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LA CENERENTOLA - Wiener Staatsoper

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Eine Krone und ein Herz | Oliver LángEine Krone und ein Herz | Oliver LángUnbedingtheit: Man wird als Mensch in das Spiel der Mächte geworfen undkann gar nicht anders als lieben. Es gibt das, was die moderne Wissenschaft– siehe oben – gerne verneinen würde, nämlich eine über-menschliche Ebene,die bindet und nicht nach vernunftbegründeter Erlaubnis fragt, etwas, demman sogar ausgeliefert ist.Um aber auch einer kritischen Vernunft Genüge zu tun, ein paar Hinterfragungender Märchenhandlung …Was Angelina anbelangt, stellen sich kaum weitere Fragen. Wohl platziert inihr beständig gesungenes Lied eines Königs, der sich von Stolz und Schönheitnicht blenden lässt und sich für die wahre Liebe entscheidet, kommt es zumersten Treffen mit Ramiro, dem verkleideten Prinzen, der sich auf die Suchenach einer Braut macht. Und schon, nach dem ersten Blick, stellt sie sich dieFrage: „Warum schlägt in meiner Brust mir das Herz wohl gar so laut?“ Sie weißnicht und kann nicht wissen, dass er ein Prinz ist, dass er eine Braut sucht.Vielleicht imponiert ihr sein – wahrscheinlich – sicheres und weltmännischesAuftreten, doch für all die verschlungenen Gedankengänge eines strategischenAufstiegplans bleibt keine Zeit: Sie verliebt sich in Ramiro, nicht in den Prinzen,sondern den Menschen. Und sie liebt ihn auch ohne die Erkenntnis, dass erder Notausgang aus ihrer misslichen Situation sein könnte.Seitens seines ebenso schnellen Liebesentschlusses ist die Sache ein bisschenkomplizierter. Denn er erfüllt all die Bedingungen eines jungen, reichen Mannes,der das Leben bereits kennengelernt hat, und zwar von allen Seiten. Dengoldenen Käfig, angefüllt mit Vergnügungen und Umwerbungen, hat er möglicherweiseschon satt bekommen, ebenso das ewige Scharwenzeln allerleiDienstwilliger rund um ihn. Ja, auch das Leben mit Frauen wird er schonsattsam kennengelernt haben; denn ein junger Prinz, Single, dynastisch heiratsverpflichtet,dürfte wohl durchaus von allerlei Gattin-Anwärterinnen umgebensein. Nicht ungewöhnlich, dass er all das schon ein wenig über hat undsich durchaus auch nach Abwechslung sehnt. Dass bei allem Getändel undHofschranzentum, bei all der parfümierten Luft des heimatlichen Schlossesder Wunsch nach Einfachheit und Bodenständigkeit, gleichsam als ausbalancierenderKontrast, aufkommt, ist zumindest nicht ungewöhnlich. Ein kleiner,persönlicher Zurück-zur-Natur-Ruf. Auch ihn trifft, um gattungsspezifisch zubleiben, Amors Pfeil. Und auch er verliebt sich augenblicklich. Was zieht ihnan? Cenerentolas „simplicità“. Eben: Das Gegenteil von all dem, womit er sonstumgeben ist.Die wirklich bedeutungsvolle Frage ist aber, wie sich das Verhältnis der beidennach Abklingen des ersten Hormonrausches entwickeln wird. Oder: Wie dieEhe ausgestaltet sein wird? Man darf nun freilich nicht vergessen, dass Prinznicht nur ein Titel, sondern auch ein Beruf ist. Ramiro wird herrschen müssen,und er wird sich – ohne Zweifel – auch entsprechenden gesellschaftlichenZwängen und Realitäten, eben jenen, welchen er durch seine Hinwendung zur„einfachen“ und ehrlichen Angelina zum Teil zu entkommen suchte, stellenmüssen. War das Finden von Angelina vielleicht eben auch Ausdruck der Suchenach Ehrlichkeit in einer ihn umgebenden unehrlichen Welt, so wird er dochdas Spiel bis zu einem gewissen Grad mitspielen müssen und wird dem auchentsprechen müssen, was die Staatsräson und seine Verantwortung von ihmfordern. Das Entstammen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten machtdabei die Sache womöglich nicht einfacher. Denn beide sind geprägt vonverschiedenen Modi der Lebensführung; Angelina wird immer ein bisschenCenerentola bleiben (was sie ja sympathisch und liebenswert macht!), Ramiroaber immer ein Herrscher. Man wird die Welt wohl nicht unbedingt aus dengleichen Augen betrachten.Ein Anwendungsbeispiel? Mir fällt dazu eine berührende Schlüsselstelle in ErichKästners Jugendbuch Emil und die Detektive ein, in der die aus ärmlichenVerhältnissen entstammende Titelfigur mit einem reichen Kind, genannt Professor,über das Materielle spricht:„Habt ihr viel Geld?“„Das weiß ich nicht. Wir sprechen zu Hause wenig darüber.“„Ich glaube, wenn man zu Hause wenig über Geld spricht, hat man viel vonder Sorte.“Der Professor dachte einen Moment nach und sagte: „Das ist schon möglich.“„Siehst du. Wir sprechen oft darüber, meine Mutter und ich. Wir haben ebenwenig. Und sie muss fortwährend verdienen, und trotzdem reicht es an keinerEcke.“8283

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