Wir hatten eine enorme Freude | Christa LudwigWir hatten eine enorme Freude | Christa LudwigWir hatten eine enorme FreudeLa cenerentola – das Aschenbrödel – warum nennen wir sie nie bei ihremrichtigen Namen? Angelina! So wurde dieses entzückende Rossini-Märchenin früheren Zeiten hier an der <strong>Wiener</strong> <strong>Staatsoper</strong> auch benannt. Es war 1959als das Team Ita Maximowna (Bühnenbild und Kostüme), Günther Rennert(Regie) und der italienische Dirigent Alberto Erede mit geistreicher Brillanzdieser Oper Gesicht gaben. In deutscher Sprache! Damals gab es ja nochnicht die Übersetzungsmonitore, und das Publikum konnte den gesungenenText verstehen.Es war ein gekonntes Arrangement dieser Oper, zum Beispiel mit einemeingeschobenen Ballett, das ein Spiegelbild der Handlung war; oder derPantomime eines Gewitters – natürlich alles mit Musik von Rossini. DieAufführung – Bühnenbild, Kostüme, Regie – war leicht, witzig, komödiantisch,so wie die Musik. Oder, wie eine Kritik schrieb, „eine schillernde Seifenblase“– eben ein Märchen.Mit Walter Berry (Dandini), Waldemar Kmentt (Don Ramiro) und mich alsAngelina war „das junge Ensemble“ der <strong>Staatsoper</strong> auf der Bühne – und wirhatten eine enorme Freude an dem Ganzen. Die Inszenierung von Rennert warminutiös ausgearbeitet – jeder Schritt eine Bedeutung, fast eine tänzerischeChoreographie. Er hatte auch die Idee eine Brücke rechts und links überdas Orchester zu bauen, und so hatten wir auch noch mehr darstellerischeMöglichkeiten. Ich erlaubte mir diesbezüglich noch einen Spaß, indem ich(vor der Vorstellung) sehr viel Puder auf einen Vorbau der Proszeniumslogelegte. Als armes Aschenbrödel musste ich ja unentwegt arbeiten: Die Bühnefegen, sauber machen, Körbe tragen etc. So hatte ich auch abzustauben undwirbelte, bei der Proszeniumsloge angekommen, enorm viel Puderstaub auf,quasi, als ob ich den Staub der Oper wegwischte! Dem Publikum gefiel dasnatürlich, und es passte gut zu der beschwingten Leichtigkeit des Werkes.Obwohl wir keine geschulten Rossini-Sänger waren, konnten wir mit„geläufigen Gurgeln“ alle Koloraturen meistern. Wir hatten auch die Freiheit,eigene, mit Hilfe des Dirigenten Erede erarbeitete, Koloraturverzierungen zusingen.Ich war zwar durch die Rosina mit Hermann Prey (im Redoutensaal) schonetwas an Koloraturen gewöhnt und nach dramatischeren Partien sind diese jaein reiner Jungbrunnen für die Stimme, doch nachdem unser Kollege LudwigWelter, der den Philosophen Alidoro sang, starb, ich glaube es war 1965,wurde Cenerentola wieder abgesetzt. Rennert hatte die Rolle des Alidorosehr ausgebaut – heute würden wir sagen: Alidoro gab als Moderator desSpieles in verschiedenen Verkleidungen die Handlung vor – und so war esleider ganz unmöglich ihn zu ersetzen. Damit war auch meine „Karriere“ alsCenerentola zu Ende, und das war gut so. Denn damals sang ich ja schondie großen dramatischen Rollen wie Fidelio, Kundry, Baraks Frau – und dasich nicht nur meine Stimme vergrößert hatte, sondern auch meine Figur,sagte meine Mutter eines Tages zu mir: „Christa, du bist kein armes, kleinesAschenbrödel mehr. Sie dich an! Du könntest ja deine mittlerweile kleineren,bösen Stiefschwestern totschlagen!“ Ich nahm also leichten Herzens Abschied,da andere Aufgaben warteten, die mir ebenfalls am Herzen lagen.7677
Erinnerungen an Don Magnifico | Karl LöblErinnerungen an Don Magnifico | Karl LöblErinnerungen an Don MagnificoBeide hatten ihr Vergnügen. Das Publikum an jenem 22. Oktober 1981, als die(frühere) Menotti-Inszenierung von La cenerentola an der <strong>Staatsoper</strong> Premierehatte, und die Sänger auf der Bühne, vor allem Agnes Baltsa bei ihrem<strong>Wiener</strong> Rollendebüt als Angelina und Francisco Araiza, in dessen Don Ramirosich auch die Zuschauer verlieben mussten.Mir ist jedoch ein anderer Sänger unvergesslich, nämlich Giuseppe Taddei alsDon Magnifico. Weil er den Komödianten nicht spielen musste. Er war einer.Zwar hat er in Wien Scarpia und Amonasro ebenso häufig gesungen wie denDulcamara im Liebestrank (womit er sich im November 1990 von der <strong>Staatsoper</strong>verabschiedete), doch als Bösewicht, in den dramatischen Partien hatteer sich perfekt verstellt. Eher komische Rollen schienen ihm von Herzen zukommen.Bei dieser Premiere von Rossinis La cenerentola im Jahr 1981 fiel mir ein, wasmeine erste Begegnung mit Taddei gewesen war. 35 Jahre zuvor, im Mai 1946,trat in einem selbstverständlich noch deutsch gesungenen Rigoletto im Theateran der Wien ein italienischer Sänger auf, der die Titelpartie mit impulsivemBühnenpathos, mit glaubhafter Leidenschaft und kerniger, prachtvoll runderBaritonstimme interpretierte. Emmy Loose und Wenko Wenkoff waren seinePartner aus dem Hausensemble, es wurde daher, wie damals keineswegs unüblich,eine zweisprachige Aufführung, und am Schluss ahnte man schon:Dieser Giuseppe Taddei könnte, falls ihn die <strong>Staatsoper</strong>ndirektion engagiert,ein wichtiges Ensemblemitglied und ein Publikumsliebling werden.Beides ist er geworden. Taddei (geboren 1916 in Genua, gestorben 2010 inRom) hat während seiner Karriere 150 Rollen gesungen, davon 27 auch inWien. An der <strong>Staatsoper</strong> hörte man zwar niemals seinen Hans Sachs, EugenOnegin, Pizarro. Diese Partien sang The Darling of Italy (so der Titel eineramerikanischen Schallplatte) nur in seiner Heimat. Man kann sie alle auf CDnochmals erleben, ebenso Taddeis italienische Hauptpartien, viele sogar mehrfach.Dass dabei vom frühen Mozartschen Figaro bis zum späten Falstaff immerwieder Herbert von Karajan am Dirigentenpult stand, bestätigt auch nachträglichdie Qualitäten des Sängers.Eine Rolle jedoch fand ich nicht bei meinen gründlichen Recherchen in europäischenund amerikanischen Platten-Angeboten – eben jenen Don Magnifico,den er so kauzig, schrullig und mürrisch als buffoneskes Schwiegervater-Klischee porträtiert und zuletzt doch liebenswert gemacht hatte. Seltsam, dasses davon keine Aufnahme zu geben scheint.La cenerentola hat sich von Rossinis Werken nach dem Barbier am stärkstenauf den Spielplänen behauptet. Zwischen 2010 und 2013 sind weltweit 43Produktionen von La cenerentola genannt – in 37 Städten, in manchen alsogleich zwei (etwa in Wien, wo das Stück auch an der Volksoper gespielt wird).13 dieser 43 Produktionen gelten als Premieren, darunter jene der <strong>Wiener</strong><strong>Staatsoper</strong>.Wer in den internationalen Angeboten stöbert, findet La cenerentola 15 Malauf CD. Die älteste Aufnahme stammt aus dem Jahr 1950 – eine immer nochbeispielhafte Produktion der RAI Turin (Dirigent: Mario Rossi) mit einem ausgeglichenenEnsemble, das die italienische Buffo-Tradition kennt und respektiert.Eine Sängerin fiel damals besonders auf: Giulietta Simionato. Sie hat dieAngelina 13 Jahre später nochmals aufgenommen.Diese Rolle scheint auf Mezzosoprane eine magnetische Anziehungskraft zuhaben. Alle guten Sängerinnen mit der nötigen virtuosen Technik haben anGesamtaufnahmen von La cenerentola mitgewirkt. Auf CD findet man außerGiulietta Simionato auch Teresa Berganza zweimal (wobei die Produktion ausdem Jahr 1971 mit Claudio Abbado am Pult immer noch als Referenzaufnahmegelten kann). In späteren Aufnahmen singen u. a. Frederica von Stade, AgnesBaltsa, Cecilia Bartoli, Joyce DiDonato, Jennifer Larmore und Vesselina Kasarova.Auch auf DVD trifft man Cecilia Bartoli als Angelina, ebenso Joyce DiDonato(mit Juan Diego Flórez als Partner) und Federica von Stade, außerdem u. a.Ann Murray, Sonia Ganassi und Elīna Garanča. Wer unbedingt Aschenbrödelan einem modenen Elektroherd (samt Kochplatten und Backrohr) sitzendsehen möchte, der muss nach einer DVD mit der Inszenierung Daniele Abbadosgreifen (Live-Aufnahme aus Bari, 2010). Auch dieses Mädchen bleibt alsonicht verschont von dem, was so ungenau als „Regietheater“ bezeichnet wird.7879