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DER GRAMMATISCHE TIGERSPRUNG. - DiVA

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5.5. Sprache und Denken: Die Stockwerke des Geistes5.5.1. Durch die Stadien des DenkensWeininger will mit seiner Theorie der gradweisen Klärung keinedetaillierte Lösung des Verbalisierens vorschlagen, da für ihn wie fürSchopenhauer nicht die Sprache sondern die Wahrheitsfindung imBlickpunkt steht. Wahrscheinlich kann er sich schon auf dem dunklenHenidenstadium eine unvollkommene Sprache vorstellen: „weil ja dochdie Frauen genug sprechen" (W 1916, 249, gesperrt von W.), obgleichsie „mehr oder minder in Heniden" denken und leben (126 f).Die Klärung geht dann stufenweise in Stadien weiter, bis zu „der höchstendem Menschen möglichen Stufe des Intel lekts" (127), wo die Helligkeitund die scharfe „Artikulation der psychischen Data" (128) eintritt.Diese höchste Stufe erreichen nur die genialen Menschen. So kombiniertWeininger den Klärungsprozeß mit dem Begriff Begabung in demberühmten Kapitel Begabung und Gedächtnis. Hier gibt er eine Beschreibungvom Übergang zum Wort, wo er sich auf Swoboda beruft, derfür jenen Ubergang den modern klingenden Terminus Sprechschwellevorschlägt (154).Bei Doderer gibt es eine differenziertere Phasentheorie des verbalenDenkèns, die sich im Wechselspiel Theorie/Romanpraxis entwickelt,und die viel komplizierter ist als die fast ausschließlich intellektuelleKlärung Weiningers, die mit der Entfaltung der Genialität verbundenist. Doderers Theorien von der ersten und der zweiten Wirklichkeit, vonapperzeptiver Verfassung kontra Apperzeptionsverweigerung undschließlich die Analogia entis führen ganz neue Elemente hinzu.Die Sätze der Lebensphilosophie (5.3.) von der Menschwerdung geltenauch für die Sprachwerdung, da die beiden Prozesse oft identisch scheinen.Es sei nochmals gesagt, daß bei Doderer einfache Leute, ohne irgendwelcheintellektuelle Begabung, die Menschwerdung erreichenkönnen. Er nennt solche Leute Genies in Latenz. Zu diesen Menschengehört ja auch Melzer in der S trudlhofstiege, auf dessen Sprachwerdungschon hingewiesen wurde: vom automatischen Denken des geistigunentwickelten Offiziers (denken, „soweit davon bei ihm die Rede seinkann"), stufenweise bis zum „Zivil-Verstand". Der Autor betont, daß der„Geist des Majors" anfangs mühsam, später leichter „durch die Stockwerkeund Stadien" „nach der natürlichen Ordnung" „ging oder stieg"(Stiege, 688 f).120

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