Alt für JungGesprächen, die Frau Meinschenk und ichbeantworten. Manchmal wird auch jemandan<strong>der</strong>es von <strong>der</strong> Arbeitsgruppe gefragt, wasman da tun muss, wenn man Gastfamilie ist.Irene Beyer: Im Vortrag von Frau Schabakker-Bockwurden zwei Kriterien genannt, andenen sie Erfolg von intergenerationellemLernen festmachen würde: aktivierend zuarbeiten und dass das intergenerative Lernenvon <strong>der</strong> Beziehung lebt. Jetzt bin ich ganz neugierig,wenn Sie diese These auf Ihr Projektanwenden, zu welchem Ergebnis Sie ad hockommen? Stimmen Sie überhaupt mit diesenKriterien überein? O<strong>der</strong> würden Sie ganzan<strong>der</strong>e anlegen?Gisela Meinschenk: Nein, das war schon inOrdnung.Irene Beyer: Und wo fi nden sich diese beidenAspekte wie<strong>der</strong>, das Aktivierende und dieBeziehung <strong>als</strong> das, was es trägt?Gisela Meinschenk: Die Beziehung entwickeltsich, dadurch dass wir mit diesen Studentennicht nur ein halbes Jahr zusammen sind, son<strong>der</strong>nlängere Zeit. Der an<strong>der</strong>e Punkt, aktivierend,ja, schon... Ich meine, wir sind immer dieBereitwilligen, die sagen, ja, wir machen weiter,wir versuchen, Gastfamilien zu kriegen.Das muss aktiviert werden, sonst kriegen wirkeine. Dafür setzen wir uns ein.Irene Beyer: Dass Sie da sehr aktiv sind, stehtüberhaupt nicht in Frage! Es wurde vorhingefragt, inwieweit werden die Studierenden<strong>als</strong> aktive Akteure mit eingebunden? O<strong>der</strong>eben auch noch an<strong>der</strong>e Seniorinnen o<strong>der</strong>Senioren?Gisela Meinschenk: Wenn wir Stadtführungenorganisieren, im vergangenen Jahr hattenwir vier Stadtführer, weil wir so viel Studentenim Vorweg-Angebot hatten. Ich meine, es wirdimmer mehr, auch weil einfach das Interesse<strong>der</strong> Studenten da ist. Ich nehme aber auchan, dass die Mundpropaganda viel ausmacht,denn ansonsten kriegen sie ja nur die Einladungüber das Internet. Es ist auch schonpassiert, dass nur eine relativ geringe Anzahlvon Leuten kam. Darauf haben wir keinen Einfluss, die sagen, dass sie das machen möchten,die Senioren sind da. Auf diesem kleinenSpaziergang versuchen wir natürlich, mal insGespräch zu kommen – soweit das möglichist.Teilnehmerin: Sie haben jetzt meistens chinesischeStudenten. Es kann aber auch sein,dass Studenten aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n kommen.Haben Sie da Möglichkeiten, sich imVorfeld darauf einzustimmen o<strong>der</strong> vorzubereiten?Denn in unterschiedlichen Kulturen werdenunterschiedliche Wertungen bestehen, sodass es durchaus sein kann, dass man sich sobenimmt, dass man keinen Draht hinkriegt.Können Sie sich auf so eine interkulturelleBegegnung vorbereiten?Edeltraud Schochert: Wenn wir eine solchneue Situation haben, dann müssen wir mitden Studenten-Initiativen und dem AkademischenAuslandsamt und mit den Senioren darüberreden, um zu klären, worauf wir achtenmüssen.Teilnehmerin: Und <strong>als</strong> es dam<strong>als</strong> los ging, hattenSie da die Möglichkeit, sich entsprechendkundig zu machen?Edeltraud Schochert: Das ist gewachsen.Anfangs, <strong>als</strong> die 25 Studenten im ersten Jahrin 11 Gastfamilien gegangen sind, haben wirdas Projekt noch nicht so bewusst geführt, wiewir das heute machen. Da war erst mal dieAbsicherung, diese Studenten in die Familienzu bekommen und mit ihnen ins Gespräch zukommen. Wir haben auch in den ersten Jahrenmit diesen Gastfamilien noch mehrere Erfahrungsaustauschegemacht. Jetzt ist es wie<strong>der</strong>anvisiert, das zu machen, aber da muss manjetzt überlegen, in welcher Form kriege ich 90Gastfamilien zu einem Termin. Das muss nochim Team des Projektes diskutiert werden.Teilnehmerin: Gibt es auch Geld für das Projekto<strong>der</strong> ist alles ehrenamtlich?Gisela Meinschenk: Wir machen das ehrenamtlich.Und im vergangenen Jahr zum Beispiel hattendie Universität und die Hochschule gesagt, dasssie etwas Geld haben für die Stadtführungen.Ansonsten machen die das für uns auch ehrenamtlich.Der Verein Seniorenvertretung e.V. kriegtvon <strong>der</strong> Stadt etwas Zuwendung. Wenn Geld daist, dann kann <strong>als</strong>o auch das Projekt beispielsweisefür den Grillabend o<strong>der</strong> bei einer an<strong>der</strong>enVeranstaltung einen kleinen Obolus bekommen.Ansonsten verwenden wir unser Preisgeld. Wirwaren im vergangenen Jahr noch Preisträgerbeim Rat für Nachhaltigkeit, das sind <strong>als</strong>o eigeneGel<strong>der</strong>, die wir uns <strong>als</strong> Arbeitsgruppe erwirtschaften.Wir kriegen das eigentlich immer so hin,dass wir über die Kooperationspartner, ob dasRäumlichkeiten sind o<strong>der</strong> irgendwas gebrauchtwird, Unterstützung bekommen. Zum Beispielüber einen Marktplatz, wo wir unsere Projekte„Alte Spiele“ und „Vorlesen“ anbieten. Dann diePartner, zum Beispiel ein Einkaufscenter, bitten,dass wir Getränke für eine Veranstaltung mit denausländischen Studenten brauchen.Teilnehmerin: Wenn es zum Beispiel Fragen gibtzur Sprache, mit <strong>der</strong> Höfl ichkeit, mit Umgangsformen,mit Nähe und Distanz, dann könnteman doch dazu auch Fortbildungen machen fürdie Gastfamilien? Zur Information <strong>der</strong> Gastfamilien,damit sie auch ein bisschen was haben,woran sie sich orientieren können. Denn es entstehendoch Missverständnisse einfach deswegen,weil wir uns mit Handgeben begrüßen,an<strong>der</strong>e das aber an<strong>der</strong>s machen.Gisela Meinschenk: Das wäre gar nichtso schlecht.44Fachtag „Intergeneratives Lernen“ 201045
3Workshop I Alt für JungEdeltraud Schochert: Ja, wir wollen mehrErfahrungsaustausche mit den Gastfamilienmachen. Dort könnte man dann solcheAspekte aufgreifen. Da wäre dann auch wie<strong>der</strong>das Rückkoppeln, was hier auch schon gesagtwurde, inwieweit die Studenten selber mit einbezogensind, um uns über Land und Leute zuinformieren. Das könnte man dann machen.Sonja Kubisch: Ich bin da immer etwas vorsichtig,wenn es um diese Regeln im Umgang geht.Für mich wäre es viel interessanter zu sehen,was passiert denn da eigentlich konkret? Wiewird das in <strong>der</strong> konkreten Situation ausgelotet,<strong>als</strong>o solche Sachen wie die Begrüßung? Ich binviel in <strong>der</strong> Schweiz tätig und lerne immer nochdazu; ich habe beispielsweise immer die Tendenz,an<strong>der</strong>en versehentlich ins Wort zu fallen,weil man dort größere Pausen beim Sprechenmacht. Das kann niemand vermitteln, das isteinfach ein Erfahrungswert, über den ichberichten kann und ich habe zum Glück Leute,mit denen ich mich darüber austauschen kann.Aber bei so was fände ich es eher spannend,aus <strong>der</strong> Situation o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erfahrung herausdann da anzuknüpfen, wenn man überhaupteine Fortbildung machen will, denn ich meine,das ist ein Projekt, das gut funktioniert. Auchwenn wir noch ganz viele Ideen dazu haben.Aber man muss das nicht immer weiter undweiterentwickeln.Die Kriterien von Frau Schabacker-Bock fi nde ichin unserem Zusammenhang hier ein bisschenschwierig, weil es da ganz klar um schulischeKonfl ikte ging, wo es eigentlich noch einen Lerngegenstandgab und es dazu wichtig ist, dassdas Ganze auch mit einer Beziehungsebene verbundenwird. Dieses Projekt ist ja ganz an<strong>der</strong>s.Der Charme dieses Projektes ist, dass es im Alltagansetzt, es ist sehr leicht zugänglich, und Siewollen ja nicht miteinan<strong>der</strong> lernen, son<strong>der</strong>n dasLernen passiert nebenher.Gisela Meinschenk: Na ja, wir haben ja denSprachunterricht.Sonja Kubisch: Da wird sicher die Sprachegelernt, aber da wird ganz bestimmt auchnoch viel an<strong>der</strong>es gelernt. Für mich wäre esbei intergenerativen Kontakten und Begegnungen,immer die Frage, wo eine Differenz erfahrenwird, wo stelle ich fest, da ist jemand, <strong>der</strong>hat einen an<strong>der</strong>en Erfahrungshintergrund, <strong>der</strong>sieht die Dinge vielleicht ganz an<strong>der</strong>s <strong>als</strong> ich,und das, was ich bis jetzt gedacht habe, wasganz normal ist, wie man die Welt sieht, daskann ich dann vielleicht für einen Moment mitan<strong>der</strong>en Augen sehen.Darauf zielte auch meine Frage vorhin. Wurdenvielleicht mit den Studierenden solche Erfahrungengemacht, dass Sie dachten: die sindmit ganz speziellen Fragestellungen konfrontiert,die ich mir so noch gar nicht gestellt habe,o<strong>der</strong> die bringen aus ihrer Geschichte was ganzan<strong>der</strong>es mit?Gisela Meinschenk: Ich glaube, dazu sehen wiruns vielleicht nicht oft genug. So ein Verhältniswürde sich erst entwickeln, wenn man unsereStudenten bei sich wohnen hätte. Ich denke, dawäre dann auch das Vertrauensverhältnis nochmal ein an<strong>der</strong>es.Edeltraud Schochert: Wir hatten auch schonmal eine Studentin, die hatte am Anfang sehrgroße Schwierigkeiten, weshalb die Gastfamiliesie über vier bis sechs Wochen direkt in dieFamilie geholt hat. Auf diese Weise, <strong>als</strong>o mitdem Sprach-Intensivkurs, hat sie das dannbesser bewältigt.Sonja Kubisch: Ich habe es vorhin schon kurzangedeutet: Ich könnte mir bei den Stadtführungenvorstellen, dass es für die Studierendeneben auch interessant wäre, nicht nur dieSehenswürdigkeiten zu sehen, son<strong>der</strong>n auchpersönliche Geschichten zur Stadt von Ihnenzu hören. Ich vermute, dass Sie das beiläufi gauch erzählen. Zum Beispiel in den Nie<strong>der</strong>landengibt es solche Ansätze, mit von <strong>der</strong> eigenenGeschichte getragenen Stadtführungen.Das könnte ich mir noch <strong>als</strong> Ergänzung ganzspannend vorstellen.Teilnehmer: Ich fi nde das Projekt insofernsehr schön, weil ich den Eindruck habe, es istnicht verpädagogisiert. Ich glaube, wir habendas auch entsprechend in unserem Projekt.Also die Seite <strong>der</strong> Älteren hat sich verän<strong>der</strong>t.Wir haben uns 1987 gegründet. Es kommenzunehmend Leute so mit 50, 55 und mit HartzIV. Die kommen zu uns und fragen: können wirhier nicht ein bisschen mittun? Dann sagenwir na ja, das können wir nicht bezahlen. Nee,nee, sagen sie, darum geht es uns in ersterLinie gar nicht, son<strong>der</strong>n wir suchen wie<strong>der</strong>so ein Stück Identität, wir wollen wie<strong>der</strong> malbegreifen, wozu wir überhaupt noch da sind.Da wollte ich Sie mal fragen: Haben Sie so eineähnliche Entwicklung bei den älteren Mitstreiterinnenund Mitstreitern, dass da jetzt auchLeute aus dem Hartz IV-Bereich kommen, diewas tun wollen?Edeltraud Schochert: Wir haben unter denGastfamilien nicht nur Senioren. Das sind auchLeute, die noch im Berufsleben stehen, aberauch Leute, die arbeitslos sind o<strong>der</strong> Hartz IV-Empfänger sind, die etwas brauchen, womit siesich beschäftigen können. Einen Mitstreiter trafenwir jetzt glückstrahlend bei dem Frühlingsfest<strong>der</strong> Chinesen, wo er erzählte, dass er mitseinen Studenten da und dort war. Man hat richtiggemerkt, dass er aufgelebt ist. Ich denke, dagibt es im Bereich <strong>der</strong> Senioren und <strong>der</strong> Seniorenvertretungnoch viele Betätigungsfel<strong>der</strong>.Wenn ich mit so einer Idee komme, kann ichnicht nur den Vorschlag machen, son<strong>der</strong>n mussauch einen Plan für die Durchführung haben.Irene Beyer: Mich interessiert abschließendnoch sehr, wie Sie Gastgeber und Gästeanfangs zusammenbringen. Ich habe es soverstanden, dass es eine Veranstaltung imJahr gibt, wo die neuen Studierenden eingeladenwerden und hinkommen. Kommen dadann auch die Gastfamilien? Und wie machenSie das konkret? Und meine zweite Frage:Geben Sie so etwas wie ein kleines Regelwerkmit, was man besser lässt, was für den Anfangeine gute Idee ist?Gisela Meinschenk: Nein, <strong>als</strong>o unterrichtenmöchten wir nicht.Irene Beyer: Ich komme auch deswegen drauf,ich habe eine zeitlang in Rom gelebt und hatte46Fachtag „Intergeneratives Lernen“ 201047