13.07.2015 Aufrufe

LA CENERENTOLA - Wiener Staatsoper

LA CENERENTOLA - Wiener Staatsoper

LA CENERENTOLA - Wiener Staatsoper

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Eine Krone und ein Herz | Oliver LángEine Krone und ein Herz | Oliver LángAuf die Rossini-Oper umgelegt bedeutet das: Angelina wird, und wir nehmenan, dass sie zukünftig nicht der Putzsucht anheimfällt, tendenziell jene sein,die in der Ehe ständig über das Materielle (in allen Aspekten) reden wird, auchwenn sie inzwischen wohl mehr als genug hat. Einfach, weil sie sich von ihrerAschenbrödel-Präexistenz nicht ganz so leicht lösen kann. Das muss freilichnoch keinen wirklichen Konfliktherd darstellen, soll aber demonstrieren, dassder Standesunterschied, der ja de facto existiert, nicht so einfach zu überwindenist. Man denkt anders, wenn man aus verschiedenen Klassen kommt, unddieses Anders-Denken wird das gemeinsame Leben durchaus auch prägen.Und vor allem: Angelina wird sich in einer Umgebung wohl fühlen müssen,die mehrheitlich, wenn nicht sogar geschlossen, anders denkt. Dass das Aufeinandertreffender unterschiedlichen gesellschaftlichen Klassen natürlichbereits in Rossinis Zeiten durchaus ein großes Thema war, ersieht man auchaus der damaligen Kunstproduktion. Es war eben jener Stendhal, der sich literarischausführlich mit dem Komponisten Rossini auseinandersetzte, der inseinem umfangreichen Roman Rot und Schwarz in der Figur des aufsteigenden,beziehungsweise um jeden Preis aufsteigen-wollenden und ehrgeizigenJulien Sorel einen Typus entwarf: Ein von Klassenverachtung geprägter Charakter,der sich, auch in der Liebe, durchaus der Unterschiede zwischen reichund arm bewusst ist – und ihm diese arg zusetzen. Natürlich: Kein so reinerCharakter wie Angelina. Aber doch realistisch in seiner Einschätzung der Welt.Und natürlich wird es auch Ramiro nicht immer ganz leicht fallen, bei allerLiebe die Unterschiede, die sich bei Hof wohl sehr viel deutlicher zeigen werdenals in dem halbverfallenen Schloss des Don Magnifico, ins Leben zu integrieren.Denn, wenn auch sein Verkleidungsspiel Spaß gemacht hat, so bleibtletztendlich die Pflicht der Verantwortung, der er entsprechen muss, bestimmendfür sein Leben als Herrscher. Einer der ausbrach, um ihr zu entgehen,aber erkennen musste, dass man vor ihr nicht flüchten kann, ist der fiktiveOliver VII. des ungarischen Autors Antal Szerb, der im gleichnamigen Schelmenromanerkennen muss: „Mir ist klar geworden, dass der Platz, wo einKönig hingehört, eben doch der Thron ist. Die Pflicht ist kein Rosenbett. Ichhabe mein Land verlassen, weil ich mich danach sehnte, genauso zu leben wieandere Menschen. Heute weiß ich, dass dies eine unerfüllbare Sehnsucht ist.Jeder Mensch, wenn er im guten Sinne des Wortes ein Mensch ist, hat eineBerufung. Ein Fischer ist nicht dazu berufen, König zu sein. Ein Fischer würdeeinen schlechten König abgeben und ein König einen schlechten Fischer. Daswar mein Irrtum. Denn man braucht Fischer, und man braucht Könige.“ DieFrage ist also: Kann ein Aschenbrödel eine gute Königin sein? Kann das PaarAngelina-Ramiro den Ansprüchen eines Königspaares entsprechen? Ist dieBeziehung realitätstauglich? In den 50er-Jahren (in denen die aktuelle Inszenierungspielt) beantwortete der märchenhafte Audrey Hepburn-Film Ein Herzund eine Krone die Frage mit nein; und lässt die Romanze zwischen der PrinzessinAnn und dem bürgerlichen Journalisten Joe auseinanderbrechen, wasschon im Originaltitel Roman holiday vorgezeichnet ist.Für Cenerentola spricht freilich: Dass sie beim Ball durchaus auch zu überzeugenwusste, also nicht nur das Aschenbrödel in sich trägt, sondern auch diegroße Dame.Für beide spricht: Dass Märchen, trotz allem, eben Märchen sind und auchWünsche. Dass die Wissenschaft sich mitunter auch irrt und vom tatsächlichenLeben überholt wird. Dass die Liebe auf den ersten Blick manchmal doch undgerade(!) hält. Dass man unter anderem deshalb gerne in die Oper geht, weiles im Leben ja vielleicht auch einmal so sein könnte wie auf der Bühne. Dassmanchmal die Umstände weniger schwer wiegen, als man denkt.Dass schon Corneille wusste: „Die Liebe schafft Gleichheit, aber sucht sienicht.“Und dass schon Vergil dichtete: „Omnia vincit Amor”.8485

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!