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BIG DATAtionen versuchen als Beobachter zweiter Ordnung»Gesamt-Identitäten« aus den digital verfügbarenInformationen zu konstruieren undscheinen sich zu sagen: »Die Summe dieser Daten,das ist der Mensch.« Sie verschmelzen dasImmanente der digitalen Kommunikation mitdem Transzendenten, dem in Teilen doch unbeobachtbarenIndividuum.Mit diesen Aktivitäten versuchen Staatenund Konzerne, dem Menschen seine »innereUnendlichkeit« zu nehmen. Sie wollen ihm eineIdentität zuschreiben, auf die der Einzelne keinenEinfluss mehr hat und die festgeschriebenwird. Der Einzelne kann in den meisten Fällenaus technischen Gründen weder eine Datensammlungüber sich selbst anlegen und damitprüfen, welche personenbezogenen Daten überihn im Internet vorhanden sind; noch kann erdie von den Geheimdiensten gesammelten Datendaraufhin überprüfen, ob sie tatsächlich ihmzugeordnet werden können, also ob die Informationenstimmen.Jede noch so große Datensammlung über einIndividuum kann nicht mit ihm gleichgesetztwerden. Doch genau das ist das Ziel von Big Data:Den Menschen vermeintlich bis ins Innerste auszuleuchten,um seine Gedanken und seine zukünftigenAktivitäten vorhersagbar zu machen.Das Internet wird in dieser Beobachtungdurch die NSA sowie dem Verschmelzen von digitalerIdentität und Individuum zum religiösenMedium. Es lässt den Menschen in seiner virtuellenIdentität aufgehen und verweist auf deranderen Seite auf ein All-Wissen, eine Beobachterposition,die alles überblickt. Aber: Sowenig wie Gott als Einheit beobachtet werdenkann, kann man das gesamte Internet ausdruckenund dann auf einen Blick überschauen. Dennochversucht die NSA diese Position zu erlangen unddem Internet sämtliche Geheimnisse zu entreißenWährend Datenschützer und Bürgerrechtlerzu Recht protestieren, schwiegen die Kirchensehr lange. Erst im August 2013 kritisierte derBamberger Erzbischof Ludwig Schick als ersterkatholischer Bischof die Spähprogramme der NSA– weil es die Aufgabe der Kirche sei, »sich um dasGEDANKEN LESENKANN DIE NSA NACHWIE VOR NICHT.Wohl der Gesellschaft zu kümmern.« Für ihnsorgt die grenzenlose Überwachung allerdings füreinen Vertrauensverlust der Bürger in die Politik:»Überwachung zur Sicherheit ja! Überwachungsstaatnein, weil das die Mitmenschlichkeit infragestellt und das Miteinander bedroht.« Dabei solltendoch die Kirchen eigentlich die religiöseFunktion von Internet und World Wide Web erkennenund die Gefahr, die in dem Versuch absoluterÜberwachung steckt.Dem Segen des unbegrenzt verfügbaren, digitalisiertenWissens steht der Fluch der damit einhergehendenAllmacht gegenüber: Wer den vollständigenZugriff auf die Welt hat, macht dieMenschen von sich abhängig. Und dabei geht eslängst nicht mehr um das Beobachten allein.»Wer lesen kann, kann auch schreiben« titelte derBlogger Sascha Lobo in seiner Kolumne auf SpiegelOnline bereits im Juli letzten Jahres. WelchesWissen im Internet darf in Zukunft als wahr undnicht manipuliert angesehen werden? Der Vorwurfder Geschichtsfälschung wird übrigens heutenoch im Dunstkreis von Verschwörungstheoretikerngegen den Vatikan erhoben.Doch selbst wenn der Papst heute wiederumpersönlich von Abhörmaßnahmen betroffen ist,scheint der oberste Brückenbauer unbesorgt. Vatikan-SprecherFederico Lombardi antwortet zumThema Überwachung lapidar: »Wir wissen nichtsdavon und sind auch nicht beunruhigt.« Der TheologeFriedrich Schorlemmer ist bislang einer derwenigen Geistlichen, die öffentlich Kritik auch andem Vorhaben der Geheimdienste äußern, gottgleichzu sein. Unlängst prangerte er die Blasphemieder Nachrichtendienste an. Seine Forderungist auch aus systemtheoretischer Perspektivekonsequent: Die Geheimdienste müssen beobachtetwerden können, damit ihnen die aktuellengöttlichen Interventionsmöglichkeiten genommenwerden können.QUELLEN UND LINKS:Interview mit Erzbischof Ludwig Schick:»Überwachungsstaat nein!« auf domradio.de am12. August 2013Kolumne »Die Mensch-Maschine: Wer lesenkann, kann auch schreiben« vonSascha Lobo auf Spiegel Online am 9. Juli 2013ADLAS 4/2013 ISSN 1869-1684 30

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