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DER GRAMMATISCHE TIGERSPRUNG. - DiVA

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lieh aus dem Kapitel Begabung und Gedächtnis, worin die Genialitätmit der Gedächtnistheorie gekoppelt wird. (Vgl. 5.4.2. und 5.5.1.; bei derWeininger-Lektüre muß der Leser beachten, daß die Thesen absolutenGrößen gelten. Ebensowenig wie es in der Wirklichkeit absolute Männerund Weiber, M und W, oder eine totale Apperzeption gibt, existierteine vollkommene universale Genialität.) Die Zusammenstellung derWeininger-Zitate bei Le Rider 1984/1986 (40) zeigt, wie fruchtbar dieseTheoreme für Doderer als Romancier waren. Ein kurzes vereinfachtesResümee der Hauptpunkte gibt eine erste Information:Das Gedächtnis besiegt die Zeit. ( 173) Der Genius, der geniale Mensch, dessen Gedächtnistotal ist, ist somit zeitlos. (174) Er kann mit der Vergangenheit und mitder Ewigkeit Verbindung finden. Die Entfaltung der Genialität setzt ein Schockerlebnisvoraus, das Weininger als „Ich-Ereignis" bezeichnet. (216) Die Periodizität,die das menschliche Seelenleben und damit die Erinnerungen steuert, ist beiden Genies besonders stark. (136) (Sämtliche Hinweise aus W 1916)Das Thema Sprachwerdung fehlt in dieser kurzen Ubersicht, und umDoderers sprachlichen Ausbau der Weininger sehen Ideen zu verstehen,braucht man mindestens drei ergänzende Gesichtspunkte. Zuerst WeiningersVersuche, den Begriff des Gedächtnisses zu definieren,denn diese Definitionen sind nicht nur für Doderers Romantheorie, sondernauch für seine Lebensphilosophie von Bedeutung:Je plastischer, je geformter ein Empfindungskomplex ist, desto eher ist er reproduzierbar.(W 1916,145)Dies bedeutet, daß die Gedächtnistheorien mit der Apperzeptivität verbundenwerden. Die Menschen haben ungefähr die gleiche Möglichkeitzu perzipieren, aber die meisten apperzipieren davon „einen unendlichkleinen Teil", nur bei den genialen Menschen gibt es eine umfassendeApperzeption. (W 1916, 147) Wenn es dem Menschen, d.h. für Dodererdem Schreibenden, dem Schriftsteller, gelingen sollte, die gegenwärtigenWahrnehmungen „plastisch" in sich aufzunehmen, kann er versichertsein, daß seine zukünftigen Erinnerungen an jene in „der Tiefe derZeiten" empfangenen Apperzeptionen deutlich „reproduzierbar" werden.Diese These ist bestimmend für das persönliche Leben des Autors:er muß hier und jetzt offen apperzipieren, um in der Zukunft klare Erinnerungenzu bekommen, denn aus diesen Erinnerungen soll er seineRomanwelt aufbauen.Es genügt aber nicht zu wissen, daß die genialen Menschen ein besseresErinnerungsvermögen besitzen als andere, meint Weininger, zu derDefinition gehört auch eine Analyse des Begriffes Gedächtnis:138

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