FORSCHUNG UND LEHRE IUmsetzung im Alltag? Auch hierüber herrschtweitgehend Unklarheit. So existieren mit Ausnahmeder Technischen Universität Berlin, diekonkrete Mechanismen zur Umsetzung ihrer Zivilklauseletabliert hat, an keiner Hochschule mitentsprechender Selbstverpflichtung klare Umsetzungsbestimmungen.Leider blieb eine Anfragedes ADLAS an die TU, wie viele und gegebenenfallswelche Forschungsprojekte bislang wegenihrer Zivilklausel untersagt wurden, unbeantwortet.Einige wenige Universitäten lassen strittigeForschungsvorhaben wiederum durch Kommissionen– ähnlich der in Kassel abgelehnten Ethikkommission– prüfen und gegebenenfalls untersagen.Da derzeit allerdings keine aussagekräftigenInformationen zur Arbeit solcher Gremienvorliegen, sind Einschätzungen, welche Rolle dieUmsetzung von Friedens- und Zivilklauseln inder Arbeitspraxis spielt, kaum möglich.Die meisten Hochschulen mit Zivil- oder Friedensklauselnbelassen es ohnehin lediglich dabei,an ihre Forschenden zu appellieren, keine denSelbstverpflichtungen entgegenstehenden Forschungsprojektezu verfolgen. Solche »Soll«-Klauseln stoßen bei den Zivilklauselbefürworternauf scharfe Kritik. Da sie keinerlei Sanktionen beiVerstößen vorsehen, könnten sie – so der Vorwurf– von den Universitätsleitungen als Feigenblattbenutzt werden, um die Diskussion um etwaigeZivilklauseln schnell, geräusch- und letztlichfolgenlos zu beenden.Dass solche Bedenken zuweilen berechtigt seinkönnen, verdeutlicht das Beispiel der UniversitätBremen. Diese führte 1986 als erste deutscheHochschule überhaupt eine Zivilklausel ein.Gleichwohl wurden dort laut Recherchen des Spiegelvom Juni 2012 allein zwischen 2003 und 2011»mindestens ein Dutzend Forschungsprojekte mitwehrtechnischem Auftraggeber« im Gesamtvolumenvon rund 480.000 Euro durchgeführt. EineVeröffentlichung genauerer Informationen zu denForschungsprojekten kam für die Hochschulleitungnicht in Frage. Sie versprach allerdings, dasskünftig »alle Wissenschaftler zunächst über dieExistenz der Zivilklausel informiert werden« undlegte so klares Zeugnis darüber ab, welcher Stellenwertder ältesten Zivilklausel Deutschlands bislangim Forschungsalltag zukam.Doch wie ist es deutschlandweit überhaupt umrüstungs- und streitkräftebezogene Forschung anUniversitäten und anderen Hochschulen bestellt?Auch hierzu gestalten sich bereits Überblicksaussagenschwierig. Aus Sicht der Zivilklauselbefürworterscheint die Sache klar. Sie machen eine – angeblichoft schleichende – »Militarisierung derUniversitäten«, oder auch gleich der »Gesellschaft«insgesamt aus, der es entschieden zu begegnengelte. Bemerkenswerterweise scheint es sich dabeium ein Phänomen der jüngsten Vergangenheit zuhandeln, denn allein 10 der 15 Zivilklauseln wurdenzwischen 2010 und 2013 verabschiedet. Zuvorhatte das Thema nach einer ersten Phase mit viereingeführten Klauseln zwischen 1986 und 1991 andeutschen Hochschulen scheinbar kaum Diskussionsstoffgeschweige denn Mobilisierungspotenzialgeboten. Was hat sich seitdem geändert?Unbestritten gibt es zwar seit wenigen Jahreneine beobachtbare Zunahme von Stiftungsprofessurenin Kooperation mit Unternehmen, die auchim Rüstungssektor operieren – etwa die »EADS->>DER WORTLAUTDie Kernaussagen der 15 Zivilklauselndeutscher HochschulenTechnische Universität BerlinBeschluss des Akademischen Senats (AS) von 1991:„Der Akademische Senat (AS) begrüßt die Diskussioninnerhalb der Universität, die darauf abzielt,rüstungsrelevante Forschung auch nach Wegfallder alliierten Bestimmungen an der TU Berlin zuverhindern. Die Mitglieder des AS sind sich darübereinig, dass an der TU Berlin keine Rüstungsforschungdurchgeführt werden soll. Weiterhin istsich der AS auch im Klaren darüber, dass wissenschaftlicheErgebnisse nicht davor geschützt werdenkönnen, für militärische Zwecke von Drittenmissbraucht zu werden.Es sollen daher von der TU Berlin bzw. von ihrenForschungseinrichtungen keine Aufträge oderZuwendungen für rüstungsrelevante Forschungentgegengenommen werden. Im Zweifelsfall solldie Antragstellerin oder der Antragsteller denNachweis führen, dass das beabsichtigte Forschungszielnicht primär militärischen Zweckendient. Können bestehende Zweifel nicht ausgeräumtwerden, wird abweichend von § 25 (4) HRGfür rüstungsrelevante Forschungsvorhaben dieVerwaltung der Mittel von der TU Berlin nichtübernommen. Mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern in solchen Vorhaben, dieaus Mitteln Dritter bezahlt werden, schließt dieTU Berlin keine Arbeitsverträge ab. Jede Antragstellerinund jeder Antragsteller von Forschungs-ADLAS 4/2013 ISSN 1869-1684 40
FORSCHUNG UND LEHRE IStiftungsprofessur Hubschraubertechnologie« ander Technischen Universität München (TUM).Doch auch wenn ein großer Teil aller weltweitgebauten Hubschrauber militärisch genutzt wird– ist die Hubschrauberforschung der TUM damitautomatisch »Rüstungsforschung«? Zudem wirdoft ausgeblendet, dass sich die Rolle von Drittmittelprojektenund Stiftungsprofessuren anHochschulen seit der »Bologna«-Reform sogrundlegend gewandelt hat, dass die reine Existenzvon Drittmittelprojekten oder Stiftungsprofessurenaus dem Bereich der »Militär«- und»Rüstungsforschung« für sich genommen kaumetwas aussagt. Der Vergleich mit der Zeit vor»Bologna« wäre hingegen einer zwischen denEin klares Statementgegen eine Zivilklauselsucht man auchan Universitäten, diesich gegen eineEinführung entschiedenhaben, nahezu vergebens.sprichwörtlichen Äpfeln und Birnen, keineswegsaber ein sicherer Indikator für eine stattfindende»Militarisierung« der deutschen Wissenschaft.Auch angesichts einer Reduzierung der Bundeswehrbei Personal und Material um mehr als50 Prozent seit Ende des Kalten Krieges, einemVerteidigungsetat, der seit Jahren bei unter 1,5Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, undnicht zuletzt des »freundlichen Desinteresses«,das der deutschen Öffentlichkeit in Sachen Außen-und Sicherheitspolitik gemeinhin attestiertwird, ist der Vorwurf einer »Militarisierung« vonUniversitäten und Gesellschaft nicht unmittelbareingängig. Gäbe es eine solche Entwicklung,müsste sie sich in Zahlen ausdrücken lassen.Wird aber heute an deutschen Hochschulenmehr für Militär und Rüstungsindustrie geforscht,als beispielsweise in den 1980er oder1990er Jahren? Die kurze Antwort lautet abermals:Wir wissen es nicht. So kursiert auf denWebseiten der Zivilklauselbefürworter zwar dieZahl, dass bundesweit an 40 Hochschulen»Rüstungsforschung« stattfinde. Offen bleibt jedoch,ob es hier um Kooperationen mit der Bundeswehr,mit der Rüstungsindustrie, oder um imweiteren Sinne sicherheitstechnologierelevanteForschung geht. Auch fehlen belastbare Vergleichszahlenaus der Vergangenheit, die eineAussage zu etwaigen Tendenzentwicklungen erstermöglichen würden.Bekannt ist hingegen, dass das Bundesministeriumder Verteidigung als für »Verteidigungsforschung«zuständiges Ressort im Haushaltsplan2013 insgesamt 273 Millionen Euro für Auftragsforschungvorgesehen hat. Damit wurden Projektean zehn bundeswehreigenen Forschungseinrichtungen,an öffentlichen Hochschulen undinnerhalb der Rüstungsindustrie finanziert. Am25. November 2013 teilte das Verteidigungsministeriumauf Anfrage erstmals mit, wie viel von>>projekten soll erklären, dass das betreffende Projektnicht militärischen Mitteln dient. Eine entsprechendeÄnderung des Projekt-Anzeige-Formblattesdurch die Verwaltung der TU Berlin sollvom Präsidenten veranlasst werden. Weiterhinwerden von der TU-internen Forschungsförderungkeine Mittel zur Durchführung rüstungsrelevanterForschung bereitgestellt.“Universität BremenBeschluss des Akademischen Senats von 1986:„Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung anWissenschaft und Forschung mit militärischerNutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitgliederder Universität auf, Forschungsthemenund -mittel abzulehnen, die Rüstungszweckendienen können.“Beschluss des Akademischen Senats von 1991:„Der Bewerber / die Bewerberin soll zukünftig ander Universität Bremen keine Militär- und Rüstungsforschungbetreiben und sollte nicht ausBereichen der Rüstungsforschung kommen.“Universität KonstanzBeschluss des Großen Senats von 1991:„Auch der Wissenschaft und Forschung kommt imHinblick auf die angehäuften Waffenpotentiale inunserer Zeit eine immer größere Verantwortung zu.Der Große Senat der Universität Konstanz erklärthierzu, dass Forschung für Rüstungszwecke, insbesonderezur Erzeugung von Massenvernichtungswaffenan der Universität Konstanz keinen Platzhat und auch in Zukunft keinen Platz haben wird.“Technische Universität DortmundBeschluss des Senats von 1991:ADLAS 4/2013 ISSN 1869-1684 41