4/2010 - Coburger Convent
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haben), durch den LL.B. ersetzt werden?<br />
Cui bono?<br />
Der Verband der neun führenden<br />
Technischen Universitäten in<br />
Deutschland (TU9) – unter dem<br />
Vorsitz des Rektors der RWTH Aachen,<br />
Ernst Schmachtenberg – hat<br />
im April gefordert, den DiplomIngenieur<br />
als akademischen Grad wieder<br />
einzuführen. Er verweist dabei auf<br />
das »in diesem Punkt vorbildliche«<br />
österreichische Universitätsgesetz,<br />
das eine Wahlmöglichkeit vorsehe.<br />
Die Landesregierung Nordrhein<br />
Westfalens lehnt die Rückkehr zum<br />
DiplomIngenieur ab, könnte aber<br />
einen Hinweis auf dem Masterzeugnis<br />
akzeptieren, daß der Abschluß<br />
einem DiplomIngenieur entspricht.<br />
»Wasch mich, aber mach mich nicht<br />
naß!«<br />
Was die Mediziner betrifft, ist<br />
an eine ›Bachelorisierung‹ der Ausbildung<br />
bisher nicht ernsthaft gedacht<br />
worden. Offensichtlich haben<br />
selbst Bildungspolitiker ›kalte Füße‹,<br />
wenn sie die Möglichkeit ins Auge<br />
fassen, daß sich ein PseudoMediziner<br />
mit umfassender Halbbildung<br />
mit ihren Krankheiten beschäftigen<br />
könnte. So wurde berichtet (FAZ v.<br />
19.3.<strong>2010</strong>), daß Frau Margret Wintermantel,<br />
die Präsidentin der deutschen<br />
Hochschulrektorenkonferenz<br />
(HRK), erklärt habe, die HRK habe<br />
nicht die Absicht, den Medizinern<br />
die ›BolognaArchitektur‹ überzustülpen.<br />
»Wer bin ich denn, das zu<br />
verlangen?« Zuletzt teilte die Staatssekretärin<br />
im Bundesgesundheitsministerium,<br />
Frau Annette Widmann<br />
Mauz, offiziell mit, es werde eine<br />
›Bachelorisierung‹ der Mediziner<br />
Ausbildung auf keinen Fall geben.<br />
Wunderbar! Aber man fragt sich,<br />
warum man hier ganz offensichtlich<br />
zu notwendigen qualitativen Überlegungen<br />
gekommen ist – und in<br />
den anderen Fächern nicht. Kommt<br />
man in den anderen Fächern also<br />
auch mit geringerer Qualifikation<br />
aus?<br />
Das scheint so zu sein, wenn man<br />
– ebenfalls im April – den Zeitungen<br />
entnehmen kann, daß die Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) sich auf<br />
Eckpunkte geeinigt hat, nach denen<br />
die Zulassung zum Hochschulstudium<br />
wesentlich erleichtert werden<br />
soll (Gesagt wird, daß das Zulassungsverfahren<br />
transparenter und<br />
einheitlicher werden soll – als ob es<br />
bisher nicht transparent und nicht<br />
einheitlich gewesen wäre). Künftig<br />
zählt die bestandene Meisterprüfung<br />
in allen Bundesländern als<br />
allgemeine Hochschulzugangsberechtigung.<br />
Daneben werden auch<br />
andere mit Erfolg absolvierte Fortbildungsmaßnahmen<br />
zum Hochschulstudium<br />
berechtigen. Vorgesehen<br />
ist sogar, daß eine dreijährige<br />
Berufspraxis – wenn auch verbunden<br />
mit einer Eignungsprüfung<br />
(Wer prüft? Nach welchen Kriterien?)<br />
– genügen soll, wenn auch ›nur‹<br />
zum Besuch der Fachhochschule.<br />
Das Bundesland BadenWürttemberg<br />
hat mit der Umsetzung bereits<br />
begonnen.<br />
Hier wird deutlich, daß sich das<br />
Bild der deutschen Hochschule in<br />
einem Prozeß der Umwälzung befindet.<br />
Dies ist eine Abkehr von unserem<br />
Bild der Hochschule als einem<br />
Ort von Forschung und Lehre hin<br />
zu einem Institut reiner beruflicher<br />
Aus und Fortbildung. Ob uns das<br />
voran bringt? Und: Wohin führt<br />
das?<br />
Wie sieht die Zukunft aus? Fest<br />
steht m. E., daß der BolognaProzeß<br />
mit Bachelor und MasterStudiengängen<br />
nicht mehr rückgängig gemacht<br />
wird. Fest steht m. E. auch,<br />
daß der Zugang zur Hochschulausbildung<br />
nicht mehr nur Abiturienten,<br />
sondern auch anderen<br />
verschiedenartig und nur beruflich<br />
Qualifizierten offen stehen wird.<br />
Beides ist ein Ausfluß der grundsätzlichen<br />
Zielsetzung, die Abschlüsse<br />
in Deutschland international<br />
vergleichbar zu machen und<br />
die Hochschulen ohne Einhaltung<br />
von Qualifikationsvoraussetzungen<br />
mehr oder weniger für jedermann<br />
zu öffnen, um die Absolventenzahl<br />
zu erhöhen. Unvermeidliche<br />
Aufgabe der Hochschulen wird<br />
es danach sein, durch Schaffung<br />
von Qualitätsstandards das hohe<br />
Niveau sicherzustellen, das die deutschen<br />
Hochschulen bisher hatten.<br />
Damit wird den Hochschulen der<br />
›Schwarze Peter‹ auf sozialem Gebiet<br />
zugespielt. Sie werden nämlich<br />
ungeeignete Studierende im Laufe<br />
des Studiums herausprüfen müssen<br />
und die Schuld daran zugewiesen<br />
bekommen, wenn sich an den<br />
›sozialschichtbezogenen Entwicklungsprozessen‹<br />
in der Gesellschaft<br />
schließlich doch nichts wesentli<br />
ches ändert – oder sie vergeben Zulassung,<br />
Noten und Beurteilungen<br />
anteilig nach sozialen Schichten.<br />
Parallel zu der hier beschriebenen<br />
hochschulpolitischen Veränderung<br />
läuft nämlich derzeit eine sehr auffällige<br />
Bemühung um gesellschaftliche<br />
Umschichtungen. Überschrift:<br />
»Die soziale Herkunft wirkt immer<br />
mit.« Dies soll ein Fehler sein. Diese<br />
Entwicklung sollte man mit großer<br />
Aufmerksamkeit beobachten. Nicht<br />
um den Status der gesellschaftlich<br />
führenden Schichten zu konservieren<br />
– das wäre Unsinn, schon bisher<br />
haben wir ein durchaus durchlässiges<br />
Bildungssystem –, sondern um zu<br />
vermeiden, daß dies zu einer Absenkung<br />
des Niveaus der dabei produzierten<br />
Absolventen führt. Das hätte<br />
erhebliche negative Auswirkungen<br />
gesellschaftlicher, vor allem aber<br />
wirtschaftlicher Art. Von deren Qualifikation<br />
und Leistungsbereitschaft<br />
leben wir. Auch wenn ich damit gegen<br />
die political correctness verstoße:<br />
Intelligenz ist erblich!<br />
Eckart Mueller, Alsatia<br />
CC-Blätter 4/<strong>2010</strong><br />
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