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LA CENERENTOLA - Wiener Staatsoper

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Der kompositorische Großonkel der Cenerentola | Martin HaagDer kompositorische Großonkel der Cenerentola | Martin Haagauch Domenico Cimarosa in den weiträumig disponierten Introduktionsszenenvieler seiner Opern bereits seiner frühesten Schaffensperiode.Kontrastreich und in mitreißender Steigerung verlaufende, vielgliedrig„durchkomponierte“ Eröffnungsensembles enthalten zum Beispiel schonCimarosas L’italiana in Londra und La bella Greca.Auf das Vorbild der reifen Opere serie Cimarosas verweist hingegen dieexponierte Rolle des Männerchores in der Einleitungsszene von Rossinis Lacenerentola. Im fünften Abschnitt (bzw. im dritten Auftritt) dieser Introduktionbricht der Chor der mit Don Ramiro ausgeschwärmten „Kavaliere“, für denZuschauer völlig unerwartet, jäh in das sozusagen symmetrisch zweigeteilteEnsemble der Solisten (Tisbe, Clorinda – Cenerentola, Alidoro) lärmendein. Dies überraschende Erscheinen des Chores verleiht dem fabulösen,in einer Art von protoromantischer Märchenatmosphäre angesiedeltenBühnengeschehen eine unvorhergesehene und folgenreiche Wendung.Ähnlich überraschend und handlungsprägend greift der Chor auch im erstenAkt („Se alla patria ognor donai“) von Cimarosas tragedia per musica GliOrazi e i Curiazi sowie im Finale des zweiten Aktes von Cimarosas zweiter,Fragment gebliebener Artemisia folgenschwer und unerwartet in diekomplexe, szenische Aktion ein.Auch die Auftrittsarie des Don Magnifico „Miei rampolli femminini“ inRossinis Cenerentola knüpft kreativ wohl an ein tradiertes, kompositorischesModell bei Cimarosa an. Es handelt sich um das Duett im ersten Akt vonCimarosas Commedia buffa I due baroni di Roccazzurra, in dem sich diebeiden bizarren Titelhelden Don Demofonte und Don Totaro in absurdenZukunftsvisionen überbieten. In ihrem buffonesken Zwiegesang („La vedoun bel duchino / un conte, un baroncello“) schwelgen die zwei reichlichdekrepiten, süditalienischen Provinzaristokraten Demofonte und Totaro ingrotesker Vorfreude auf ihre imaginierte, künftige adelige Nachkommenschaft.Das (in der Fantasie der beiden dekadenten Feudalherren) gewissermaßen„exponentielle“ Anwachsen dieser ihrer erhofften, aristokratischenDeszendenz wird im Schlussabschnitt des erwähnten Duetts mit ähnlichcrescendierender, ridiküler Emphase beschworen und klangmalerischillustriert, wie in der pathetischen Stretta („Fertilissima regina“) derparodistischen Auftrittsarie des Don Magnifico in Rossinis Cenerentola.Die Analogie beider Nummern, der ihnen gemeinsame, ironische Impetusder „Adelssatire“, ist offensichtlich. Und auch die (selbst von stilhistorischversierten Musikfreunden wohl zu allererst als Rossini-typisch empfundene)musikalisch kleinteilige Silbenzerlegung und rasante Sechzehnteldeklamationder Schlusssektion des Duettino „Un segreto d’importanza“ zwischenMagnifico und Dandini im zweiten Akt von Cenerentola, besitzt zahlreiche,formale Entsprechungen im Buffa-Schaffen Cimarosas. So belegt undverdeutlicht der vergleichende Blick auf den musikalischen KosmosCimarosas vor allem einen, für das Verständnis des OpernkomponistenRossini zentra len Umstand: Die ästhetische Verwurzelung des „Schwanesvon Pesaro“ in der, heute kaum mehr präsenten, Operntradition deskünstlerisch so fruchtbaren, italienischen Settecento.Nicht minder evident erscheint freilich die personalstilistische Differenz dermusikalischen Faktur der (jeweils Italianità in Reinkultur verkörpernden)Belcantokomponisten Cimarosa und Rossini. Cimarosas Musik klingt graziös,schwerelos, unaufdringlich-elegant, ist nuancenreich doch niemals grellinstrumentiert. Rossini hingegen scheut, im Interesse der dramatischenSchlagkraft und Bühnenwirksamkeit seiner Opernpartituren, auch vor gewolltplakativen Klangeffekten nicht zurück und beschränkt sich auf artifiziellfragmentierte, melodische Gebilde zumal dort, wo diese zur Charakteristikder Handlungskonstellation und der Akteure besonders geeignet erscheinen– etwa die dramatisch zündende Stretta der Kavatine des Ramiro im zweitenAkt der Cenerentola.Insgesamt aber hebt sich Rossini von seinem großen Vorgänger Cimarosadurch den ganz anders gearteten Grundcharakter seiner Musik ab, in der nichtselten – wenn auch in verbindlicherer, geglätteter Form und nur wie ein fernesEcho – Einflüsse der französischen Revolutionsmusik und ihres viel glossiertenélan terrible zu vernehmen sind (die latente Bedrohlichkeit so manchertypischer Rossini-Crescendi gewinnt ihre volle Bedeutung erst in diesem nichtallein musikgeschichtlichen, sondern vor allem auch mentalitätshistorischen4243

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