74 Recht_arbeitgeberzuschuss„Auf strikte Trennung achten“INTERVIEW. <strong>Die</strong> Finanzverwaltung wen<strong>de</strong>t zwei aktuelle BFH-Urteile zu steuerfreienLohnzuschüssen nicht an. Das ist ausnahmsweise ein Vorteil für die betriebliche Praxis.personalmagazin: Zwei Entscheidungen <strong>de</strong>sBun<strong>de</strong>sfinanzhofs (BFH) zur Steuerfreiheitvon Arbeitgeberzuschüssen habenbei Entgeltabrechnern für Aufregunggesorgt. Worum geht es dabei?Astrid Wellhöner: Der BFH hat im Septembervergangenen Jahres in zwei Urteilenentschie<strong>de</strong>n, dass Arbeitgeberzuschüssenur dann lohnsteuerlich begünstigtsind, wenn auf diese Leistungen keinRechtsanspruch besteht. SteuerbegünstigteLohnzuschüsse sind in <strong>de</strong>r Praxisein beliebtes Mittel, um <strong>de</strong>n ArbeitnehmernGutes zu tun. So können Kin<strong>de</strong>rgartenzuschüsseund Leistungen zurGesundheitsför<strong>de</strong>rung lohnsteuerfreiausgezahlt wer<strong>de</strong>n. Fahrkostenzuschüssefür die Wege zwischen Wohnungund Arbeitsstätte unterliegen einemPauschalsteuersatz von 15 Prozent, Zuschüssezu <strong>de</strong>n Aufwendungen für diePC- und Internetnutzung wer<strong>de</strong>n mit 25Prozent pauschal versteuert.personalmagazin: Jetzt heißt es vielerorts,<strong>de</strong>r BFH habe die Anfor<strong>de</strong>rungen andiese lohnsteuerlichen Vergünstigungenerheblich verschärft. Was ist damitgemeint?Wellhöner: Für die Steuerbegünstigungvon Arbeitgeberleistungen for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>rGesetzeswortlaut, dass die Leistung „zusätzlichzum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“erbracht wird. Nach Ansicht<strong>de</strong>s BFH entfällt daher <strong>de</strong>r Steuervorteil,wenn <strong>de</strong>r Arbeitnehmer einen Rechtsanspruchauf die Zusatzleistung hat. Dennnur wenn <strong>de</strong>r Arbeitnehmer keinen zivilo<strong>de</strong>rarbeitsrechtlichen Anspruch aufdie Leistung hat, kann diese zusätzlichzum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohnund somit freiwillig erbracht wer<strong>de</strong>n.personalmagazin: Wie kann man <strong>de</strong>n Begriff<strong>de</strong>r „Freiwilligkeit“ verstehen?Wellhöner: Man könnte es auch so ausdrücken:Nach Ansicht <strong>de</strong>s BFH hängt dieAstrid Wellhöner ist Rechtsanwältinund Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtekin München.Steuerbegünstigung von Lohnzuschüssendavon ab, dass <strong>de</strong>r Arbeitgeber sieje<strong>de</strong>rzeit einstellen kann.personalmagazin: Aber gera<strong>de</strong> über dieFrage, ob <strong>de</strong>r Arbeitgeber einen Zuschussrechtlich gesehen „je<strong>de</strong>rzeit“ einstellenkann, kann man sich bekanntermaßenin je<strong>de</strong>m Einzelfall trefflich streiten.Wellhöner: Richtig. Konsequenz dieserRechtsprechung ist daher auch, dassje<strong>de</strong>r im Arbeitsvertrag vorgesehene,vorbehaltlose Arbeitgeberzuschuss <strong>de</strong>rregulären Besteuerung unterfällt. <strong>Die</strong>Formulierung eines arbeitsrechtlichwirksamen Freiwilligkeitsvorbehaltsfür <strong>de</strong>rartige Leistungen ist je<strong>de</strong>nfallsschwierig.personalmagazin: Ist es da nicht besser,wenn überhaupt nichts schriftlich vereinbartwird?Wellhöner: Auch dann kann die Sichtweise<strong>de</strong>s BFH Probleme bereiten, <strong>de</strong>nn auchauf Leistungen, die nicht ausdrücklichim Arbeitsvertrag vorgesehen sind,kann <strong>de</strong>r Arbeitnehmer über das arbeitsrechtlicheInstitut <strong>de</strong>r betrieblichenÜbung bei wie<strong>de</strong>rholter vorbehaltloserLeistung einen vertraglichen Ansprucherwerben. Auch in diesem Fall, so <strong>de</strong>rBFH, komme die Steuerbegünstigungnicht zum Tragen. Hier Än<strong>de</strong>rungenvorzunehmen sei Aufgabe <strong>de</strong>s Gesetzgebers.In <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Fällenwur<strong>de</strong>n die betroffenen Arbeitgeber alsHaftungsschuldner <strong>de</strong>r Lohnsteuer zuerheblichen Steuernachzahlungen verpflichtet.personalmagazin: Müssen sich jetzt dieUnternehmen darauf einstellen, dass dieBetriebsprüfer je<strong>de</strong>m Hinweis auf einemögliche arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlagenachgehen?Wellhöner: Zum Glück nicht, <strong>de</strong>nn erfreulicherweisehat das Bun<strong>de</strong>sministeriumfür Finanzen inzwischen zugunsten<strong>de</strong>r Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitpersonalmagazin 09 / 13
75einem Nichtanwendungserlass vom22. Mai 2013, Aktenzeichen GZ: IV C5-S 2388/11/1001-02, auf die Entscheidungen<strong>de</strong>s BFH reagiert.personalmagazin: Und was besagt <strong>de</strong>r Nichtanwendungserlassin diesem konkretenFall?Wellhöner: Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Vertrauensschutzesund <strong>de</strong>r Kontinuität <strong>de</strong>rRechtsanwendung kommt es für dieFinanzverwaltung für die Frage <strong>de</strong>rSteuerbegünstigung von Arbeitgeberzuschüssenentgegen <strong>de</strong>r neuen BFH-Rechtsprechung auch weiterhin nichtdarauf an, ob <strong>de</strong>r Arbeitnehmer arbeitsvertraglicho<strong>de</strong>r aufgrund eineran<strong>de</strong>ren arbeits- o<strong>de</strong>r dienstrechtlichenRechtsgrundlage einen Anspruch aufdie zweckbestimmte Leistung hat. <strong>Die</strong>Finanzverwaltung sieht die Anfor<strong>de</strong>rungenan lohnsteuerliche Vergünstigungenvielmehr immer dann als erfüllt an,wenn die zweckbestimmte Leistung zu<strong>de</strong>m Arbeitslohn hinzukommt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rArbeitgeber arbeitsrechtlich schul<strong>de</strong>t,laut R 3.33 Absatz 5 Satz 1 Lohnsteuerrichtlinie2011. Steuerschädlich sind<strong>de</strong>mnach nur die Fälle <strong>de</strong>r Lohnanrechnungund <strong>de</strong>r Lohnumwandlung.„Konsequenz <strong>de</strong>r Rechtsprechung ist, dass je<strong>de</strong>r imArbeitsvertrag vorgesehene vorbehaltlose Arbeitgeberzuschuss<strong>de</strong>r regulären Besteuerung unterfällt.Zum Glück hat das Ministerium inzwischen reagiert.“personalmagazin: Besteht die Möglichkeit,dass <strong>de</strong>r Nichtanwendungserlass vomBMF wie<strong>de</strong>r aufgehoben wird?Wellhöner: Theoretisch besteht natürlichdie Möglichkeit. Das könnte etwa eintreten,wenn <strong>de</strong>r BFH in einem vergleichbarenFall in Kenntnis <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>nRechtsansicht <strong>de</strong>s BMF an seiner Rechtsauffassungfesthält. Und natürlich kannauch <strong>de</strong>r Gesetzgeber einen Nichtanwendungserlassüberholen.personalmagazin: Es bleibt also einRestrisiko für Arbeitgeber?Wellhöner: Rechtssicherheit für alle Beteiligtenkann nur <strong>de</strong>r Gesetzgeber schaffen.Wenn Arbeitgeber auf <strong>de</strong>n Nichtanwendungserlassnicht vertrauen, können siein neuen Arbeitsverträgen die Zuschüsseals freiwillige Leistung vorsehen. Bestehen<strong>de</strong>Arbeitsverträge können nureinvernehmlich mit <strong>de</strong>n Arbeitnehmerngeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Allerdings wird sichdas Interesse von Arbeitnehmern an solchenLohnbestandteilen in Grenzen halten,wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber sie je<strong>de</strong>rzeitentfallen lassen kann.personalmagazin: Zur Klarstellung: Was be<strong>de</strong>utetein Nichtanwendungserlass?Wellhöner: Fällt <strong>de</strong>r BFH ein Urteil, das<strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfinanzministerium nicht gefällt,kann es einen sogenannten Nichtanwendungserlassverfügen. Durch <strong>de</strong>nim Bun<strong>de</strong>ssteuerblatt veröffentlichtenNichtanwendungserlass wer<strong>de</strong>n dieFinanzbehör<strong>de</strong>n verpflichtet, eine bestimmteBFH-Entscheidung über <strong>de</strong>nentschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus nichtanzuwen<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Praxis geht es meistum Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r BFH zugunsten<strong>de</strong>s Steuerzahlers – und zulasten <strong>de</strong>rStaatskasse – urteilte. Hier ist es ausnahmsweiseeinmal umgekehrt. <strong>Die</strong>serNichtanwendungserlass wirkt zugunstenvon Arbeitgeber und Arbeitnehmer.personalmagazin: Können Sie dies aneinem Beispiel ver<strong>de</strong>utlichen?Wellhöner: Der Bruttoarbeitslohn einesArbeitnehmers beträgt 3.000 Euro. DerArbeitsvertrag wird geän<strong>de</strong>rt in 2.900Euro brutto Arbeitslohn zuzüglich 100Euro Kin<strong>de</strong>rgartenzuschuss. <strong>Die</strong>ser Kin<strong>de</strong>rgartenzuschussdarf nicht steuerfreiausgezahlt wer<strong>de</strong>n, weil er nicht zusätzlichzum Arbeitslohn, son<strong>de</strong>rn an seinerStelle gezahlt wird. Wür<strong>de</strong> hingegenweiterhin <strong>de</strong>r Bruttolohn von 3.000 Eurozuzüglich <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rgartenzuschussesvon 100 Euro gezahlt, könnte <strong>de</strong>rZuschuss steuerfrei ausgezahlt wer<strong>de</strong>n.Ob für <strong>de</strong>n Zuschuss möglicherweiseeine an<strong>de</strong>rweitige arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage,zum Beispiel aus betrieblicherÜbung, besteht, wird von <strong>de</strong>rFinanzverwaltung nach <strong>de</strong>n Vorgaben<strong>de</strong>s Nichtanwendungserlasses dagegennicht geprüft.personalmagazin: Wie kann <strong>de</strong>r Gesetzgeberfür Rechtssicherheit sorgen?Wellhöner: Es besteht Handlungsbedarf,<strong>de</strong>nn die BFH-Urteile wi<strong>de</strong>rsprechen <strong>de</strong>mausdrücklichen Willen <strong>de</strong>s Gesetzgebers,Berufspendler und Eltern von Kin<strong>de</strong>rgartenkin<strong>de</strong>rnsteuerlich zu entlas ten.So könnte etwa auf das Kriterium „zusätzlichzum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“im Gesetzestext bei <strong>de</strong>n zubegünstigen<strong>de</strong>n Lohnbestandteilen verzichtetwer<strong>de</strong>n. Steuerschädlich wärendamit weiterhin nur Gehaltsumwandlungen.Bis zu einer Än<strong>de</strong>rung bleibtes für die Praxis, tunlichst auf die strikteTrennung zwischen frei verfügbaremLohn und verwendungsgebun<strong>de</strong>ner zusätzlicherLeistung zu achten.Das Interview führte Thomas Muschiol.ARBEITSHILFEÜbersicht Steuerpflichtige und steuerfreieZuschüsse <strong>de</strong>s Arbeitgebers (HI2721216)<strong>Die</strong> Arbeitshilfe fin<strong>de</strong>n Sie im <strong>Haufe</strong>Personal Office (HPO). Internetzugriff:www.haufe.<strong>de</strong>/hi272121609 / 13 personalmagazinBei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.<strong>de</strong>